SSV Reutlingen - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1957/58 - 9. Spieltag
1:1 (1:0)
Termin: 06.10.1957
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Kandelbinder (Regensburg)
Tore: 1:0 Baur (21.), 1:1 Hermann Höfer (74.)
SSV Reutlingen | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Trainer |
Hans Weilbächer fehlte dem Sturm "s' holt der Angstgegner", stöhnte Adolf Patek nach dem Schlußpfiff, als seine elf abgekämpften Schützlinge in die Kabine schlichen. Es war ein hartes Stück Arbeit für sie, dieses 1:1 an der Reutlinger Kreuzeiche. Was sage ich: an den Kreuzeichen. Ein ganzer Wald voll knorriger Kreuzeichen, durch den die Eintracht ihren Weg bahnen mußte. Es gab innerhalb dieser 90 Minuten nie einen ungedeckten Riederwälder Stürmer. Jeder Schritt nach vorn mußte gegen einen besessenen Nahkämpfer verfochten werden. An ein formgerechtes Kombinationsspiel war unter diesen Umständen einfach nicht zu denken. Vielleicht wären die Eintrachtangriffe von vornherein besser ins Rollen gekommen, wenn fünf Stürmer gestürmt wären. Aber der „Angstgegner" erhielt von den Riederwäldern schon vor dem Spiel seine Reverenz. Nur zum Schein trug Weilbächer die Nummer 9 auf dem Rücken. In Wirklichkeit befand sich seine Ausgangsstellung in Höhe der Außenläufer, so daß nur ein Viermannangriff übrigblieb. Diese taktische Variante ist von Adolf Patek in Auswärtsspielen bereits mehrfach mit Erfolg erprobt. Auch diesmal garantierte sie der Eintracht stets unverkennbare Vorteile im Mittelfeld, wo der blonde Hans von Brennpunkt zu Brennpunkt tuckerte und kaum in einem Zweikampf zu besiegen war. Die Kehrseite der Medaille zeigte sich jedoch bald. Zwischen den vier Recken im Eintrachtsturm, zwischen Kreß, Bäumler, Pfaff und Meier, der den angekränkelten Geiger vertrat, klafften Ozeane. Sie konnten zusammen nicht kommen. Und als einzelne waren sie hoffnungslos ihrer Uebermacht ausgeliefert. Was Wunder, daß sich der Schwerpunkt des Eintrachtspiels weiter rückwärts verlagerte, wo Weilbächer und Schymik um die Wette schufteten. Immer wieder tasteten sich diese beiden mit dem Ball am Fuß an den gegnerischen Strafraum heran. Aber dann erhob sich die Frage: wohin mit dem guten Stück? Es schien, als hätten die Stürmer Wurzeln geschlagen. Keiner schien etwas von der Binsenwahrheit zu wissen, daß ein Sturm, der mit vier Stürmern zurecht kommen muß, nur dann lebensfähig bleibt, wenn er sich die Zunge aus dem Halse läuft, wenn die Positionen ständig gewechselt werden. Dazu kam, daß die „Tour", auf eigene Faust vorzuziehen, bei den fanatischen Reutlinger Abwehrspielern nicht verfing. Pfaff probierte es mit einer ganzen Reihe von Tricks, ohne seinen Bewacher Vaas zu verblüffen. Kreß, der es mit Steilvorlagen für sich selbst versuchte, rannte sich spätestens am zweiten Gegner fest, Bäumler kam unter dem Druck seines Gegenspielers Jost kaum zur Besinnung und Meier fehlte es an Einfällen. Mit der „Wubtizität" allein aber war gegen Skischuss nichts auszurichten. Dieses Mangelverhältnis gilt vor allem für die erste Halbzeit, in der die Reutlinger auch zu ihrem Führungstor kamen. Baur war in ein Loch geflitzt, das Schlumpp aufgerissen hatte und kam einen Schritt früher an den Ball. An diesem Brocken hatten die Riederwälder bis zum Wechsel zu knabbern. Erst die unvermeidliche Kopfwäsche in der Pause brachte sie wieder zu sich. Ein übriges tat der Lattenschuß von Baur, der gleich nach Wiederbeginn an die untere Kante des Balkens krachte. Diese Schocktherapie half. Entsprechend wurden die letzten Ambitionen in Reutlingen, unterliegend zu siegen, über Bord geworfen und die Eintracht verwandelte sich in eine Gruppe von Rammböcken. Pfaff tüftelte nicht mehr, sondern hämmerte. Schuß um Schuß brannte er den Reutlingern auf den Rücken, aber wenn einer seiner Schüsse wirklich durchkam, dann sauste er knapp am Tor vorbei. Weilbächer, der sich nun in die vorderste Linie einreihte, wühlte sich wie ein Maulwurf im Strafraum fest, Kreß mischte sich endlich mit in den Menschenauflauf ein und Schymik, der nun die Arbeit Weilbächers mit verrichtete, warf die Reutlinger bei ihren Befreiungsversuchen meistens zurück, ehe sie die Mittellinie erreichten. Was die Eintracht mit Witz und Verstand nicht schaffte, das gelang schließlich durch diese Zermürbungsaktion. Aber die Stürmer allein hätten es auch jetzt noch nicht geschafft. Höfer mußte nach vorn traben, mußte schließlich, als es schließlich nicht mehr weiter ging, den Ball an Bäumler weitergeben, und in Bäumler mußte der seltene Gedanke aufgeblitzt sein, endlich einmal loszudreschen. Während Bögelein in der gedachten Ecke lag, kullerte das Leder, von einem Verteidiger abgelenkt, zum 1:1 ins Tor. Diese Tat war Höfers größte. Ansonsten führte ihn der durchtriebene Schlumpp manchmal schrecklich auf den Leim. Auch Horvat, Bechtold und Hesse, die sich im ganzen gesehen hervorragend schlugen, hatten sich allem Anschein nach einen Tabellenletzten etwas gemütlicher vorgestellt. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 07.10.1957)
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