Borussia Dortmund - Eintracht Frankfurt

Deutsche Meisterschaft 1960/61 - 2. Spieltag Endrunde, Gruppe 1

0:1 (0:1)

Termin: 27.05.1961
Zuschauer: 43.000
Schiedsrichter: Sturm (Hannover)
Tore: 0:1 Erich Meier (15.)

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Borussia Dortmund Eintracht Frankfurt

  • Heinz Kwiatkowski
  • Wilhelm Burgsmüller
  • Rolf Thiemann
  • Wolfgang Peters
  • Lothar Geisler
  • Dieter Kurrat
  • Alfred Kelbassa
  • Alfred Schmidt
  • Jürgen Schütz
  • Friedhelm Konietzka
  • Gerhard Cyliax

Trainer
  • Max Merkel
Trainer

 

Eintracht bestand die Prüfung

Der Sturm besaß Europacupformat / Borussia Dortmund wurde mit den eigenen Waffen
geschlagen / Frankfurts Abwehr nahm Dortmunds Sturm alle Chancen

Sonderbericht des „Neuen Sport" von Bert Merz und Ludwig Dotzert

Borussia Dortmund — Eintracht Frankfurt 0:1 (0:1)

Auf dem schmalen Grat zwischen Endspielchance und Aussichtslosigkeit tanzte die Eintracht im überfüllten Dortmunder Stadion „Rote Erde". Mit jeder Minute dieses erregenden Spieles bewegte sie sich naher in Richtung Endspiel. Die wichtigste Prüfung der bisherigen Saison wurde bestanden. Glanz und Gloria waren unwichtig, nur der Sieg und die Funkte zählten. 42.000 diskutierten beim Abgang, ob er an die richtige Adresse fiel. Ueber eines aber gab es keine Diskussion: In dieser Verfassung ist die Frankfurter Deckung in Deutschland nicht zu übertreffen! Selbst nicht von einem 1. FC Köln. Wenn der neuformierte Eintracht-Sturm ins richtige Gleis einrangiert, kann der Riederwälder Zug zum Endspiel fahren.

Der neuformierte Sturm trug die Züge der Europacup-Tage. Bis auf Kreuz in der Position von Pfaff war nichts anders an ihm als in Wien oder Glasgow. Man hatte Meier wieder zum linken Flügel geholt, Lindner zwischen Kreß und Stein in die altvertraute Umgebung gestellt, und die Spielkonzeption trug die echten Wiener Züge wie damals gegen den WSC. Am Ende jammerte der Dortmunder Merkel, daß Borussia mit den Waffen geschlagen worden sei, mit denen sie selbst den HSV in die Knie gezwungen habe.

Die Eintracht ging an ihre Aufgabe heran wie ein Boxer, der den Ansturm des jungen Herausforderers zu erwarten hat. Der Dortmunder Ansturm blieb nicht aus, aber der Angriff, der dem Meister vor Wochenfrist fünf Tore ins Netz gelegt hatte, dieser Sturm, von Flensburg bis Rosenheim in allen Dialekten gepriesen, wurde aufgespießt von einer Deckung, die all das in die Waagschale warf, was sie in den letzten Jahren auf der internationalen Fußballbühne gesehen und gelernt hat. Zum zweitenmal innerhalb kürzester Frist wurde ein Sturm, der zuvor fünf Tore schoß, entzaubert. Es war eine Revanche für die Partie mit Saarbrücken, eine Wiedergutmachung, aber auch eine Warnung an alle Gegner: Die Eintracht spielt doch mit!


Die vier Quadern des Sieges

Egon Loy, Hermann Höfer, Friedel Lutz, Hans Weilbächer

Der Erfolg ruht auf vier Quadern: auf Torhüter Loy, linkem Verteidiger Höfer, Stopper Lutz und rechtem Läufer Weilbächer. Für diese vier schien die Regel, daß jeder Mensch Fehler macht, neunzig Minuten lang aufgehoben. Mann für Mann wirkten sie wie ihr eigenes Traumbild. Loy wäre noch einer der Besten auf dem Felde geblieben, wenn zwei oder drei der Kugelblitze, die ihn umschwirrten, eingeschlagen hätten. Die Paraden, mit denen Loy seine Eintracht über die Eröffnungsviertelstunde rettete, senkten dem Gegner die ersten Zweifel in die Brust. Nicht nur, daß der Eintrachthüter stets wußte, was kommen würde; er vergaß auch nie, daß es unter Umständen ganz anders kommen könnte. Bei einem abgelenkten Gewaltschuß von Kurrat spaltete er sich förmlich in zwei Loys auf. Souverän stieg er auf dem Marsch zum Ball über die dicksten Zusammenballungen hinweg, um am Ziel seiner entschlossenen Starts überlegt in den freien Raum zu fausten.

