Kickers Oxxenbach - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1961/62 - 17. Spieltag
1:0 (1:0)
Termin: 17.12.1961
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Kreitlein (Stuttgart)
Tore: 1:0 Kraus (35.)
Kickers Oxxenbach | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Kreitlein: Freistoß statt Elfmeter Günter Wölbert berichtet vom Bieberer Berg Kickers Offenbach — Eintracht Frankfurt 1:0 (1:0) Jetzt hat die Eintracht also ihre erste Niederlage weg. Daß es ausgerechnet auf dem Bieberer Berg geschehen mußte, wird zwar bei einigen Fanatikern Gallenkoliken ausgelöst haben. Um so mehr, als das entscheidende Tor von Berti Kraus haltbar war und als Schiedsrichter Kreitlein der Eintracht kurz nach der Halbzeit einen Elfmeter hätte zusprechen müssen. Für die halbwegs sachlichen Fußballfreunde unter den 24.000 Zuschauern bleibt dennoch kein Stachel. Und das ist das Schöne an diesem Derby „Marke Nordpol" zwischen den Kickers und der Eintracht. Die Kickers waren nämlich so deutlich die bessere Mannschaft, daß Diskussionen darüber, ob der 1:0-Erfolg der Offenbacher verdient war oder nicht glattweg ausfallen müssen. Man kann allenfalls darüber debattieren, wie das Spiel wohl ausgegangen wäre, wenn Berti Kraus nicht bei den Offenbachern mitgemacht, sondern im Eintracht-Dreß gesteckt hätte. Ich scheue keine Sekunde zu sagen, daß dann meiner Meinung nach die Eintracht gewonnen hätte. Berti Kraus war auf dem hartgefrorenen Boden einfach nicht festzunageln. Nicht einmal von einem so biegsamen Mann wie Lutz, den man eigens aus der Verteidigung auf den Stopperposten gezogen hatte, um die Abwehr im Hauptoperationsgebiet von Kraus flexibler zu machen. Es war, als ob eine Fee ihm mit einem Wunderkräutchen über die Fußballschuhe gestrichen hätte. Sie konnten ihm einfach nichts anhaben. Wenn die anderen hinpurzelten, stand Berti sicher auf den Beinen; wenn die andern sich in die falsche Richtung stürzten, machte sich Berti mit dem Instinkt eines Schlafwandlers auf den richtigen Weg. Wenn den andern das Leder zum Gegner wegsprang — Bertis Pässe kamen an. Der kleine Kraus war der große Mann dieses Spiels. Er verbreitete Angst und Schrecken. Dennoch war es nicht so, als ob er die Eintracht ganz allein aufs Kreuz gelegt hätte. Zu dieser Ansicht könnte man um so eher neigen, als Kraus auch in der 36. Minute das goldene Tor erzielte mit einem Flachschuß von der Strafraumgrenze, bei dem Loy entweder die Sicht versperrt war oder den er falsch berechnet hatte, so daß sich der Ball in die Ecke trollte. Nein, Berti Kraus hatte zwei tatkräftige Helfer zur Seite: den schwer vom Ball zu trennenden und mutig aufs Tor zustoßenden Gast und einen Gerd Kaufhold, der alle Umständlichkeit der vergangenen Woche abgelegt hatte. Und das wichtigste: trotz spürbarer Akzente zu Einzelaktionen spielten sie zusammen, halfen und ergänzten einander. Entweder Kaufhold oder Conc sicherten in der Deckung mit ab und machten die gute Hintermannschaft noch elastischer. Die Eintracht wirkte wie der gewaltige Körper eines Athleten, der in der schneidenden Kälte das feine Gefühl der Muskeln für wohlabgestimmte Bewegungen verloren hat. Man ahnte die Kraft und das Geschick, das in diesem Körper eingeschlossen ist, wenn Stein zu seinen Läufen ansetzte, aber dann am Gegner explodierte wie an einer Mauer und nur selten das Offenbacher Tor wahrhaft gefährdete. Man spürte es, wenn der lange Kreuz den Ball hin und wieder kaltschnäuzig und mit dem Instinkt für den allein begehbaren Weg in den freien Raum oder zum Mitspieler legte, wenn Lutz sich selbstbewußt einschaltete. Doch als ob man mit klammen Fingern eine anmutige Gebärde machen wolle, so hölzern und hilfsbedürftig wirkte die Eintracht über weite Strecken des Spieles. Da floß einfach nichts zusammen. Von vier Pässen des bulligen Horn liefen drei zum Gegner. Stinka lief oft mit wie das Rad eines Getriebes, auf dem kein Schwungriemen liegt. Richard Kreß bewegte sich als ob er nicht auf einem Fußballplatz sondern auf der zerbrechlichen dünnen Eisdecke eines Weihers operiere, und Schämer erzielte gegen den athletischen Schultheiß noch weniger Wirkung als Kreß gegen den trefflichen Sattler. Von Lindner sah man nur dann Erfreuliches, wenn sich das Spiel in der ersten Etage bewegte und er mit seinem guten Kopfballspiel brillierte.
Kein Wunder, daß es bis zur 20. Minute dauerte, bevor Groh, durch Stein und Stinka belästigt wurde. Loy hatte da bereits ein feuchtes Trikot. Seine Vorderleute vermittelten in dieser Phase noch den Eindruck, als ob sie mit ihrem lauernden Eifer, einer für den andern in die Bresche springend, die Offenbacher noch unter Gewalt bringen könnten. Doch das täuschte. In der Haupteinbruchsstelle bei Eigenbrodt wurden immer wieder durch Gast und den nach links tendierenden Kraus beträchtliche Erschütterungen ausgelöst, die auch Lutz nicht in der wünschenswerten Weise abdämpfen konnte. Auch Höfer mangelte es an Geschmeidigkeit, doch er war in seinem Bereich einigermaßen Herr der Lage. Die gefährlichste Situation für die Offenbacher beschwor Erwin Stein herauf, als er sich in der 55. Minute an Nuber vorbeidrückte und frei in den Strafraum eindrang. Sattler rempelte ihn von hinten um. Schiedsrichter Kreitlein pfiff. Nach den Regeln konnte er nur einen Elfmeter geben. Er entschied indessen auf indirekten Freistoß, und den hob der von Lindner bediente Schämer über die Latte. Aber wie gesagt: Alles und jedes einkalkuliert haben die Kickers verdient gewonnen. Wenn sie so spielen wie gegen die Eintracht, dann bleibt der zweite Tabellenplatz in erreichbarer Nähe. Die Eintracht bedarf keines Trostes. Sie ist eine gute Mannschaft. Aber wo ist die Elf, bei der im Kampf gegen einen guten Gegner nicht einmal alles schiefgeht. (aus 'Der neue Sport' vom 18.12.1961)
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