Eintracht Frankfurt - DFB-Auswahl |
Freundschaftsspiel 1956/1957
0:1 (0:1)
Termin: 30.10.1956, Flutlichtspiel am Riederwald
Zuschauer: 26.000
Schiedsrichter: Dusch (Kaiserslautern)
Tore: 0:1 Schäfer (33.)
Eintracht Frankfurt | DFB-Auswahl |
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Wechsel
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2. Halbzeit
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Trainer | Trainer |
Frankfurter Prüfung beweist es: Flutlicht-Spiele nicht überbewerten Szymaniak glückte doch der Sprung - Dieser Pfaff 90 Minuten lang... K. H. JENS: Kämpferische Leistung der Eintracht imponierte. - DFB-Auswahl ohne Harmonie Frankfurt (Sonderbericht der Redaktion). — Wirkliche Talente sind dünn gesät. Das bestätigte erneut das Probespiel einer DFB-Auswahl gegen die Frankfurter Eintracht. Wir sind bescheiden geworden, und freuen uns schon darüber, daß wenigstens einem überzeugend der Vorstoß in die vorderste Reihe geglückt ist: dem rechten Läufer des Wuppertaler SV, Szymaniak. Begabung verrieten sie alle. Um so schwerer ist es für Herberger, die richtige Mischung zu finden. Wir stellen uns daher hinter die Forderung: mehr solche Probespiele! Mehr Auswahlkämpfe der Regionalverbände! Aber unter der Bedingung, daß hier der talentierte Nachwuchs zum Einsatz kommt. Keine Prestigekämpfe, bitte! Sondern alles abgestimmt auf das Fernziel Weltmeisterschaft 1958 in Schweden. DFB-Auswahl—Eintracht Frankfurt 1:0 (1:0) Die Kritik zum Aufbau einer deutschen Nationalelf verlangt, nichts zu beschönigen: Herbergers Sorgen sind nicht geringer geworden. Wäre wenigstens abschnittsweise einigermaßen harmonisch gespielt worden, hätte man zuweilen bloß einige solche Kombinationen gesehen, wie im Rußlandspiel in Hannover! Nichts wollte gelingen! Mißverständnisse am laufenden Band und Neigung zu übertriebenem Einzelspiel in der ersten Halbzeit waren die Ursachen. Nachher wurde es nicht besser. Die kämpferische Note der Eintracht schien einigen Spielern der DFB-Auswahl nicht zu behagen. Schröder hing in der zweiten Hälfte zu weit zurück, Schäfer drängte unaufhörlich nach innen, und da die Eintracht das Spiel diktierte, riß die Verbindung zwischen Läuferreihe und Sturm, obgleich sich beide Außenläufer wirklich bemühten, den Kontakt herzustellen. Jetzt mußten sie sich weit mehr der Abwehr der Eintrachtangriffe erwehren, so daß für den Aufbau kaum noch Zeit blieb. Dabei war die DFB-Auswahl vielversprechend gestartet. Die Halbstürmer Schäfer und Schröder zogen einige glänzende Kombinationen auf, Vollmar schien Kudrass förmlich zu überlaufen und Waldner hatte mit einigen Tricks Glück. Nur Biesinger blieb etwas unbeweglich, obwohl auch er sich in die Kombinationen der ersten halben Stunde geschickt einschaltete. Dann war im Angriff der Faden gerissen. So blieb Schäfer, ebenso wie Waldner, zu eigenwillig, Biesinger ohne Entschlußkraft. Vollmar verriet Schwächen in der Ballannahme, und Schröder spielte sichtlich gehemmt. Es wurde auch keinesfalls besser, als Schäfer in der zweiten Hälfte auf Linksaußen wechselte und Vollmar nach rechts rückte. Erst in den letzten 20 Minuten sorgten die beiden Hamburger Seeler und Stürmer für etwas Schwung, ohne aber ihre Konkurrenten der ersten Hälfte zu erreichen, geschweige denn zu übertrumpfen. Als nämlich beide auf eigene Faust etwas riskierten, lag sogar ein 2:0 nahe, das Schäfer kurz vor Schluß tatsächlich erzielte, als Rothuber Juskowiaks Freistoßbombe aus gut 25 Metern nicht festhalten konnte, Schäfer heranspurtete und einschob. Was Dusch zur Annullierung des Treffers bewogen haben mag, steht in den Sternen! Herberger bleibt wegen der Besetzung des Angriffs keine andere Möglichkeit, als mit immer neuen Variationen aufzuwarten, um die beste Harmonie und die größte Wirkung zu erzielen. Die Wahl an Spielern ist zwar nicht erschöpft, wohl aber sehr begrenzt. Erfreulich dagegen war das Zusammenwirken der Hintermannschaft mit dem überragenden Szymaniak. An Seitenläufern bietet sich uns eine große Auswahl, aber entschlossene, mannschaftsdienliche Stürmer fehlen. Szymaniaks Ballbehandlung, der Blick für gutes Zuspiel, das