1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1961/62 - 15. Spieltag

0:3 (0:0)

Termin: 26.11.1961
Zuschauer: 45.000
Schiedsrichter: Tschenscher (Mannheim)
Tore: 0:1 Lothar Schämer (56.) Lothar Schämer 0:2 (66.), 0:3 Dieter Lindner (80.)

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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Wabra
  • Derbfuß
  • Hilpert
  • Gettinger
  • Wenauer
  • Reisch
  • Flachenecker
  • Morlock
  • Strehl
  • Wild
  • Müller

 


 

Trainer
  • Herbert Widmayer
Trainer

Zwei Kreuzvorlagen = zwei Schämertore

Erich Wick, Ludwig Dotzert und Herbert Windecker berichten aus dem übefüllten Nürnberger Stadion

1. FC Nürnberg — Eintracht Frankfurt 0:3 (0:0)

Dieser Eintracht-Sieg war gebaut wie eine geometrische Figur. Stück für Stück, Abschnitt für Abschnitt, Szene für Szene lief — zufällig und gewollt — ein Programm ab, dessen Gesetzmäßigkeit sich erst mit dem Schlußpfiff offenbarte. Ende der ersten Halbzeit bereits waren die meisten Probleme gelöst. Die Nürnberger glaubten zu herrschen und wurden beherrscht.

Nach dem Wechsel schlugen dann die Riederwälder auf die Pauke. Das erste Tor fiel ziemlich genau in dem Augenblick, in dem dieses Tor fallen mußte. Die Nürnberger hatten ihren Ehrgeiz und ihre Unternehmungslust verprasselt, sie hatten sich müde kombiniert, ihr Nervenkostüm war zerfetzt und in ihren Kniekehlen nagte der Zweifel: die Eintracht hatte freie Fahrt!

Mit zwei schneidenden Kreß-Attacken zu Anfang konnten die Riederwälder den Massenüberfall der Nürnberger zunächst nur kurze Zeit aufhalten. Er brach dann um so wuchtiger über sie herein. Nach einer Chance Strehls, an der eigentlich schon nichts mehr zu verderben war, bei der aber Loy wie weiland Willibald Kreß mit einem beidbeinigen Sprung zum Ball dem Schützen gerade noch in die Karriere fuhr, rollte eine Lawine auf die Eintracht zu, unter der wahrscheinlich jeder andere Gegner erstickt wäre. Auch die Riederwälder rangen sichtlich nach Atem.

Aber gleichzeitig hakten und verkleisterten sich ihre Abwehrteile bis hinauf zum Halbstürmer zu einer schier undurchdringlichen Masse. Der Club persönlich sorgte dafür, daß Stinka und Horn, der mit Erfolg den in der Reserve eingesetzten Schymik vertrat, daß die beiden Eintracht-Außenläufer sich schnell allen Torschützen-Ehrgeiz aus dem Kopf schlugen. Ihre Gegner Morlock und Wild machten ihnen soviel Arbeit, daß den Außenläufer-Windbeuteln keine Sekunde Zeit blieb, auf dumme Gedanken zu kommen. Die Situation ließ auch die beiden Halbstürmer Kreuz und Lindner nicht ruhen. Keiner von ihnen war sich zu gut, aus den entferntesten Gegenden anzureisen, wenn es galt, die letzte Lücke zu stopfen. Höfer ließ Flachenecker abprallen, wie Flachenecker seit Jahren nicht mehr abprallte. Lutz verfolgte seinen Gegner Müller, wie einen zentnerschweren Schatten, und Wild ritt immer öfter mit Morlock in die Enge, in der Eigenbrodt, Horn und Stinka wie Pech und Schwefel zusammenhielten.

Nur Nürnbergs Torschützenkönig Strehl wußte Schleichwege, die in aussichtsreiche Schußposition führten. Aber er hatte in Egon Loy einen überlegenen Gegner. Zum erstenmal seit langer Zeit konnte sich der Eintrachthüter einmal so recht nach Herzenslust austoben. Nach Wochen der Unterbeschäftigung bereitete ihm der plötzliche Arbeitsanfall sichtlich Befriedigung. Er und Höfer waren die kantigen Individualisten, die sich selbst in den turbulentesten Situationen noch klar von der Menge abhoben.