Als eine Art Mittelfeld-Torhüter produzierte sich Hans Weilbächer. Mit Spagats, Fallrückziehern, Scherenschlägen und Kopfsprüngen brach er dem Dortmunder Angriff die Spitzen ab, wurde zum Spezialisten dafür, die kunstvollsten Knoten mit einem einzigen Hieb zu trennen, und sah die Aufgabe, seinen direkten Gegner Konietzka abzufertigen, nur als eine Aufgabe von vielen an. Die schwerste Partie des Jahres war zugleich seine stärkste Partie.

Der Eisigste war Hermann Höfer. Im Kampf mit Höfer verbrauchten sich zwei Außenstürmer, der stämmige Kelbassa und die „Fliege" Cyliax, der mit den Mitteln eines Durchschnittsverteidigers kaum beizukommen ist. Kelbassa verlor das Duell gegen den Riederwälder durch Aufgabe und versuchte es gegen Eigenbrodt. Aber Cyliax — im Antritt erheblich schneller als Höfer — ließ nicht locker. Der Riederwälder hatte nie eine Chance, diesen Flattergeist einzufangen. Dafür fing er ihn auf. Gestochen in jeder Bewegung, undurchschaubar und berechnend lockte er den Dortmunder immer wieder in den Winkel, aus dem es keinen Ausweg gab. Hier vollendete sich ein Reifeprozeß, der sich über Jahre erstreckte.

Der Vollendung nahe war auch Friedel Lutz. Lutz bewahrte sich die Schnellwirkung einer gespannten Sehne; aber er geht nicht mehr vorzeitig los Seine Entladung, ursprünglich wahllos verstreut, kommen nun fast stets an der richtigen Stelle. Lutz meisterte Deutschlands intelligentesten Mittelstürmer Schütz mit einer Sicherheit, die zu der Hoffnung berechtigt, daß er am nächsten Samstag in Hamburg auch Deutschlands wuchtigsten Mittelstürmer meistert... Soweit die vier, ohne die — Mann für Mann — der Erfolg von Dortmund nicht denkbar ist.

Unmittelbar nach ihnen folgt in der Rangliste Hänschen Eigenbrodt, der Mann auf dem umbesetzten Posten des rechten Verteidigers, der Mann, der in seinem Stil etwa wie ein jüngerer Höfer anmutete. Eigenbrodt hat im Stadion „Rote Erde" seinen Konkurrenten Schymik fürs erste aus der Verteidigung verdrängt. Das Bild einer Abwehr von europäischem Format wäre komplett gewesen, wenn Stinka durchgehalten hätte. Stinka, der vor der Pause an seine größten Zeiten anknüpfte, litt späterhin unter einer Fersenentzündung. Damit schwand für Richard Kreß und Erwin Stein die letzte Aussicht auf wirksame Unterstützung aus dem Hinterfeld. Von Kreuz und Lindner, denen das Tempo über die Hutschnur ging, winkte ihnen ebenfalls wenig Hilfe. Und Meier erschöpfte sich darin, die nächstbesten Gegner in Zweikämpfe zu verwickeln. Was Richard Kreß, nicht zuletzt in der Verfolgung vorrückender Dortmunder, und Erwin Stein unter diesen Umständen erreichten, genügte immerhin, die gegnerische Abwehr in ständiger Angst zu halten.

Aki Schmidt war die überragende Erscheinung der Borussen. Von der Basis eines Außenläufers aus setzte er die elektrische Kaffeemühle des gelbschwarzen Sturms m Bewegung. Aki verlor allerdings einiges von seinem Glanz, als er nach dem Wechsel auf dem Weg nach vorn in den unmittelbaren Wirkungsbereich der Riederwälder Abwehr geriet. Ludwig Dotzert

Meiers kaltes Blut und Loys große Szene

Wie munter die Eintracht die Sache anfaßte, zeigte schon der erste Zug, bei dem der Schuß von Kreß zur Ecke prallte. Nach einem viel zu hohen Ball des Borussia-Verteidigers Burgsmüller stellte sich schon die zweite Frankfurter Ecke ein. Diesmal kam Kwiatkowski schon in Schwierigkeiten, die er aber damit beseitigte, daß er mutig dem Ball nachstürzte und ihn fünfzehn Meter vor der Linie einfach vom Fuß des nachsetzenden Stinka herunterfaßte.

Das Tempo, das man auf beiden Seiten anschlug, lag weit über dem gewohnten Maß. Als Cyliak losbrauste, fanden die Borussen zum ersten- aber auch zum letztenmal an diesem Tag eine Lücke mitten in der Eintracht-Deckung. Loy ging so zeitig dem Dortmunder Einzelgänger entgegen, daß dieser sich erheblich verzielte. Besser machte es in der 10. Minute der Läufer Kurrat, der aus der zweiten Linie heraus einen Schuß zum Eintracht-Tor schickte. Die Parade, mit der Loy den Ball abwehrte, und die Kaltblütigkeit, mit der Weilbächer die nachstoßende linke Borussia-Flanke ins Leere laufen ließ, waren schon eine halbe Bestätigung dafür, daß diese Abwehr kaum etwas erschüttern konnte.

