VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1958/59 - 3. Spieltag

0:4 (0:3)

Termin: 31.08.1959
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Fischer (Augsburg)
Tore: 0:1 Erich Meier (12.), 0:2 Eckehard Feigenspan (35.), 0:3 Richard Kreß (39.), 0:4 Richard Kreß (50.)

>> Spielbericht <<

VfB Stuttgart Eintracht Frankfurt

  • Günter Sawitzki
  • Rudolf Hoffmann
  • Günter Seibold
  • Oskar Hartl
  • Robert Schlienz
  • Erich Kaniber
  • Dieter Praxl
  • Rolf Geiger
  • Erwin Waldner
  • Rolf Blessing
  • Gerhard Strohmeier

 


 

Trainer
  • Georg Wurzer
Trainer

 

Für Frankfurt ist die Sonne wieder aufgegangen

Das Wunder von Stuttgart

Eintrachtelan gegen Primadonnen

VfB Stuttgart — Eintracht Frankfurt 0:4 (0:3)

Es war, als ob's de träumst! Kein Grund, um die Riederwälder in den Himmel zu loben, gewiß nicht, aber ebensowenig wie ein Grund vorlag, um sie vorher unter den Erdboden zu verdammen. Aber im Vergleich zum vorigen Sonntag, als dieselbe Elf den Fürther Ränken schier umnachtet gegenüberstand, war es den Frankfurtern im Neckarstadion wirklich, als ob sie träumten. Nur mit Glück entgingen die Stuttgarter zwei bis drei weiteren Treffern. Sie schlängelten sich zeitweilig am Rande einer Katastrophe entlang.

Freilich fanden die Riederwälder in Stuttgart Bedingungen vor, wie sie ihnen nicht alle Tage begegnen werden: ein Gegner, der trotz seines mißglückten Starts nicht schlauer wurde, der seine Gäste zu Anfang ziemlich von oben herab behandelte und dauernd zwischen Arroganz und Resignation hin- und hertrieb, der fast ausschließlich aus Primadonnen bestand, die sich bei der geringsten Robustheit ihres Widersachers tief beleidigt fühlten und erst einmal fünf Minuten im Schmolleckchen verweilten. Ein Praxl, der nach einer Kollision mit Weilbächer zunächst verschwand, humpelnd wiederkam, abermals verschwand und schließlich nicht mehr als vollwertige Kraft gelten konnte. Eine Stuttgarter Abwehr, die genau umgekehrt zu Werk ging wie die Abwehr der Fürther, die bei jeder passenden und noch mehr bei jeder unpassenden Gelegenheit bis an die Mittellinie vorstiebelte und, wenn, bei der Eintracht die Post abging, meist nur noch ein langes Gesicht machen konnte.

Ein Schlienz, der als Stopper in seiner Art eigentlich einen Anachronismus darstellte jawohl, einen Anachronismus, obwohl man in Stuttgart immer noch große Stücke auf diese letzte Säule aus besseren Tagen setzt. Schlienz ist im Laufe der Jahre ein Stopper geworden, dem entweder das Stoppen aus dem Stand gelingt oder überhaupt nicht mehr. Stopper dieser Provenienz aber sind seit etwa sechs Jahren im Oberliga-Fußball überholt. Dazu der Ex-Aschaffenburger Hoffmann als Verteidiger. Seiner ganzen Veranlagung nach alles, nur nicht dies. Dazu der naive Seibold, der mit Kreß nur in der ersten Viertelstunde hin und wieder in Berührung kam. Alles in allem ein gefundenes Fressen für die Eintracht, Dies vorweg, um klipp und klar festzuhalten, daß nichts gefährlicher wäre, als die Annahme, so ginge das nun Sonntag für Sonntag bei den Riederwäldern weiter.

Dennoch: Ehre, wem Ehre gebührt. Wie die Eintracht die Situationen ausschlachtete, war ein Genuß für den Kenner. Die ersten Entscheidungen zu ihren Gunsten fielen bereits bei der Aufstellung der Mannschaft. Die Eintracht spielte ohne Lindner und ohne Bäumler. Damit waren genau die Stellen ausgeschaltet, die am letzten Sonntag alle Angriffshandlungen verzögerten. Neu herein kamen Alfred Pfaff als linker Verbinder und Feigenspan als Mittelstürmer, während Sztani auf Halbrechts auswich. Das bedeute zunächst einmal eine Beschleunigung der Spitzengeschwindigkeit im Angriff um mindestens 10 Stundenkilometer. Feigenspan nahm seinem Widersacher Schlienz im Spurt nach dem Ball auf 20 Meter schätzungsweise gut drei Meter ab. Alfred Pfaffs Vorlagen flogen wie Lanzen durch den Raum und gaben dem Eintracht-Sturm wieder jenes direkte Aggressive und Dynamische, das diesen Sturm an seinen guten Tagen auszeichnet wie kaum einen anderen.

So konnte schon nicht mehr viel schiefgehen. Zum Ueberfluß jedoch hatte Kreß eine der Stunden erwischt, wo die Leute von ihm sagen: „Viel besser kann auch der Rahn nicht sein!" Kreß schoß sogar. Allerdings, weil er mußte. Auf einem seiner Rekordläufe über 50 Meter fand er sich plötzlich allein. Nicht nur der Gegner, sondern auch seine eigenen Nebenleute konnten ihm nicht mehr folgen. Links niemand, rechts niemand, um abzugeben, also hinein! Der Schuß schlug 30 Zentimeter über dem Kopf Sawitzkis ein und war dennoch nicht zu fassen.

Schieß öfter, Genosse, und die Frankfurter werden Dich nicht wiedererkennen! Beinahe schade, daß demselben Kreß kurz danach noch ein Tor gelang, bei dem er an Schlienz und Sawitzki vorbei fast nahezu bis zum Netz lief. Jetzt denkt er bestimmt, warum denn schießen, wenn es auch mit Laufen geht. Die übrigen Treffer schmetterten Meier und Feigenspan in die Ecken, beide couragiert eine Gelegenheit am Schopfe fassend, die flüchtiger war als der Wind. Als ein Eckball von rechts durch den ganzen Strafraum flitzte, stieß Meier zu. Als Sztani den Ball raffiniert auf den Elfmeterpunkt schlenzte, erspähte Feigenspan die Lücke. Welche Tore!

Drei davon fielen bereits vor der Pause. Aber späterhin war die Eintracht noch überlegener. Im ersten Teil der zweiten Halbzeit gab es Szenen, die den VfB Stuttgart einer Blamage entgegenzutreiben schienen. Einmal hin, einmal her, rund herum, das geht nicht schwer. Und dann plötzlich aus der scheinbaren Stagnation ein schneidender Diagonalpaß zu Meier hinüber, der sich förmlich durch seine Angreifer hindurchmeißelte und immer wieder wie der Leibhaftige vor Sawitzki auftauchte.

Die Deckung erreichte ihre imponierendsten Wirkungen en bloc, sie möge sich auch mit einem Lob en bloc begnügen. Zwar fehlte Horvat, aber nach 20 Minuten hatte Lutz seinen grandios startenden Gegner Waldner durchschaut und ließ ihn nicht mehr aus den Fängen. Zwar verpfuschte Schymik viel durch ungenaues Zuspiel, aber dafür streut der Halbstürmer alle Pässe um so präziser. Daß Sztani nicht so zur Geltung kam wie sonst, fiel nicht ins Gewicht. Das Spiel in Stuttgart war weniger das Spiel der Techniker als das Spiel der Draufgänger.      Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 01.09.1958)

 

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