VfR Mannheim - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1957/58 - 18. Spieltag
0:0
Termin: 15.12.1957
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Meißner (Nürnberg)
Tore: ./.
VfR Mannheim | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintracht mit schiefer Front Als Schiedsrichter Meißner aus Nürnberg die neunzig Minuten ohne Tore abblies, da riefen die einen Bravo und die andern machten dumme Gesichter. Die mit den dummen Gesichtern stammten aus Frankfurt. Sie hatten einen Punkt verloren, die Mannheimer dagegen einen Punkt gewonnen, und damit wäre wiederum ein Beweis für die uralte Volksweisheit geliefert: Wenn zwei dasselbe tun, dann ist es noch lange nicht dasselbe. Wieviel den Riederwäldern zum Glück fehlte, das konnte man mit dem Zollstock ausmessen. Schon nach sechs Minuten knisterte es über Mannheims Tormann Weitz verheißungsvoll im Gebälk. Das war Pfaffs Geschoß. Alfred hatte einen Freistoß aus 20 Metern mit gerade gemeingefährlicher Raffinesse an die Latte gepappt. An die Latte flog fast eine Stunde später auch der Ball, als sich Richard Kreß durch den Engpaß an der Mannheimer Strafraumgrenze zwängte und dem Leder mit einem Siebenmeilenschritt gerade noch einen Tritt mit der Spitze versetzte. Und zu diesen beiden Lattenschüssen kam jener verblüffende Alleingang Haneks, der in der 25. Minute von der Mittellinie bis in die Nähe des Elfmeterpunktes stolzierte und dabei so unwiderstehlich wirkte, daß die ganze Gegnerschaft ungläubig und untätig Spalier bildete. Bis auf Tormann Weitz freilich, der ihm in heller Verzweiflung entgegenflog, um den Schuß im Fallen wegzuklatschen. Schweigen wir von dem, was Geiger und Weilbächer versiebten. Geiger hatte wieder einmal einen jener Tage erwischt, wo er, wenn's darauf ankommt, über seine eigenen Schnürsenkel stolpert. Zwei Tore, die er nicht schoß, hätte unter Garantie jeder Zuschauer mit Hut und Mantel erzielt. Ja, und der Weilbächer. Wir ahnten es bereits. Im Sturm sieht er aus wie sein eigenes Double. Alle Kraft explodiert immer genau an der falschen Stelle. Geiger kann vor Nervenschwäche, Weilbächer buchstäblich vor Kraft keine Tore schießen und einmal konnte sogar Pfaff vor Weilbächers Kraft kein Tor schießen. Das war bereits gegen Ende, als Alfred den dritten seiner Effet-Freistöße von „rechts nach schräg" genau hinter Weitz in den entferntesten Winkel steuerte. Endlich lag der Ball im Netz. Aber Weilbächer hatte zum Ueberfluß den Mannheimer Tormann beim Sprung behindert und so mußte Meißner ein Foul für die Mannheimer pfeifen statt ein Tor für die Riederwälder. Wieder nichts.
Unser Hauptfeldwebel, der mir immer noch bei jedem Aerger einfällt, hätte gesagt: „Die janze Front steht schief!" So war es in der Tat. Der Eintracht-Angriff mit Pfaff als Mittelstürmer stand im Halbkreis um das Mannheimer Tor herum, und wenn einer in die Position des Vollstreckers geriet, dann war's immer genau der Verkehrte, nämlich einer der beiden Halbstürmer Geiger und Weilbächer. Kein Vorwurf gegen sie. Beide, auch Geiger, sind mehr zum Außenläufer geboren als zum Torschützen. Sie waren die falschen Männer am falschen Platz. Besonders in diesem Spiel, in dem die Eintracht ohne Mittelstürmer spielte, jedenfalls ohne Mittelstürmer, wie ihn sich der Erfinder des W-Systems dachte: als vorgeschobene Spitze und -furchtloser Reißer. Von Alfred Pfaff derartiges zu verlangen, wäre kompletter Unsinn gewesen. Alfred fungierte meist in Höhe der Außenläufer als Gestalter, Verbinder und Ideenspender. Es rollte prächtig bei ihm, und in Mannheim wurde er auch wieder zu jenem unnachahmlichen Spezialist in Freistößen aller Art, dem die bestgefügte Mauer nichts anhaben kann. Aber das Tor bedrohte er nur durch eben jene Freistöße. Er pendelte nicht, er steuerte nur. Kein Vorwurf gegen ihn. Aber bei einer solchen Konstellation geht es nicht ohne Halbstürmer mit Mittelstürmerblut in den Adern, und damit sind wir wieder bei Geiger und Weilbächer angelangt, über die das Notwendige bereits gesagt ist. Es war ein Teufelshalbkreis, in dem der Eintrachtsturm herumstand. Dazu kam, daß Bäumler unter der strengen Bewachung von Haberkorn noch nicht einmal die winzige Zehntelsekunde Zeit fand, die er zum Schießen braucht, und daß Kreß oft vergeblich auf Vorlagen wartete. Als ihm der Kragen platzte, als er mit im Zentrum herumwühlte, erhöhte er nur die Verwirrung. Die Riederwälder Deckung freilich war wieder die reine Freude. Sie gewann durch Hanek noch eine ganze Portion Schliff hinzu. Dem Ungarn fiel die Sisyphus-Aufgabe zu, einen so ausgekochten Mann wie Langlotz zu kontrollieren, einen Mann, bei dem schon so mancher junge Gegenspieler den Glauben an sich selbst verlor. Aber Hanek war sich seiner Gaben so gewiß, daß er sich weder überhastete noch aus dem Rhythmus kam. Sein direktes Zuspiel scheint genau das, was der Eintracht fehlt. Die großen Leute in dieser Abwehr waren freilich Schymik, der in keinem Zweikampf unterlag und obendrein den bedrohlichsten Schuß des Tages abgab, Horvat, der seine kleinen Fehler am Anfang bald ablegte, und Höfer, der bei aller Wucht in der Wahl seiner Mittel stets sauber blieb. Die Mannheimer waren besser als ihr Ruf; aber für den Sieg kamen sie nie in Frage. Daß ihr Stopper Schreck (Keuerleber fehlte wegen Verletzung) in der 35. Minute angeschlagen nach Linksaußen hinkte, verdarb ihnen die letzte Möglichkeit, zu Toren zu kommen, verdarb zugleich aber auch der Eintracht den Kram. Denn nun spielte de la Vigne Stopper, und er spielte ihn wie ein Mannheimer Horvat. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 16.12.1957)
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