Bayern München - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1960/61 - 9. Spieltag
4:2 (2:1)
Termin: 09.10.1960
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Jakobi (Heidelberg)
Tore: 0:1 Eberhard Schymik (10.), 1:1 Sieber (20.), 2:1 Sieber (43.), 2:2 Erwin Stein (54.), 3:2 Grosser (80.), 4:2 Grosser (84.)
Bayern München | Eintracht Frankfurt |
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Trainer | Trainer |
Hexereien vor dem Eintrachttor Sonderbericht aus München von Ludwig Dotzert Bayern München — Eintracht Frankfurt 4:2 (2:1) Die Eintracht kann in München gegen die Bayern so prächtig aufspielen, wie sie will, die Niederlage ist ihr sicher. Auch diesmal holte sie das Verhängnis gerade noch rechtzeitig ein. Zehn Minuten vor Schluß stand es noch 2:2. Es hätte dem Spielverlauf nach längst 3:2 oder gar 4:2 für die Riederwälder stehen müssen. Aber in München sind für die Eintracht die Tore wie mit Brettern zugenagelt. Dreimal prallte der Ball vom Gebälk zurück, nach einem Schuß von Schymik, nach einem Schuß von Stein und nach einem Schuß von Kreß. Ein Dutzend Mal verfilzten sich Riederwälder und Bayern im Torraum zu einem Leiberbündel, unter dem der Ball sekundenlang verschwunden blieb. Aber immer kam das tückische Rundgewicht für die Frankfurter an der falschen Seite heraus. Jeder Kreuz-Paß, jede Kreß-Attacke, jeder der schillernden Alleingänge, mit denen Schymik aus der Tiefe des Raumes bis an die Strafraumgrenze vorschlidderte, stellte die Bayernabwehr vor Probleme, die ihr ganze Verteidigungsschema durcheinanderbrachte. Aber in jedem Fußballspiel spielt der Zufall mit. In München stand er 90 Minuten lang auf der Seite des Platzvereins. Die Stürmer der Münchener hatten ihre Stiefel allem Anschein nach mit Hexenfett eingerieben. Nur der erste Treffer von Sieber, der zur Stelle war, als sich die Eintracht-Abwehr von einem unorthodoxen Kurzpaß Milutinovics überlisten ließ, und der bedeutungslose vierte Treffer der Münchener, den Grosser im Rücken der aufgerückten Riederwälder zuwege brachte, sind ganz allein das Werk der Bayern. Die Treffer dazwischen jedoch waren krumm und bucklig von hinten bis vorn. Weder bei der Nummer 2 noch bei Nummer 3 drohte dem diesmal fehlerlosen Tormann Loy zunächst ernste Gefahr. Den Dreh, der die Schüsse von Sieber und Grosser unhaltbar machte, erhielten sie von den Rückenpartien zweier Eintrachtspieler, die versehentlich in die Schußrichtung gerieten. Bei dem ersten handelte es sich um Schymik, bei dem zweiten war der Unglücksrabe nicht zu erkennen. Er stand in einer dichtgefüllten „Mauer". Falls die beiden Riederwälder für die blauen Flecken, die sie nun in der Nierengegend mit sich herumschleppen, eine Diagnose brauchen: klarer Fall von Hexenschuß.
Aber man sollte eigentlich nicht spotten. Wenn man wie die Riederwälder fast eineinhalb Stunden lang deutlich im Vorteil ist, dann schmeckt die Enttäuschung besonders bitter. Es gab kaum etwas, was besser zu machen gewesen wäre. Loy fand wieder sein Herz und lief in kritischen Fällen mit Erfolg bis über die Strafraumgrenze hinaus. Ein Positionswechsel zwischen Eigenbrodt und Lutz hatte zur Folge, daß im Zentrum der Eintrachtabwehr kaum durchzukommen war, ohne daß im Bezirk des rechten Verteidigers eine Schwächung eintrat. Lutz wirkte zeitweise, als hätte er einen Privatkurs bei Ivica Horvat absolviert. Zu seinen athletischen Fähigkeiten kam diesmal die Uebersicht einer gereiften Spielerpersönlichkeit. Schymik, vielleicht der allergrößte, nahm es am Ball mit den geschliffensten Tricks des Südens auf und war Anfang der ersten Halbzeit bei zwei Vorstößen geradezu unwiderstehlich. Wenn die Lokomotive Kreß anruckte, dann wackelte der ganze Bahnhof. Allerdings waren bei Kreß einige Rückfälle in die Zeiten seiner Eigenwilligkeiten zu registrieren. Erwin Stein las jedem, der den Ball nach vorne führte, die Wünsche von den Augen ab, lief frei, spurtete, schmetterte und lieferte die Bälle, die er erhielt, zumindest wieder wohlbehalten ab. Solz (für Lindner) und Schämer kamen zwar hier nicht ganz mit, aber leisteten immer noch mehr als die linken Eintrachtflügel der letzten Wochen. Das Ganze reichte aus, um 25.000 Zuschauer bis zur Schlußphase in einem Zustand ehrfürchtigen Grausens zu halten. Um in München zu gewinnen, aber muß die Eintracht nicht nur einfach überlegen, sondern turmhoch überlegen sein. Und dazu fehlten die Kreuz-Vorlagen. Der Lange hatte diesmal keine Zeit, das Lineal anzulegen, ehe er seine Pässe verschickte. Vieles ging schief. Die Treffer der Riederwälder entstanden diesmal ohne seine Mitwirkung. Der erste beruhte auf einer der Galavorstellungen Schymiks, der fünfzig Meter weit geradeaus lief, dann den Ball kurz bei Erwin Stein ablieferte, die Kugel prompt wieder zurückerhielt und vom Elfmeterpunkt aus den Rest erledigte. Beim zweiten spurtete Erwin Stein dem herauslaufenden Fazekas eine Rückgabe des Verteidigers Tietz ab und zielte wohlüberlegt an dem Münchener Torwart vorbei in das leere Rechteck. Die Münchener waren genau der Partner, der den Riederwäldern an diesem Tag zu einer hochklassigen Partie fehlte. Aber sie hafteten weit mehr am Schema als die Eintracht, bei der jeder sein eigener König schien. Nur in den letzten zehn Minuten, als der ganze Riederwald nur noch ans Stürmen dachte, gelangen den Bayern Großraumaktionen, die denen ihrer Gegner gleichkamen. Vorher jedoch stammte aller Glanz von der Improvisationskunst der Frankfurter. Aber was nützte das alles. Eintrachts Spielausschußvorsitzender Berger nach Schluß des Treffens: „Nächstens sparen wir uns die Reise und schicken die Punkte per Einschreiben nach München." (aus 'Der neue Sport' vom 10.10.1960)
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