1. FC Saarbrücken - Eintracht
Frankfurt |
Deutsche Meisterschaft 1960/61 - 6. Spieltag Endrunde, Gruppe 1
2:5 (0:1)
Termin: 18.06.1961
Zuschauer: 32.000
Schiedsrichter: Seekamp (Bremen)
Tore: 0:1 Ernst Kreuz (7.), 0:2 Erwin Stein (47.), 1:2 Horst Thiel (56.), 1:3 Erich Meier (60.), 2:3 Heinz Vollmar (69.), 2:4 Friedel Lutz (85.), 2:5 Dieter Lindner (87.)
1. FC Saarbrücken | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintrachtwalze vom Ludwigspark Selbst Lutz stürmte mit / Aber Kreß fehlte sehr im Sturm Der große Sonderbericht des „Neuen Sport" von Herbert Windecker und Ludwig Dotzert 1. FC Saarbrücken — Eintracht Frankfurt 2:5 (0:1) Es gibt keinen plausiblen Grund, der Frankfurter Eintracht wegen ihrer Versäumnisse in diesem Spiel gram zu sein. Sie hat den 1. FC Saarbrücken in langen Phasen regelrecht plattgewalzt, ihm auf dessen eigenem Platz fünf Tore verpaßt, ihm Lektionen verlesen, wie es weder der HSV noch Borussia Dortmund auch nur annähernd fertigbrachten. Aber es ging über die Kraft der Eintracht, den Widerstandsgeist des Deutschen Fußballmeisters HSV einzuschränken im letzten Spiel, in der dieser den Titel noch tragen darf. Die sieben Tore von Dortmund waren in Wirklichkeit die Barriere, die selbst von einer Super-Eintracht nicht zu überspringen gewesen wäre. Und wenn die Eintracht gleichgezogen hätte, wer weiß, ob nicht in Dortmund ein 12. Tor gefallen wäre. Für so müde hatte man den HSV nach allen höchstpersönlich angestellten Untersuchungen nicht gehalten. Die Eintracht vom Ludwigspark war noch dazu gar keine Super-Eintracht. Es war eine Elf, die bemüht war, alle Endrunden-Enttäuschungen in Bausch und Bogen vergessen zu lassen. Sie hatte 90 Minuten lang Zeit, aber sie begann, als wäre ihr nur eine Viertelstunde gegönnt. Sie schoß im zweiten Durchgang des Spiels ein Tor, stürmte nach dem 2:0 einem ganz großen Sieg entgegen, ließ sich durch das erste Gegentor wieder ins Bockshorn jagen und stürmte schließlich so kompromißlos, daß ein Mann wie Lutz, einer der diszipliniertesten Deckungsspieler im ganzen Lager, ein Tor schoß. Der Torschütze hätte auch Höfer oder Schymik heißen können. Es wäre kaum ein Unterschied gewesen. Die Eintracht wußte, daß nur die Tore entscheiden und so spielten sie auch. Nach dem ersten Gegentor tat es einen Knacks im Werk. Das „Zu-Null-Siegen" war der Grundtenor. Das „Zu-Null" war fast wichtiger als die selbst zu schießenden Tore, und eigentlich war das „Zu-Null" so lange ungefährdet, bis das erste Gegentor gefallen war. Bis um diese Zeit sah Frankfurts Abwehr aus wie eine Eisbärgruppe: unnahbar, kalt bis ins Herz, entschlossen und hartnäckig. Das Saarbrücker Tor Nummer 1 konnte so auch nur auf unmöglichem Wege fallen, durch einen Ausreißer, der irgendwelche Kompetenz-Schwierigkeiten der Hintermannschaft in Sekundenschnelle ausnutzte und, bevor er noch gestellt werden konnte, einfach geradeaus schoß, just in die kurze Ecke des Tors, in der sich Loy aufhielt. Mit diesem Tor wurde ein ganzes Stück aus dem Frankfurter Marschplan herausgerissen, und, fast noch wichtiger, mit diesem Tor wuchsen die Saarbrücker von dieser Minute an zu einem ernst zu nehmenden Widersacher. Postwendend sahen sich die Frankfurter an die Wand gequetscht, nun um das 2:1 bangend und erst der Mayersche Meisterkonter trieb das Spiel auf seine ursprüngliche Basis zurück. Die beiden letzten Tore, zum 4:2, 5:2 waren eigentlich nur der Ausdruck einer Verzweiflungsstimmung, eines Gefühls, vorher noch zu wenig getan zu haben. Und der zweite Gegentreffer stand in seinen Auswirkungen dem erst stark nach. Er