VfR Mannheim - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1960/61 - 15. Spieltag
1:4 (0:0)
Termin: 04.12.1960
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Ott (Bad Hönningen)
Tore: 0:1 Erwin Stein (63.), 0:2 Ernst Kreuz (75.), 0:3 Ernst Kreuz (76. Elfmeter), 1:3 Bast (85.), 1:4 Lothar Schämer (86.)
VfR Mannheim | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Ein toller Eckball von Kreuz Ludwig Dotzert berichtet aus Mannheim VfR Mannheim — Eintracht Frankfurt 1:4 (0:0) Die Kunst bestand darin, die erste Halbzeit zu überleben. In dieser ersten Halbzeit stand der Dezembersturm den Riederwäldern mitten auf der Brust, blieb den Abwehrspielern und dem Tormann nichts anderes übrig, als in Richtung Ball zu schlagen und dabei selbst den Daumen zu drücken, daß der Ball seine Flugbahn beibehielt, torkelte die Abwehr wie trunken über den Rasen und war doch stocknüchtern allein vor heller Aufregung, ging 20 Minuten lang jedesmal, wenn die Mannheimer den Riederwälder Strafraum erreichten, alles drunter und drüber. Zuerst überstand die Riederwälder Abwehr ihre Not mit mehr Glück als Geschick, von der 20. Minute an etwa war es umgekehrt. Schymik und der rechte Flügel Weilbächer und Solz schafften ihrer Hintermannschaft den Mannheimer Druck so gut es ging durch Gegendruck vom Hals. Mehr war vorläufig nicht zu wollen. Und doch jagte Stein schon vor der Pause zum erstenmal den Ball peitschend über die Torlinie des Gegners, überraschte Solz mit einem steinharten Schuß am Winkel vorbei. Daß Steins Treffer beim Schiedsrichter wegen Abseits keine Anerkennung fand, nahm niemand tragisch. Der Anfang war gemacht. Der Umschwung kündigte sich an. Der Wechsel, mit dem sich bei dieser Windstärke zwangsläufig alles, alles wenden mußte, war nicht mehr fern. Daß der Orkan nach der Pause leicht nachließ, konnte den Riederwäldern nur recht sein. So wurde vermieden, daß sämtliche Spieler in der Gefahrenzone des Gegners zusammengeweht wurden, so blieb die Szenerie locker und übersichtlich. Der Sturm blieb aber immer noch Sturm. Der Ball führte sein unberechenbares Eigenleben, unter dem vor allem die Abwehrspieler litten, weiter. Der Wind pustete die Partie nach wie vor weit unter das Oberliganiveau hinab. Aber die kleinen geringfügigen Vorteile, die er mit sich brachte, die schlachteten die Riederwälder wesentlich konsequenter aus als der VfR. Die ersten beiden Treffer der Eintracht sind ohne die unsichtbare Naturgewalt, die seit dem Wechsel mit der Eintracht stürmte, nicht denkbar. Einer der Fehlschläge, von denen kaum ein Abwehrspieler verschont blieb, passierte dem Mannheimer Verteidiger Hoffmann genau in dem heiklen Augenblick, als Erwin Stein in voller Fahrt hinter dem Ball herwetzte. Erwin wollte gerade abdrehen, da erkannte er sein Glück, stieß nach und kam dem herauslaufenden Tormann Benzler zwei Meter zuvor. Das also war der erste Streich. Beim zweiten erlebten die Zuschauer den denkwürdigen Augenblick, der bewies, daß man sich den Sturm auch zum Bundesgenossen machen kann. Hauptperson der brillanten Extravorstellung war Kreuz. Man hatte bis dato noch nichts von ihm gesehen. Sein Licht schien ausgeblasen. Die Zuschauer hielten ihn für einen verirrten Sonntagsspaziergänger. Er setzte sich einen Eckball zurecht. Etwas mußte er ja tun. Von diesem Eckball werden am Riederwald noch Kinder und Kindeskinder berichten. Kreuz trieb ihn so wohlabgewogen vor den steifen West, daß dieser den Rest selbst erledigte. Tormann Benzler machte eine Figur wie eine Hausfrau, die ihre Wäsche an einem viel zu hohen Seil abhängen will und dabei schließlich nach hinten taumelt. Zufall? Nicht bei Kreuz. Wenn der Ball ruht, ist er imstande, aus zwanzig Metern von der Querlatte zu schießen. Der Schreck des Aufpralls hielt noch an, als Stinka von links über die seitliche Strafraumgrenze marschierte und nach einem Spreizschritt des Halblinken Schmitt plötzlich die Beine unter dem Körper verlor. Elfmeter! Kreuz! Der Ball klebte im Netz, ehe Benzler sich bewegen konnte. Ein Meisterelfmeter! Na also! Zwischendurch rückten die Riederwälder auch im Mittelfeld die Dinge nach ihrem Geschmack zurecht. Stinka schob sich in den Vordergrund und brachte die kurzen, flachen und präzisen Pässe mit, denen der Wind nichts anhaben kann. Weilbächer, der zusammen mit dem Kreß-Vertreter So1z lange die einzige Hoffnung verkörperte, war nicht mehr nur auf Zufälle angewiesen. Stein, für den vor der Pause nur in erheblichen Abständen lohnenswerte Vorlagen anfielen, hatte über Arbeit nicht mehr zu klagen. Die Verteidigung, in der sich Höfer gegen den Wind todunglücklich fühlte, sah ihren Aufgaben nun ruhigeren Auges entgegen. Nur beim Gegentreffer des VfR, den Bast mit Kopfball beim Stande von 3:0 einbrachte, verfiel Loy noch einmal in sein anfängliches Zaudern. Der Schaden war schnell repariert. Sekunden später hatte Schämer seine tolle Minute und lief an allen vorbei, was sich ihm entgegenstellte: 4:1! Daß Mannheims Stopper Schreck schon bald nach Spielbeginn lahmte, zeitweilig zur Behandlung draußen war und den größten Teil des Treffens als Rechtsaußen verbrachte, trug zur Höhe des Eintrachtsieges zweifellos bei. Der Sieg selbst war nach dem Wechsel von VfR nicht mehr zu verhindern. (aus 'Der neue Sport' vom 05.12.1960)
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