Die Eintracht beschränkte sich in dieser schweren Zeit auf eine Art gezielter Entlastungsangriffe. Wenn Horn mit dem Ball am Fuß aus der Zone der Gefahr vor dem eigenen Tor herauskam und die Mittellinie überschritt, dann befanden sich vor allem Kress und Schämer sofort in höchster Bereitschaft. Jetzt schon verkrallten sich Kress und sein direkter Gegner Hilpert in Zweikämpfe, die jedesmal bis hart an die Grenze des Punktes führten, wo man sich gegenseitig mit Ohrfeigen droht. Aber es kam nicht dazu. Die beiden Kampfhähne verströmten fast allen Zorn in Aktionen, die noch erlaubt sind. Keiner von beiden ließ sich unterkriegen.

Schämer hatte es gegen Derbfuß etwas leichter, aber immer noch schwerer als üblich. Kress und er waren seit voriger Woche am weitesten vorangekommen. Mit Hilfe von Kress und Schämer gelang es den Riederwäldern auch viermal, ihren Erwin Stein unbedrängt in beste Schußposition zu bringen, ehe das erste Tor dann wirklich fiel. Erwin, der beim Spiel ohne Ball wieder Vortreffliches leistete, war am Ball in Nürnberg verwirrt und unentschlossen.

So hieß es also abwarten, bis sich beim Club die Schrauben lockerten, bis Kreuz für höhere Aufgaben frei wurde. So lange der Club aus dem Vollen schöpfte, so lange der Club stürmte, so lange wirkte der lange Kreuz wie ein in die Arktis verschlagener Vogel Strauß. Und dann kamen plötzlich zwei Vorlagen von ihm, die alles entschieden. Beide Male stocherte der Lange den Ball in einem Zug aus der Luft und rollte ihn akurat in den Weg von Schämer. Schämer traf zwei Mal in die gleiche Ecke und es stand 2:0. Wenn die großen Augenblicke von Kreuz und Schämer zusammenkommen, sind die Riederwälder zur Zeit von tödlicher Wirkung.

Knapp 25 Minuten vor Schluß standen Sieger und Verlierer bereits fest. Das große Spiel pendelte aus, das Spiel, das auch dann noch groß blieb, als nach der Pause beiden Mannschaften Borsten wuchsen, als einige Club-Recken vor Wut kochten und Wucht und Kraft im allgemeinen über Schmiß und Eleganz fingen. Je mehr sich die Blicke auf Seiten des Clubs vernebelten, desto klarer sah man bei der Eintracht. Die Riederwälder machten den entscheidenden Schritt nach vorn. Der Moment, in dem die großen Momente von Kreuz und Schämer zusammenkommen würden, zeichnete sich ab. Das dritte Tor kam von Lindner, in Gemeinschaftsarbeit mit Wenauer.

Es war das Tor, um das der verdiente Eintracht-Sieg zu hoch ausfiel. Der Club spielte das beste Spiel seit Wochen. Strehl, der erstmals nach seiner Verletzung wieder in der Angriffsmitte stürmte, war der Leitstrahl, auf dem die Nürnberger nach vorn glitten. Morlock tauchte hinten und vorn immer wieder in dem Augenblick auf, in dem ihn die Eintracht am wenigsten erwartete. Hilpert reagierte bei jeder Berührung wie eine Platzpatrone. Wenauer und Reisch schwitzten ihr Trikot in jeder Viertelstunde neu durch. Kein Zweifel, der Club spielte wirklich das beste Spiel seit Wochen, aber die Eintracht, in der Horn seinen Vorgänger Schymik für die nächste Zeit den Rang abgelaufen hat, spielte noch besser. (aus 'Der neue Sport' vom 27.11.1961)

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