hatte kaum etwas zu sagen. Er bedeutete in seiner letzten Konsequenz nur das Herausdrängen der Frankfurter aus dem Endspiel. Der Sturm der fünf Tore, ihm fehlte ein Kress, dennoch wie etwas unentbehrliches. Kress war nicht zu ersetzen. Sein Stellvertreter, Lindner, spielte so brav, so streng nach Konzept, daß das Verlangen nach Kress nur noch heißer wurde. Erwin Stein quälte sich eine Halbzeit mit seiner Verletzung und dem harten Hesse herum. Nachher pfiff er auf beides, auf Wehwehchen und Hesse und er war prompt im Handumdrehen zum eindrucksvollsten Eintracht-Stürmer emporgeschnellt. Stein sah die Vorstellung des Ernst Kreuz aus, der mit Genialität gewürzte Züge aufs Parkett legte und dann über fast endlose Phasen nicht zu sehen war. Dabei war die Gegenwehr Diehls bei weitem nicht so fest wie vor fünf Wochen in Frankfurt. Hier, auf eigenem Platz, hatte Diehl das Bestreben, doppelt zu glänzen, nicht nur als Kreuz-Obmann. Und es klappte auch, weil sich die Kreuz-Eröffnung später kaum mehr wiederholte. Ja, als er sein Tor schoß, war er noch ein ganzer Kerl, der Kreuz, später nur noch ein halber. Die hin und wieder fast unfaßbare Schonung beschränkte sich indessen nicht allein auf Stein und Kreuz. Von ihnen war Meier im gleichen Maß befallen. Der Meier der ersten Hälfte war um mindestens eine halbe Nummer kleiner als der der zweiten. Um diese Zeit war er einer der zuverlässigsten Frankfurter Stürmer und neben Erwin Stein der Mann mit dem ausgeprägten Zug zum Tor. In die Reihe der Stürmer gehörte über lange Zeit Stinka, der allerdings durch Martins Mauerwerk regelrecht verlockt wurde, nachzugehen. Ihm, Stinka, fielen dank des ausgereiften Vermögens mitzudenken, sogar einige Chancen von der mittleren Größe zu, deren reifste um ein Haar zum Tor geführt hätte. Stinka sah reifer aus als in allen anderen Spielen der jüngsten Vergangenheit, freilich auch in ausgedehntem Maß von allen Deckungspflichten entbunden. Weilbächers Wirkung stand weit hinter der Stinkas zurück, weil die Eintracht eine stürmende Elf war. Immerhin glänzte Weilbächer, als es hieß, das 2:1 über die nächsten Sekunden und Minuten zu bringen, mit seiner Feuerwerkart, die es keinem Gegner gönnte, Luft zu holen, Gedanken zu fassen. Höfer beherrschte seinen Gegner namens Thiel im gleichen Maße wie er in den Wochen zuvor einen Cylias, eißner und Remark beherrscht hatte. Schymik, von Meng weit mehr gefordert, legte eine blitzblanke erste Halbzeit vor, geriet später kurzfristig in den von Meng entfachten Strudel und war zum Ende wieder frisch und aufmerksam wie beim Start. Loy spielte nur am Rande mit. Meistens hatte er sich mit dem Auflesen von Bällen zu befassen. Das eine Gegentor war auf eine zu langsame Reaktion zurückzuführen. Beim zweiten stand er geschlagen im Vorfeld des Tores, während der Ball unter die Latte preschte. Ihm das erste Tor anzukreiden, wäre vermessen. Die entscheidenden Fehler zu diesem wohl entscheidenden Tor wurden weiter vorn gemacht. Herbert Windecker
„Gott sei Dank, sie mauern nicht!" Ein Frankfurter stellte es nach der dritten Minute erleichtert fest. Es mag merkwürdig klingen, aber die forschen Saarbrücker Eröffnungsangriffe weckten seinen Optimismus. So wie die Saarbrücker sich staffelten, so haben es die Riederwälder nach allen Erfahrungen am liebsten. Wenn der Gegner hart nach dem Führungstor drängt, sind sie einem Führungstor am nächsten. Da schwebte auch schon die erste Flanke Schämers auf den Skalp Lindners, der jedoch seinen aufmerksamen Bewacher quasi mit nach oben hieven mußte und daher nur noch mit halber Kraft an die