TSV 1860 München - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1961/62 - 1. Spieltag
1:6 (0:3)
Termin: 06.08.1961
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 0:1 Lothar Schämer (16.), 0:2 Hermann Höfer (33.), Friedel Lutz (37.), 0:4 Lothar Schämer (70.), 0:5 Lothar Schämer (73.), 0:6 Lothar Schämer (78.), 1:6 Brunnenmeier (83.)
TSV 1860 München | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Alles schwärmte von Schämers Toren Ludwig Dotzert berichtet von Giesings Höhen TSV 1860 München — Eintracht Frankfurt 1:6 (0:3) In München brach eine Serie von Mißerfolgen ab, die — wir haben eigens fünf Jahre in der Geschichte zurückgeblättert — seit dem 8. Januar 1956 wie ein Fluch auf der Eintracht lastete. Aber, was sage ich: brach ab! Brach ab klingt nach einem Gewaltakt, den die Riederwälder gar nicht nötig hatten. Nichts von Verbissenheit, nichts von Zähnefletschen, nichts von Explosion! Das Unglaubliche schien den Oswald-Leuten förmlich in den Schoß zu fallen. Zwei Vorlagen von Kreuz, weich wie Flaumenfedern, und ein von Höfer vollstreckter Freistoß, der von der Abwehrmauer in die äußerste Ecke holperte, hatten die Riederwälder bereits lange vor der Pause von der Münchener Platzangst erlöst. Es stand 3:0. Und erlöst waren auch zwei Spieler, die an diesem Eröffnungstag, jeder aus einem anderen Grunde, zeitweilig unter schlimmen Zweifeln leiden mußten: Lutz und Schämer. Lutz überschlug sich in der 13. Minute vor Schmerzen, als Auernhammer und er mit höchster Wucht gleichzeitig den Ball trafen, retirierte hinkend nach Rechtsaußen und machte schon den Eindruck eines Vollinvaliden. An Schämer nagten die Komplexe, die keinem Linksaußen der Eintracht in den letzten Jahren erspart bleiben konnten. Er wußte, daß im Hintergrund schon ein anderer wartete, um ihn am nächsten Sonntag im Falle des Versagens abzulösen. Kreuz kurierte beide. Schon die erste Vorlage, die er Schämer zuschob, führte diesen in den von der Abwehr verlassenen Strafraum. Was Schämer dann machte, traut man normalerweise nur Spielern von dem Rang und der Eleganz eines Strehl oder Schütz zu. Schämers Schlenkball, mit dem Außenrist an dem getäuschten Torhüter Bechtold vorbei in die Ecke gezirkelt, wäre sogar eines Istvan Sztani würdig gewesen. Nun war Schämer nicht mehr zu halten. Nach der Pause rammte er weitere drei Treffer ins Netz, und jeder einzelne davon war wuchtig wie ein Rangierstoß. Dem 13-Meter-Schuß nach Vorlage Stinkas folgte ein 20-Meter-Schuß nach Vorlage Weilbächers. Dazwischen ein Modellkopfball aus unmittelbarer Nähe nach Flanke von Richard Kreß! Das hatte die Welt noch nicht gesehen, von Schämer ganz bestimmt nicht. Auch die Vorlage, die Lutz wieder In Bewegung setzte, stammte von Kreuz. Eine Sekunde vorher hatte Lutz noch das lädierte Bein nachgeschleppt wie einen Ballast. Dann kam die Vorlage, die einfach zu schön war, um sie ungenützt ins Aus rollen zu lassen. Lutz lief seinem Schmerz auf und davon und kurvte um dem zu Tode erschrockenen Pfanzelt, der Lutz längst abgeschrieben hatte, und riß den Ball wie einen Reiserbesen über das Gras in die entfernteste Ecke. Lutz spielte hinfort wie ein gelernter Rechtsaußen, aber Pfanzelt lebte bis zum Schluß in dem Wahn, eine halbe Kraft vor sich zu haben. Das war einer der Hauptgründe, die den Löwen das Genick brach. Lutz wurde nie ernstlich gedeckt. Auch die übrigen, die es nach der Verletzung des Riederwälder Stoppers auf andere Posten verschlug, genügten in ihren neuen Aufgaben sofort höchsten Ansprüchen. Weilbächer legte eine Stopperpartie hin, die in Süddeutschland wahrscheinlich nur durch einen übertroffen werden kann: durch Lutz, seinen Vorgänger. Richard Kreß hatte ohnehin von Anfang an nach innen gedrängt. Jetzt, wo ihm das Amt des rechten Verbinders offiziell gehörte, kamen seine versteckten Qualitäten in puncto Uebersicht und Schaffenskraft schöner denn je zum Durchbruch. Horn bot als Läufer ein Bild untadeliger Pflichterfüllung und nüchterner Zweckdienlichkeit. So geschah das schwer zu Fassende: Durch die Verletzung von Lutz und eine Serie von Umstellungen, die diese Verletzung nach sich zog, wurde nichts schlechter bei der Eintracht. Die Eintracht wurde eher noch besser. Und den Lutz übersahen die Münchner immer öfter. Was er, Schämer und Kreuz machten, haben die Löwen offenbar nie ganz begriffen. Nichts auszusetzen gab es auch an den Riederwäldern, die auf ihren gewohnten Positionen bleiben durften. Stinka hatte eine erste Halbzeit, in der er dem gegnerischen Sturm die bestbewahrten Bälle mit einer derartigen Geräuschlosigkeit zwischen den Füßen herausstahl, daß er den Münchenern sichtlich auf die Nerven fiel. Seine Art hatte für den Gegner etwas Lähmendes. Stinka ließ jedoch nach der Pause vorübergehend in den gleichen Maßen nach wie Kreuz. Nach der Pause beim Stand von 3:0 wollten die Riederwälder überhaupt weiter nichts mehr, als das Errungene festhalten. Es kam anders. In der Absicht, die Lederkugel in den eigenen Reihen zu halten, steuerten die Stürmer öfter am gegnerischen Tor vorbei oder gerieten sie immer öfter in die Nähe des gegnerischen Tores und kam die Lederkugel mehrmals in die Nähe der schußbereiten Beine Schämers. Schämer war offenbar der Ansicht, daß eine Lederkugel nirgends sicherer aufgehoben ist als im Tor des Gegners. Von seinen Schüssen wurde schon geschwärmt. Das Glück von München, das auch ein Gegentreffer Brunnenmeiers kurz vor Schluß, als die Eintracht-Abwehr schon alles nicht mehr so ernst nahm, nicht mehr trüben konnte, das Glück im Pechfaß der Grünwalder Straße, wo die Eintracht immer gut spielte und trotzdem bis zu diesem Sonntag nie mehr gewann, dieses Glück beruhte vor allem auf eigenem Verdienst. Hinzu kam freilich die Sorglosigkeit zwei der zwei Münchener Außenläufer (Simon und Benthaus), die an Kreuz und Kreß vorbeiliefen wie blinde Hühner. Das konnte auf die Dauer nicht gutgehen. (aus 'Der neue Sport' vom 07.08.1961)
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