Viktoria Aschaffenburg - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1957/58 - 16. Spieltag
1:1 (0:1)
Termin: 01.12.1957
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Hubbuch (Bruchsal)
Tore: 0:1 Richard Kreß (32.), 1:1 Buller (74., Elfmeter)
Viktoria Aschaffenburg | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Buller überwand Elfmetertöter Loy Die alten Germanen hatten es gleich gewußt. Hier mußte etwas passieren. Mußte einfach. In der zweiten Halbzeit kurvte auf einmal ein Rabe über den Platz, ein leibhaftiger Unglücksrabe. Es ist bekannt, daß Raben für alles glänzende etwas übrig haben. Jedenfalls wurden die Kreise, die „Jakob" um den spiegelnden Kahlkopf des Schiedsrichters zog, immer enger, und schließlich ließ sich Hubbuch (Bruchsal) dazu verleiten, nach dem Angreifer zu schlagen. Aber nach bösen Geistern soll man nicht schlagen. Jetzt war das Unheil nicht mehr aufzuhalten. Kurz danach verzapfte Hubbuch Humbug. Mit einem Handspiel Horvats, das ohne Zweifel unbeabsichtigt war, fing es an. Und wie auf jedem Fußballplatz der Welt wollte ein großer Teil des Publikums Elfmeter haben. Hubbuch zuckte mit den Schultern und ließ weiterspielen. So weit — so gut. Drei Minuten später ballten sich im Torraum der Eintracht gut ein Dutzend Spieler unter einem Eckball zusammen. Der Ball war bereits abgewehrt, da schrillte ein Pfiff und Freund und Feind sahen sich ratlos gegenseitig in die Augen. Was war geschehen? Nichts außer der Tatsache, daß Hubbuch den Teil der Zuschauer, der immer noch nach einem Elfmeter schrie, seinen Willen lassen wollte. Es dauerte einige Zeit, bis man begriffen hatte, was sich hier tat. Als sich dann herumsprach, daß ein Elfmeter verhängt worden war, schrien die Zuschauer nicht mehr, sondern sie lachten. Keineswegs schadenfroh, sondern einfach wie über einen schlechten Witz. Dieser schlechte Witz kostete der Eintracht den Sieg, denn diesmal hielt Elfmetertöter Loy nicht. Er wurde von Buller, der einen harten Schuß vortäuschte, aber einen butterweichen losließ, förmlich übertölpelt. 1:1 in der 75. Minute! Doch es gibt einen Trost für die Eintracht. Ihr 1:0-Sieg, an den schon jeder fest glaubte, wäre zwar nicht unverdient gewesen, aber vielleicht — wenn man so sagen darf — ein bißchen zu hoch. Im Aschaffenburger Schönbusch rissen bei den Riederwäldern wieder alle Angriffsschwächen ein, die längst überwunden schienen. Es war ein fast perfekter Rückfall in das erste Stadium der Vorrunde, als die Eintracht mit einem 1:0-Sieg gegen den gleichen Gegner gerade noch einmal davonkam. Wieder wackelten im Sturm sämtliche Kontakte, wieder war der Gegner von Aschaffenburgs Riesenbaby Horst hoffnungslos verloren, nur daß es diesmal Lindner war und damals Feigenspan, wieder verfuhr sich der Karren der Eintracht schon beim geringsten Widerstand im Gestrüpp. Weder Kreß mit seiner Gewalt, noch Pfaff mit seiner Gewandtheit konnten diesen Karren jemals auf längere Zeit wieder flott machen. Gerade diese beiden fanden überhaupt nie zusammen. Und wenn es dennoch genug Chancen gab für die Riederwälder, dann war dies ein Verdienst des linken Flügels, der zwar auch nicht seine Maximalform erreichte, der aber wenigstens immer wieder aggressiv blieb. Wenn sich Geiger mit dem Ball durchschlug, dann sah es zwar jedesmal aus, als müßte er einen Knüppeldamm überwinden, aber er drang wenigstens bis in die Gefahrenzone vor, und Bäumler stand immer bereit, um eventuell Abfälle aufzulesen und das beste aus ihnen herauszuschlagen. Bei Gott, dieser erste Tag der Rückrunde wirkte manchmal fast wie eine Wiederholung des ersten Tages der Vorrunde. Nur eins war ganz anders: die Aschaffenburger sprangen ihren Gegner an wie ein Rudel gereizter Terrier. Es war, als ob sie einen Berg herunterstürmten, und in jeder Halbzeit konnte sich die Eintracht mit viel Kraft und verbissener Arbeitswut erst einmal wieder nach oben kämpfen, um das Gleichgewicht einigermaßen herzustellen. Zu Chancen freilich kamen die Viktorianer nur selten, und als Loy in der 12. Minute einen Schuß Staabs aus der Ecke gefischt hatte, brauchte sich die Riederwälder Deckung trotz starker Belastung kaum noch einmal ernst aufzuregen. Der Viktoria-Sturm setzte sich allenfalls durch, aber er setzte nicht matt. Und da Rechtsaußen Knecht überhaupt nichts gelang und Linksaußen Hauner sich in der Mitte verrannte, wo die Eintracht-Abwehr am stärksten ist, endeten die Viktorianer günstigstenfalls an einem Massenauflauf am Elfmeterpunkt, in dem Loy und Horvat alle überragten. Mittelstürmer Staab glänzte nur so lange, bis er an Horvat heran war, und die Halbstürmer K. Schmitt und Budion blieben in ihrer — allerdings beachtlichen — Kleinarbeit stecken. Es gelang den Aschaffenburgern durch ihren immensen Kraftaufwand immerhin, den Außenläufern der Eintracht insgesamt wohl eine Stunde lang das Wasser abzugraben, es gelang sogar, als Alfred Pfaff mit in die vordere Abwehrlinie der Eintracht zu zwingen, es gelang ihnen allerdings nicht, Loy zu gefährden. So kam es denn, wie vorausgesagt: die Stürmer schmachteten auf beiden Seiten unter der Fuchtel großer Abwehrpersönlichkelten, am größten diesmal vielleicht Bechtold, der auch im tollsten Wirbel noch exakt zuspielte, und auf der anderen Seite Buller, der mit seiner Spezialart („immer sachte, und dann mit 'nem Ruck!") den Spurter Kreß von rechtsaußen allmählich in die Mitte vertrieb, wo er noch weniger Wirkung erreichte. Nur einmal kam Kreß zum Schuß, als er in einer Anwandlung von Uebermut eine Flanke von Geiger aus der Luft nahm. Das freilich war auch das Tor, von dem die Eintracht bis zu Hubbuchs Angstelfmeter zehrte. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 02.12.1957)
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