Eintracht Frankfurt - Kickers
Oxxenbach |
Oberliga Süd 1957/58 - 22. Spieltag
3:2 (2:0)
Termin: 26.01.1958
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Sparring (Kassel)
Tore: 1:0 Istvan Sztani (10.), 2:0 Tibor Lörincz (24.), 2:1 Kaufhold (48.), 3:1 Hermann Höfer (57., Elfmeter), 3:2 Kaufhold (77.)
Eintracht Frankfurt | Kickers Oxxenbach |
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Trainer | Trainer |
Zwei Derbytore wieder mit "Paprika" Eintracht klar voraus Sztani Fußball-König vom Riederwald Innerhalb von acht Tagen zwei Derbys! Wenn das keine Spezialplatte für Fußballfeinschmecker war. Und welche Vergleiche konnte man ziehen. Um es gleich vorweg zu sagen: das Derby zwischen der Eintracht und den Kickers stand eine Klasse über dem Treffen Eintracht gegen Sportverein. Nicht, daß die Bornheimer so abgefallen wären, aber wenn sich zwei technische Mannschaften begegnen, dann gibt es mehr fürs Auge zu sehen. Und zu sehen gab es einiges am Riederwald. Zwar werden die Zuschauer aus Offenbach vor der Pause mehr geblinzelt haben und sich die Frage gestellt haben, ob diese Rotschwarzen dort unten wirklich ihre Buben waren. Bis zur Pause bekamen die Kickers gegen ihren Gegner keinen Stich, ganz im Gegenteil, sie durften froh sein, daß sie nur 0:2 zurücklagem. So überlegen beherrschte die Eintracht das Feld! Sztani, der Wirbelwind Wie ein Wirbelwind fegte Sztani über das Feld, er hatte weitaus mehr Wirkung als gegen Lurz, weil er nicht die eigentliche Angriffsspitze bildete. Immer wieder zog er sich aus Nubers Bereich zurück, pendelte nach allen Seiten und stieß dann aus der Tiefe des Raumes blitzschnell nach vorne. Toll, die Kondition Sztanis. Als nach der Pause die Kickers drängten, da fand man ihn ebenso auf der eigenen Torlinie. Sekunden später lauerte er schon wieder im Kickersstrafraum. Dieser Sztani ist ein König des Fußballes, ein junger noch, noch lange nicht so ausgereift wie ein Hidegkuti. Aber, wie dieser junge Mann den Ball beherrscht, wie er spielt, das kann man nicht lernen, das ist angeboren. Dieser Stanzl war die Seele des Eintrachtsturmes, das mußten die Offenbacher doch sehen. Ihre Chance wäre es gewesen, wenn sie Nuber als Ausputzer eingesetzt und für Sztani einen Sonderbewacher zurückgezogen hätten. Man tat das nicht, obwohl vor der Pause der Kickerssturm in der Luft hing, weil Keim und Wade abwehrüberlastet waren. Ohne das Zusammenspiel dieser beiden Läufer mit Kaufhold war der Kickerssturm keinen Pfennig wert, zumal man auch noch auf dem glatten Boden vielzusehr querpaßte. Da sah es bei der Eintracht anders aus. Ihre Außenläufer konnten aulbauen und wieder aufbauen. Schymik und Weilbächer führten ihrem Sturm die Bälle mundgerecht zu — und sofort sah man die seit Wochen bekannten Schwächen der Abwehr. Schultheiß muß man dabei zugute halten, daß er als schwerer Brocken einen schwierigen Stand hatte. Aber Nuber verlor oft die Uebersicht, und Waldmann fand sich erst nach der Pause. Gewiß, im ungarischen Kreuzfeuer zwischen Sztani und Lörincz, die sich traumwandlerisch sicher verstanden, war es für eine Abwehr schwer. Schwer, weil auch Lindner mitgerissen wurde und eine immer stärkere Bedrohung für Zimmermanns Tor wurde. Wie hätten die Kickers erst ausgesehen, wenn Kreß sich diesem Wirbel angeschlossen hätte und Geiger nicht angeschlagen worden wäre. Er quälte sich recht und schlecht nach seiner Verletzung ab. Aber wie hätten die Kickers auch ausgesehen, wenn man in der Eintrachtabwehr nicht überheblich geworden wäre? Bei aller Anerkennung von Weilbächers Spielaufbau, er verliebte sich so sehr in die Rolle des aufbauenden Läufers, daß er Kaufhold immer weniger beachtete. Der „Erfolg": Kaufhold schoß zwei Tore! Aber Kaufhold stand auch allein. Preisendörfer kam an Horvat nicht vorbei, Nothnick ist als Außenstürmer zur Zeit ebensowenig diskutabel wie Nazarenus II, und Gast hat viel von seinem ursprünglichen Feuer in der Reserveelf verloren. Wie das so ist, fast hätte die Eintracht doch noch einen Punkt eingebüßt. Die Kickers operierten nach der Pause mit dem Langpaß, und im eigenen Strafraum soll man nicht mit dem Ball tändeln. Da auch Keim und Wade jetzt ihr Augenmerk nach vorne richten konnten, sah der Offenbacher Sturm schon besser als vor der Pause aus. Aber zwei Beine (Kaufhold) waren halt zu wenig. An und für sich war das Spiel fair, es wurde nur durch ein Foul Zimmermanns an Sztani (31. Minute) getrübt, wie man dem Kickers-Schlußmann weiterhin sagen muß, beim Sprung nach dem Ball das Knie nicht anzuziehen. Wenn man nach diesen beiden Derbys eine gemeinsame Mannschaft bilden müßte, so würde sie so aussehen: Leichum; Bechtold oder Bayer, Höfer; Schymik oder Mayer, Horvat, Wade oder Weilbächer; Kreß oder Kraus, Kaufhold, Sztani, Buchenau, Lörincz. Horst Kichhefel Frühe Tore Im