Eintracht Frankfurt - Bayern
München |
Oberliga Süd 1957/58 - 17. Spieltag
3:1 (0:1)
Termin: 08.12.1957
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter: Treiber (Würmlingen)
Tore: 0:1 Siedl (24.), 1:1 Helmut Geiger (48.), 2:1 Sommerlatt (70., Eigentor), 3:1 Hans Weilbächer (73.)
Eintracht Frankfurt | Bayern München |
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Trainer | Trainer
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Blanker und blonder Hans Verzwickte Sache das. Wenn man flach spielte, dann ersoff der Ball unterwegs im Erlenbruch, der sich vollgesogen hatte wie ein Schwamm, und wenn man den Luftweg benutzte, dann zusselte der böige Wind das Leder am Schopf, daß es dem Zufall überlassen blieb, ob der nächste Zug der eigenen oder der gegnerischen Mannschaft gehörte. Wirklich verzwickt. Den Riederwäldern, denen der „blanke Hans" in der ersten Halbzeit schrecklich zusetzte, wurde es von Minute zu Minute unheimlicher. Der Wind blies ihnen den Regen mitten ins Gesicht und flatschte ihnen um die Ohren wie ein nasses Handtuch. Gewiß, die Bayern spielten auf dem gleichen Platz; aber erstens ist es ein Unterschied, ob man vor oder gegen die Böen rudert, zweitens entsprach die Witterung dem gewöhnlichen Herbstklima in ihrem heimatlichen Voralpengebiet und drittens spielten sie trotzdem flach. Wenn man flach spielte und nicht den Ehrgeiz hatte, mit dieser Methode größere Entfernungen zu überwinden, dann ging's. Kurze Pässe kamen an. Durch kurze Pässe und exaktes Anspielen ergab sich bis zur Pause fast zwangsläufig eine Ueberlegenhelt der Münchener, ergab sich ganz natürlich, daß sich der Ball weit mehr in den Reihen der Bayern bewegte als in denen der Eintracht, ergab sich sogar ein Tor, als Siedl in der 24. Minute einen eleganten Paß elegant an dem herauslaufenden Loy vorbei ins Netz bugsierte. All das aber war zu wenig, um die Eintracht zu schlagen. So viel Wind und keine Segel. Die Bayern ließen sich wohl vor das Eintrachttor schieben, aber sie ließen die Bälle nicht fliegen. Sie wollten sie ganz sicher haben. Sie suchten meistens nur den eigenen Mitspieler und nicht den gegnerischen Kasten. So viel Wind und keine Schüsse oder doch fast keine. Die ganze Ueberlegenheit war buchstäblich in den Wind geschlagen. Immer feste druff! Anders die Eintracht, als der „blanke Hans" nach dem Wechsel in ihrem Lager stand. Man kann sich genau vorstellen, was Adolf Patek seinen Mannen in der Pause predigte. Offenbar nur die drei Worte: „Immer feste druff!" Was sonst mit Recht als Primitivtaktik gilt, war an diesem Tag der Weisheit letzter Schluß. Die Eintracht spannte den Zufall in ihre Pläne ein. Mit dem Wind und mit Zufall konnte nichts mehr schief gehen. Und zu dem „blanken Hans" kam der „blonde Hans", der Weilbächer, der an diesem Tage die ältesten Eichen im Spessart wahrscheinlich mit der bloßen Hand ausgerissen hätte. Weilbächer verströmte so viel Kraft wie ein ganzes Elektrizitätswerk. In der ersten Halbzeit benutzte er sie dazu, um den glatten Bayern-Stürmern „Mores zu lernen", in der zweiten Halbzeit, um die Mauer zu zerbrechen, die sich plötzlich vor der Eintracht auftürmte. Er und die „Immer-druff-Taktik" brachten der Eintracht den Sieg. Die Ueberlegenheit, mit der die Riederwälder sich die Basis für ihre Schüsse verschafften, besorgte der Wind allein. Ein übriges taten die Bayern, die auf einmal Angst vor ihrer eigenen Courage bekamen. Sie postierten nach dem Wechsel ihren Sommerlatt als zweiten Stopper neben Landerer und dieser Doppelstopper stand nahezu eine halbe Stunde wie ein Amboss auf dem Elfmeterpunkt, von dem alles abprallte, alles außer dem Ausgleichstreffer, den Geiger nach einem Eckball mit dem Kopf und erheblicher Windunterstützung über die Linie brachte. Aber das 1:1 schien den Bayern auch zu genügen. Sie ließen den Amboss an Ort und Stelle und verließen sieh auf überfallartige Vorstöße aus dem Hinterhalt. Gewiß, diese Vorstöße jagten der Eintracht-Hintermannschaft manchen Schrecken am Nachmittag ein, aber die Bayern-Hintermannschaft kam dafür überhaupt nicht mehr aus den Schrecken heraus, und vor allem, sie wartete vergebens darauf, daß sich die Riederwälder mit ihr in den Nahkampf einlassen würden. Die Riederwälder schossen schon vor der Strafraumgrenze, sie schossen gut und schossen schlecht, denn auch beim Schießen spielte der Zufall eine große Rolle, aber sie schossen, so bald sie den Ball einigermaßen unter Kontrolle hatten.
Es war kein einziger Schuß dabei, der glatt am Gegner vorbeikam, dazu war der Bayern-Strafraum zu dicht besetzt, aber auch wenige, die glatt abgewehrt wurden und schließlich kam es so weit, daß akkurat der zweite Stopper Sommerlatt einen Schuß von Pfaff ins eigene Tor abwehrte. Es war ein herrliches Selbsttor. Wie ein Komet flog Sommerlatt in die Flugrichtung des Balles und rammte ihn genau in den Winkel. Zwei Minuten später rammte Weilbächer einen Freistoß mitten durch die „Mauer" in die Ecke. Die Eintracht hatte den Amboss „zerdeppert" und Sommerlatt stürmte wieder mit. Es blieb kein anderer Weg Es sah alles etwas ungeschlacht aus. was die Eintracht unternahm, aber es blieb kaum ein anderer Weg. Kein Tag für Pfaff, kein Tag für Lindner und auch kein Tag für Kreß, der sich wegen seiner notdürftig auskurierten Verwundung noch in acht nehmen mußte. Dafür aber ein Tag für Weilbächer, für ihn vor allem, ein Tag auch für Schymik, der bei großer Kraftentfaltung allerdings an Uebersicht einbüßt, und — alles in allem — ein Tag des Fleißes. Was mußten allein die Verteidiger traben! Bechtold steckte dauernd in der Zwickmühle, da sein Gegner Siedl kaum jemals auf seinem Außenstürmerposten verharrte, und Höfer mußte seinen Gegner Huber immer schon bei der Ballaufnahme stören, sonst wurde die Sache auf dem glatten Boden und dem gewitzten Bayern-Rechtsaußen sofort faul für die Riederwälder. Was stand Horvat für Kämpfe aus, der sich auf der Rutschbahn sichtlich unbehaglich fühlte! Ein Glück, daß die Bayern vor der Pause nicht mehr bollerten. Ansonsten aber konnten sie sich sehen lassen, und ihr Halbstürmer Jobst war sogar süddeutsche Extraklasse. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 09.12.1957)
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