Eintracht Frankfurt - 1860 München

Oberliga Süd 1959/60 - 19. Spiel

3:2 (3:1)

Termin: 24.01.1960
Zuschauer: 13.000
Schiedsrichter: Deuschel (Mundenheim)
Tore: 1:0 Alfred Pfaff (14.), 1:1 Kölbl (16.), 2:1 Wolfgang Solz (24.), 3:1 Richard Kreß (31.), 3:2 Lihl (78.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1860 München

 


  • Bechtold
  • Wagner
  • Köbler
  • Zausinger
  • Stemmer
  • Simon
  • Heiß
  • Fallisch
  • Kölbl
  • Lihl
  • Auernhammer

 

Trainer Trainer
  • Hans Hipp

 

Eintracht hat aufgetankt

Solchen Fußball lieben die Zuschauer

Ludwig Dotzert berichtet vom Riederwald

Eintracht Frankfurt — TSV München 1860 3:2 (3:1)

Entzückt stießen sich die zwölftausend Samstagsnachmittagsspaziergänger immer wieder gegenseitig in die Rippen. Das war eines der schönsten Spiele, die je in einem Moorbad geboten wurden. Einmal hüben, einmal drüben gediehen rund um den Ball die fußballerischen Feinheiten üppig wie die Sumpfdotterblumen. Eine Mannschaft löste die andere ab, um sich in attraktiven Großauftritten zu produzieren. Es gab kaum eine tote Sekunde.

Vielleicht waren die Großauftritte der Verlierer-Elf noch verblüffender als die der Eintracht. Die Münchner ritzten, wenn die Reihe an sie kam, Kombinationszüge in die graugrüne Spielfläche, die abliefen wie ein messerscharfer Gedankengang. Nichts von der primitiven Geradeaus-Logik, die meistens auf dem Holzweg endet; aber auch nichts von Umschweifen und Ausschweifen. Eines bildete die genaue Konsequenz aus dem anderen. So haben wir in diesem Jahr noch keine Mannschaft kombinieren sehen wie diese Münchner, wenn sie an der Reihe waren. Daß es fast unmöglich ist, an ihre Spieler Zensuren zu verteilen, bestätigt den überraschend günstigen Eindruck. Heiss, Fallisch, Kölbl, Lihl, Auernhammer, Zausinger, Simon wirkten wie Glieder in einer Kausalkette. Zum ganzen Glück fehlte den Münchnern vielleicht nur der verletzte Feigenspan, der vor einem Dreiviertel Jahr noch zur Eintracht gehörte.

Die Einzelteile der Eintracht griffen eine Idee weniger exakt ineinander. Dafür jedoch zogen sich die Großauftritte der Riederwälder länger hin. Der Mangel an Exaktheit mußte mit einem Mehraufwand von Energie wieder ausgeglichen werden. Es ging öfter vorwärts als in den meisten anderen Spielen der Eintracht in letzter Zeit; aber es ging immer noch über Fehler vorwärts. Es gab immer wieder Augenblicke, in denen der ballführende Mann plötzlich ratlos innehielt, weil um ihn herum niemand mitdachte, und es gab zahlreiche Verlegenheitspläne, die es bei den Münchnern nicht gab.

Der Mehraufwand an Energie blieb nicht ohne Folgen. Während die rationell wirtschaftenden Münchner von Anfang bis Ende fast das gleiche Tempo durchhielten, kamen die Riederwälder eine Viertelstunde vor Schluß schrecklich von Kräften und mußten sich darauf beschränken, mit acht bis neun Spielern das eigene Tor zu verschanzen. Die letzte Runde ging klar an den Unterlegenen.

Das Ganze aber ging an die Eintracht. Daran läßt sich ebensowenig zweifeln. Bei der Eintracht hingen Wohl und Wehe des Teams zwar in der Hauptsache von den Leistungen der Individualisten ab; aber so lange Pfaff aus dem vollen schöpfte, und das tat er trotz der kräftezehrenden Bedingungen nahezu eine Stunde lang, so lange der körperlich noch immer unreife Lindner seiner Schwächeanfälle Herr wurde, so lange Weilbächer seine Muskeln spielen lassen konnte, so lange erhielt sich die Eintracht — alles in allem — ein Uebergewicht, das sich nach der Pause zunächst zu einer fast erdrückenden Wucht auszuwachsen schien. Die Riederwälder verdanken ihren Sieg dem, was die Boxer den Punch nennen.

Die technischen Qualitäten hatten sie außerdem, nur waren sie nicht so gleichmäßig verteilt wie beim Gegner. Der Alfred Pfaff stellte bei den Riederwäldern eine Einzelerscheinung dar. Was nicht über ihn lief, wurde im besten Falle eine saubere Zimmerarbeit. Erst wenn er eingriff, nahmen die Aktionen der Eintracht das Verwirrende, Undurchschaubare an, das der erstaunlich sicheren Münchner Abwehr zu schaffen machte. Die Zähigkeit von Kress, den der ausgekochte Kahlkopf Köbler hundertmal abblitzen ließ und der dennoch weiterwühlte, ja sogar früher und vernünftiger abspielte als sonst, war die andere Tugend des Riederwälder Angriffs; aber auch Bäumler (für Stein) erfüllte die Erwartungen, wenn er auch von Natur,aus nicht das Idealbild eines Mittelstürmers darstellt. Bäumler kann sich nur nach hinten von seinem Stopper lösen; um seinem Gegner nach vorne zu entkommen, müßte sein Getriebe größer übersetzt sein. Solz zeigt seine Reize in zu langen Abständen. Lindner blieb nach einer halben Stunde im Schlamm stecken.

Es mag sonderbar nach dieser Aufzählung klingen; aber dieser Sturm als Gesamtkomplex war wiederum — zumindest eine Halbzeit lang — von erfrischendem Draufgängertum beseelt. Man ritt, wie gesagt, über die eigenen Unebenheiten mit imponierendem Schneid ins Ziel. Und wenn die Stockungen Überhand nehmen wollten, dann streute Weilbächer einen herzhaften Flugball ein, der zwar oft nicht ankam, aber auf die Stürmer jedesmal wie ein Stoß in den Rücken wirkte. Weilbächer war die auffälligste Erscheinung der Abwehr, in die mit dem Stopper Bechtold wieder Ruhe und Sicherheit einkehrte.

Der letzte Nervöse: Egon Loy. Sein Tormannspiel nahm sich bisweilen geradezu überzwerch aus. Bei beiden Münchner Treffern hatte er die Möglichkeit, den Torschützen durch geistesgegenwärtiges Dazwischenfahren von dem per flacher Flanke hereinkommenden Ball abzuschneiden. Beide Male schien der Eintrachthüter die Gefahr völlig zu verkennen.

Kaum etwas zu halten gab es dagegen an den Treffern der Riederwälder. Beim ersten überbrückte Pfaff die letzten vierzig Meter mit dem Ball am Fuß fast allein (nur ein einziger Hin- und Zurück-Paß lag dazwischen); beim zweiten schlenzte Solz nach Vorlage Bäumlers die Kugel raffiniert über den ihm bereits zu Füßen liegenden Bechtold hoch unter die Querlatte. Und der dritte fing an mit einem Kraftakt von Kress, der sich das fast schon vergessene Leder wiederholte und endete mit einem Kraftakt von Kress, der so gewaltig auf die „kurze Ecke" zielte, daß es dem Tormann die Hand mit ins Tor bog. Dazwischen wieder ein genau passender Paß, diesmal von Solz. (aus 'Der neue Sport' vom25 01..1960)

 

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