SSV Reutlingen - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1958/59 - 23. Spieltag
0:4 (0:1)
Termin: 08.03.1959
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Ommerborn (Saarbrücken)
Tore: 0:1 Alfred Pfaff (23.), 0:2 Istvan Sztani (55.), 0:3 Eckehard Feigenspan (83.), 0:4 Eckehard Feigenspan (90.)
SSV Reutlingen | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Reutlinger Beifall für Riederwälder SSV Reutlingen — Eintracht Frankfurt 0:4 (0:1) Das hat man fürwahr nicht oft auf dem Platz eines von Abstiegssorgen angenagten Gegners, der eben mit 0:4 geschlagen in seine Kabine schlich, daß sich links und rechts des Weges, den die Sieger beim Abgang nehmen müssen, ein Spalier herzlich applaudierender Zuschauer bildet und auf jeden einzelnen der glückstrahlenden Gewinner warmer Beifall herunterregnet. In Reutlingen geschah es. Schon eine halbe Stunde vor Schluß vergaßen die achttausend Zuschauer ihren Gram über die verlorenen Punkte und taten nichts anderes mehr, als sich an der Frankfurter Eintracht zu weiden. Die Eintracht erreichte in Reutlingen das höchste, was ein Sieger in der Fremde erreichen kann: die Sympathie der Geschlagenen. Sie war nicht immer so souverän wie zuletzt, aber sie brachte ihre beiden ersten Tore jedesmal rechtzeitig genug an, um Aerger zu vermeiden. Nummer eins, der einzige Treffer der ersten Halbzeit, fiel, als die Riederwälder Abwehr gerade in Gefahr geriet, sich von dem Theaterdonner der noch frischen Reutlinger Angreifer nervös machen zu lassen. Er fiel durch die beiden Diplomtechniker auf dem Verbinderposten, die es angesichts der vergeblichen Versuche ihrer Nebenmänner offenbar an der Zeit fanden, nun die Initiative selbst zu ergreifen. Wie sie das machten, so etwas hatten die Reutlinger offenbar schon lange nicht mehr gesehen. Sztani zog den Ball an den Fußspitzen einer wohlformierten Abwehrfront vorbei zurück zur Strafraumgrenze und Pfaff schmetterte ihn aus dem Lauf in Grashalmhöhe durch die einzige schmale Lücke ins Netz. Das beruhigte. Ein Anflug von Verwirrung jedoch blieb. Fast jeder Angriff der Reutlinger erbrachte einen Eckball und wenn diese Eckbälle auch samt und sonders ein gefundenes Fressen für die langen Kerls waren, für Loy, Horvat und Lutz, zerstörten die bei solchen Gelegenheiten unvermeidlichen Massenaufläufe vor dem Eintrachttor doch die allgemeine Optik. Nach mancher undurchsichtigen Situation hörte man die Begleittruppe der Riederwälder auf den Reservebänkchen bis in die 15. Reihe der neuen Reutlinger Tribüne hinauf aufatmen. Alles jedoch, was an diesem Spiel konstruktiv und klar wirkte, ging schon in der ersten Halbzeit von den Riederwäldern aus, um es noch genauer zu sagen: von Alfred Pfaff und — mit einigem Abstand — von Istvan Sztani. Alfred legte eine schlechthin virtuose Verbinderpartie hin. Er düpierte ganze Abwehrpulks mit seinen Pässen, die er meist zu einem völlig ungewohnten Zeitpunkt verschickte. Er war nur selten vom Ball zu drängen und schoß die besten Schüsse des Tages. Und Sztani? Vielleicht bedeutet Reutlingen für ihn den Start zurück in die Extraklasse der Halbstürmer. Wenn er den Ball selbst im dichtesten Gedränge mit dem Körper abschirmte, unerreichbar für zwei oder drei hart angreifende Gegner, war er schon wieder ganz der alte. Das zweite Tor fiel zehn Minuten nach dem Wechsel, und hier erinnerte Sztani auch an jene Zeiten, als er noch fast sämtliche Treffer für die Eintracht erzielte. Dicht umringt von mehreren stämmigen Reutlingern, erwartete er fast auf der Torlinie stehend eine von Kreß behutsam hereingeschaukelte Flanke und gewann den Luftkampf drei gegen einen haushoch. Dieser Treffer kam wie gerufen. Kurz vorher schleuderte Wodarzik aus dem Sprung heraus einen Ball über Loy an die Querlatte, den kein Torwart der Welt gehalten hätte. Die Reutlinger schürzten die Aermel hoch. Aber noch ehe sie zum Anlauf ansetzten, lagen sie 0:2 zurück, und jetzt hielten sich nur noch Wodarzik und Fritschi aufrecht. Wodarzik zeigte sich als Mittelstürmer von einer ganz neuen Seite. Fritschi schürte unverdrossen in dem erkaltenden Ofen und wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Der Rest jedoch war von nun an Schweigen. Um so deutlicher kam die Qualität der Eintracht heraus. Kreß wechselte von links nach Rechtsaußen und fühlte sich dort auf dem heimatlichen Gefilde wesentlich wohler. Lindner wurde lebendiger, und die beiden Außenläufer Weilbächer und Schymik zeigten nun, daß sie auch vom Aufbau eine ganze Menge verstehen. Konstant blieben Loy, Horvat und Lutz; sie befanden sich ohnehin von Anfang an auf ihrer absoluten Höchststufe. Eine halbe Stunde vor Schluß konnte der Abschnitt beginnen, in dem das Reutlinger Publikum en bloc ins Eintracht-Lager überging. Feigenspan, von Sztani intelligent in Position gebracht, schmetterte den dritten Treffer in den Winkel. Und als Kreß von rechts her alles aufrollte, was sich ihm entgegenstellte, hatte Feigenspan noch einmal die Ehre, er brauchte nur noch den Fuß hinzustellen. Der Torpfiff war zugleich der Schlußpfiff. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 09.03.1959)
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