Lederkugel kam. Da bog auch schon Erwin Stein mit Siebenmeilenstiefeln in die Zielgerade ein und war nur noch durch eine Regelwidrigkeit des Saarbrücker Stoppers Hesse aufzuhalten. Zuerst schwoll der Fahnenkolonne vom Riederwald die Zornesader, weil der Schiedsrichter dieses dicke Foul durchgehen ließ. Und wenige Sekunden später schwoll ihnen der Kamm vor Endspielvorfreude. Der Abschlag Hesses war an Weilbächer hängengeblieben, der den Ball ohne Verzug an den auf Strafraumhöhe in Position gelaufenen Kreuz spielte. Den Rest zum 1:0 besorgte Kreuz mit der Gewissenhaftigkeit eines Vollstreckungsbeamten. Mit einer gescheiten Täuschung machte er den heranspurtenden Prauß unschädlich und schlenzte den Ball schließlich über Maklicza, der sich dem „Langen" mit Anlauf vor die Füße warf, korrekt in die Ecke. Die nun anrollende Phase drückender Riederwälder Ueberlegenheit war gut und gern zwei bis drei weitere Tore wert. Aber es sprangen nur Eckbälle heraus. Eckbälle wie Heu. Aber auch diesmal fehlte den Riederwäldern der Mann der Eckballszenen an allen Ecken und Enden. Entweder wurden die hereinschwebenden Mauersegler eine leichte Beute des Torhüters, oder sie erstickten im Dickicht. Mitte der ersten Halbzeit wurden die Abwehrspieler ungeduldig. Schämer riß sie bis in den Saarbrücker Strafraum vor. Höfer rammte einen Schuß wie einen Pfahl zwanzig Zentimeter über die Latte. Stinka ließ Abwehr Abwehr sein und wurde zum wertvollsten Aufbaustürmer der Riederwälder. Die Nachricht vom Dortmunder 2:1-Zwischenergebnis, die das Team Paul Oßwalds in der Kabine erreichte, wirkte wie ein Doping. Als der Schiedsrichter die zweite Halbzeit anpfiff, tobten die Rotschwarzen so lange in höchster Geschwindigkeit über den Platz, bis das 2:0 unter Dach und Fach war. Und dieses 2:0 bildete den Höhepunkt ihres Spiels überhaupt. Stinka — Kreuz — Stein hatten sich zu einer Stafette mit fliegenden Wechseln zusammengeschlossen. Stein brauchte schließlich auf der Torlinie nur noch in den Ball hineinzurennen. Hinter dem Höhepunkt stellten sich aber auch sofort bedenkliche Vorzeichen ein. Das Hochgefühl, nun dem Finale nahe zu sein, schwemmte auch die Riederwälder nach vorn, die hinten nicht zu entbehren waren. Schon bei einem er ersten ernsten Gegenangriffe der Saarbrücker nach dem Wechsel startete Rechtsaußen Thiel von der Mittellinie aus in den freien Raum. Höfer konnte ihn nur noch in einen etwas ungünstigeren Winkel abdrängen. Aber in den Querspalt zwischen Pfosten und Loy schlug die Kugel dennoch ein. 1:2! Eine Minute danach stiefelte Außenläufer Diehl eine unheimliche Rakete an die Latte. Weitere Gegentore, ja sogar die Niederlage rückten in den Bereich der Möglichkeiten. Das übrige flirrte am Auge vorbei wie ein Buntfilm. Mayers und Robes Sternlauf in die leere Saarbrücker Spielhälfte mit abschließendem Mayerschuß zum 3:1, der Nachschuß Mengs zum 3:2, der Alleingang des Friedel Lutz über 50 Meter zum 4:2 und Lindners Volltreffer aus dem Gedränge zum 5:2 überstürzten sich. Ludwig Dotzert * Paul Oswald, Eintracht-Trainer: „Das 7:2 aus Dortmund hat uns völlig überrascht. Meine Mannschaft konnte auch das Finale erreichen. Nur mußten wir dann vor dem gegnerischen Tor kaltblütiger sein." Saarbrückens Trainer Jenoe Csaknady: „Diese Endrunde ging über die Kraft der älteren Spieler meiner Mannschaft. Da Herbert Martin als unser Spielmacher das Tempo nicht mehr — verständlicherweise — durchstand, geht der Sieg der Frankfurter auch in dieser Höhe vollkommen in Ordnung." (aus 'Der neue Sport' vom 19.06.1961)
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