vorigen Derby, vor acht Tagen im gleichen Theater, brauchte die Eintracht 87 Minuten, um es zu einem Tor zu bringen. Diesmal brauchte sie nur elf Minuten und das war in gewissem Sinne bereits die Entscheidung. Den nahezu anderthalbstündigen Seiltanz eines 0:0-Treffens hält eine Mannschaft vom Schlage der Riederwälder nur einmal aus, ohne daß die Nervenstränge reißen. Früh mußten die Tore also diesmal fallen oder sie würden überhaupt nicht mehr fallen. Das wußte die Eintracht. Sie fielen gerade noch früh genug; in der 11. und in der 24. Minute. Dann wurde Geiger verletzt und schleppte sich bis zum Schluß als halbe Kraft auf dem Linksaußenposten herum. Später reichte es nur noch zu einem Elfmeter-Treffer, und wenn auch die Riederwälder bis zum Schlußpfiff mit zehneinhalb Spielern bei ihren Vorstößen immer wieder verheerende Wirkungen gegen die schwerfällige Kickers-Abwehr erzielten, das Souveräne, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich Ueberlegene war dahin. Gewiß, die schneidigen Attacken der Eintracht behielten das Stechende, das Unkontrollierbare, aber sie lebten nur yon der Improvisation. Die Offenbacher Organisatoren schoben sich nach der Pause immer deutlicher in den Vordergrund. Dennoch erreichten die Kickers selbst in ihren stärksten zwölf Minuten nach dem Wechsel nie den großzügigen, raumgreifenden Stil, mit dem die Eintracht zumindest in der ersten halben Stunde ihre Freunde entzückte. In dieser Phase bewegten sich die Riederwälder auf einem Niveau, das eine ganze Klasse über dem des Derbys gegen den FSV lag. In dieser Phase spielte sie auf wie der geborene Tabellenführer. Die Tore waren nur eine bescheidene Blütenlese der anfallenden Chancen. Man darf sie beide als das Werk des Ungarn Sztani bezeichnen, der dem Riederwälder Sturm das Wichtigste gab, was ihm seither fehlte, der endlich eine einigermaßen vernünftige Relation zwischen herausgearbeiteten Gelegenheiten und abgeschlossenen Erfolgen im Eintracht-Angriff herstellte. Sztani schaufelte zunächst einen Ball ins Netz, der auf dem Weg von Kreß über Geiger und Lindner links vom Tor fast in einen toten Winkel geraten war, ein Tor, wie es nur ein Techniker von ganz hohen Graden schießen kann. Und Sztani gab auch jenen steinharten Schrägschuß ab, den Tormann Zimmermann genau vor die Füße des aufmerksamen Lörincz abwehrte. 2:0 für die Eintracht. Berti Kraus fehlte im Sturm Das Spiel freilich war auf der tückischen Schneedecke, bei der man in jeder Szene mit Zufälligkeiten rechnen mußte, noch lange nicht gespielt. Im letzten Bild der ersten Halbzeit deutete sich bereits der turbulente zweite Teil des Derbys an, in dem alles noch einmal auf des Messers Schneide geriet. Aus drei Meter klatschte ein Schuß Nothniks genau in die Magengrube Loys, der nur durch einen Glückfall an der richtigen Stelle stand. 180 Sekunden nach dem Wiederanpfiff schmetterte Kaufhold einen von Gast kommenden Ball zum Gegentor der Kickers unter die Latte, ein Tor, wie es nur Kaufhold schießen kann. Es wirkte wie ein Trompetenstoß. Was den Offenbachern bis zu diesem Zeitpunkt nie gelang, ihre Schema-Kombinationen in einem Tempo abzuwickeln, das schneller war als die Beine der Eintracht-Hintermannschaft, das gelang ihnen nun im Rausch des in greifbare Nähe herangerückten Ausgleichs. Endlich brachte der entfesselte Kaufhold die Träumer an seiner Seite auf Trab; aber auch jetzt fehlte der Mann, der im geeigneten Augenblick aus dem Schema ausbricht, fehlte Berti Kraus, der Grippekranke. Immerhin, erst zwölf Minuten nach dem Wechsel sprengte die Eintracht zum ersten Mal die Klammer, in der sie schmachtete. Das Derby-Drama schnellte seinem Höhepunkt entgegen. Lörincz geriet auf dem Spurt nach einem Ball, der sich mit entnervender Langsamkeit dem rechten Pfosten des Offenbacher Tores entgegenschlich unter die Walze des ihn verfolgenden Abwehrpulks der Kickers und Sparring (Kassel) befahl mit einer Geste, die jeden Widerspruch ausschloß, Elfmeter. Die Vollstreckung übernahm Höfer, Marke Hammer Juskowiak. 3:1 für die Eintracht und verflogen der Rausch der Kickers, die fünf Minuten später um ein viertes Tor nur deshalb herumkamen, weil Schultheiß einen Kopfball von Lindner mit den Händen unter der Latte herausschlug. Wieder Elfmeter! Aber diesmal auf ungarisch, a la Sztani, der es auf die sachte Tour versuchte. Zimmermann hielt im Fallen. Noch einmal ein Aufbruch der Kickers mit Tor von Kaufhold,
der an der Strafraumgrenze einen Abpraller erwischte. Noch einmal ein
Ansturm Offenbachs, der sich bis in die Schlußminuten ausdehnte.
Zu einem Rausch wie nach der Pause reichte es jedoch nicht mehr. Die
Endspurt-Angriffe blieben stumpf und abgenutzt und ohne größere
Schwulitäten ging die Eintracht durchs Ziel.
Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 20.01.1958) |