Nach einer Viertelstunde, mitten in die Bemühungen des Gegners hinein, fiel dann das Tor von so ausschlaggebender Bedeutung. Ein Spielzug bester Riederwälder Prägung aus der Deckung heraus zu Stinka, Querpaß zu Lindner, der ihn auf der Mittellinie in einen direkten Steilpaß zu Erwin Stein ummünzte. Der Mittelstürmer zog auf dem kürzesten Weg zum Strafraum, geriet zwar dort in die Zange von drei Dortmundern, fand aber noch die Kraft zu einem Schuß aus 18 Metern. Kwiatkowski wehrte den Ball zur Seite, genau in die Laufrichtung von Erich Meier. Kaltblütig hielt der Eintracht-Linksaußen den Ball mit dem Körper auf und schoß ins Tor, als die noch bei Stein versammelte Dortmunder Deckung sich noch einmal auf ihn stürzen wollte.

Die Dortmunder schien der Gegentreffer wenig zu stören. Sie verdoppelten ihre Anstrengungen, und hatten innerhalb von fünf Minuten zwei aussichtsreiche Freistöße. Aber der vielgerühmte Schütz zielte sie beide auf die Mauer der Eintracht, und die Aufräumungsarbeit dabei besorgte der unermüdliche Weilbächer. An Eckbällen herrschte auf beiden Seiten kein Mangel, und als einmal Aki Schmidt die Hereingabe von Kelbassa aus der Luft aufs Tor jagte, hatte der fliegende Loy die größte Szene der ersten Hälfte. Je mehr sich die Westfalen in der Eintracht-Deckung verirrten, um so gefährlicher wurden die Vorstöße der Frankfurter. Stein zweimal auf der rechten Seite freigespielt, setzte harte Schüsse am kurzen Eck vorbei, und dann fehlte ihm nur eine Stiefelspitze, um an einen Flachschuß Höfers noch heranzukommen. Ein Kurzschluß des Linienrichters (Abseits-Anzeigung) brachte den bis dahin wenig in Erscheinung getretenen Kreuz um ein fast sicheres Tor kurz vor dem Wechsel, denn Burgsmüller stand zwanzig Meter entfernt noch viel näher bei Kwiatkowski als der lange Halbrechte der Eintracht.

Die Aufregungen rissen auch in der zweiten Halbzeit nicht mehr ab. Aber mit jeder Minute wuchs die Unsicherheit in den Dortmunder Reihen und die Ueberlegenheit der Frankfurter Deckung. Daß Cyliak zum rechten und Kelbassa zum linken Flügel umzog, kam der Eintracht noch mehr zu statten. Cyliak setzte von der Mittellinie aus einige Spurts an, aber irgendwo bremste ihn Höfer immer. Eigenbrodt beherrschte Kelbassa eindeutig. Sofort nach dem Anstoß konnten die Dortmunder von Glück sagen, daß ein Kopfball Lindners über Kwiatkowskis Fäuste hinweg am leeren Tor vorbeiflog.

Die erregendste Szene des ganzen Spiels aber folgte auf der Gegenseite. Zweimal faustete Loy innerhalb von Sekunden vor der gesamten Borussia-Sturmtruppe den Ball zurück, und als er ein drittes Mal in den Torraum steuerte, mußte sich der Eintrachthüter mit seiner gesamten Länge vor Konietzka legen.

Meier hatte eine Möglichkeit nach einem Angriff gegen den Dortmunder Hüter, aber niemand war zum Nachschuß bereit. Da sich Meier im übrigen zur Unterstützung von Kreuz und Lindner und dem in der zweiten Hälfte nachlassenden Stinka im Mittelfeld betätigte, lag die Hauptangriffslast im letzten Teil bei Kreß und Stein. Zwei Minuten vor Schluß erkämpfte sich Stein im Mittelfeld den Ball und strebte zum Dortmunder Tor. Sein Schuß mit dem linken Fuß ging durch Geislers Beine an den rechten Innenpfosten. Wie sich von dort der Ball noch an der Linie und am rechten Pfosten vorbeischlängelte, war fast ein Rätsel. Um diese Zeit aber genügte das 1:0 schon längst! Bert Merz


Paul Oßwald: Wir gewannen verdient

Eintracht-Trainer Paul Oßwald: „Wir hatten die klareren Chancen und gewannen verdient. Borussia ist eine gute Mannschaft, nur zögerte sie zu lange mit dem Torschuß."

Borussia-Trainer Max Merkel: „Heute war alles gegen uns. Schütz und Konietzka warteten zu lange mit ihren Schüssen. Jetzt habe ich nur das Spiel gegen den 1. FC Saarbrücken im Auge."

Spielausschuß Vorsitzender Sandmann: „Wahrscheinlich haben wir deshalb verloren, weil das Zusammenspiel zwischen den Außenläufern und Halbstürmern nicht klappte. Warum aber sollten wir im Frankfurter Rückspiel den Spieß nicht umdrehen können?" (aus 'Der neue Sport' vom 29.05.1961)

 

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