temperamentvolle Vorpreschen in den eigenen Angriff erhoben ihn zur mittelfeldbeherrschenden Figur. Herberger darf ihn getrost mit höchsten Aufgaben betrauen. Jupp Posipal bleibt Stopper Nr. 1. Der oft schwerfällig wirkende Hesse, dem es an genauem Zuspiel aus der Deckung mangelt, und auch der Hertener Graetsch bleiben zunächst zweite Wahl, wenn auch Graetsch durch seine forsche, spritzige Art auffiel. Wie ehrgeizig doch wieder der Lauterer Schmidt kämpfte! Sowohl als Verteidiger als auch als Läufer bot er eine glänzende Partie. Er hat sich in der Ballbehandlung enorm verbessert. So wie er sollte jeder Deckungsmann die Kameraden von hinten heraus anspielen! Gerade darauf muß noch mehr Wert gelegt werden! Gegen Schmidts Leistung fiel Nuber verständlicherweise etwas ab. Linkas Stärke lag in der scharfen Markierung des Gegners, im harten Tackling. Man darf es ihm zutrauen, daß er eines Tages in die Verteidigerrolle hineinwächst. Daß Juskowiak ihn in der Gesamtwirkung übertraf, ist seiner Routine zuzuschreiben. „Jus" ließ sich auf nichts ein, fuhr dem Gegner hart in die Parade, stürmte zum Schluß kraftvoll mit nach vorn, ohne aber das Blatt wenden zu können. Tilkowski bestätigte die vielen guten Kritiken aus dem Westen. Beherrschung des Strafraums, weites Fausten der Bälle, enorme Reaktionsfähigkeit bei hohen Bällen zeichneten ihn besonders aus. Herbergers Kandidaten mögen in der Einzelkritik zu gut weggekommen sein. Veranlagung ist ihnen nicht abzusprechen. Aber im harmonischen Zusammenwirken der einzelnen Mannschaftsteile gab es Mißverständnisse, viel Leerlauf und zum Teil Resignation. Man muß in diesem Zusammenhang immer wieder daran erinnern, wie wertvoll der persönliche Kontakt ist, wie wünschenswert es wäre, die Spieler vor jedem Länderspiel mindestens eine Woche lang beisammen zu haben. Aber solange die beruflichen Interessen aus begreiflichen Gründen obenan stehen, müssen wir uns damit bescheiden, daß ein Wiederaufstieg unserer Nationalelf nur sehr langsam vorangehen wird. Es hat keinen Zweck, Vogel-Strauß-Politik zu treiben, und man darf nicht erwarten, daß bei durchaus vorhandenem Können einzelner Spieler nun eine schlagkräftige Mannschaft erstehen könnte. Das organische Wachsen, die Harmonie und das Zusammenwirken aller Teile erfordern viel Geduld. Das sollte man immer bedenken, wenn es mal nicht nach Wunsch läuft. Wie in Frankfurt... Sepp Herberger: „Schade, daß Kreß fehlte!" K. KERN sammelte Meinungen und Urteile - Ein enttäuschter Patek: „Loy ist verletzt!" Frankfurt (Eigener Telefonbericht). — Nach dem Spiel hatte Eintracht-Vorsitzender Rudi Gramlich alle Hände voll zu tun, um mit Polizisten und Ordnern die Spieler vor allzu stürmischen Autogrammjägern zu schützen. Dennoch hatte er für ein paar Sätze Zeit: „Heute wurde scharf gespielt. So schön wie beim letzten Flutlichtspiel konnte es deshalb nicht werden. Die Jungen in der DFB-Elf müssen sich erst einspielen. Keine Prognosen? Bei uns lief das Spiel kaum so flüssig und gewandt wie gegen den 1. FCK. Es war diesmal auch ein anderer Gegner." Ein anderer Frankfurter Akteur, Ernst Berger, der Eintracht-Linksaußen der 30er Jahre: „Für eine Vereinself ist es schwer, gegen eine DFB-Auswahl zu spielen, genau so aber auch umgekehrt. Gut gefiel mir Juskowiak in der zweiten Halbzeit. Bei uns zeigte sich Bäumler von seiner besten Seite." Trainer Adolf Patek war nicht zufrieden: „Wieder einen Spieler verloren, so ein Pech — in einem Freundschaftsspiel (Loy und ein eigener Spieler stießen zusammen)! Es war fast ein harter Punktekampf. Ich hätte lieber einen technisch hochstehenden Fußball gesehen." Mitten unter seinen Schützlingen trafen wir Bundestrainer Herberger: „Es war ein Aufbauspiel. In den beiden Teams hinterließen einige Spieler einen guten Eindruck. Beeindruckt hat mich die kämpferische Leistung sowohl der Auswahl als auch der Eintracht. Pfaff hatte den besten Spieler gegen sich, er zog sich dennoch gut aus der Affäre." Auf die Frage, ob Szymaniak ihm am meisten gefallen hat, gab er nur ein verschmitztes, aber vielsagendes Lächeln zur Antwort. „Bedauerlich, daß Kreß fehlte!" An wen der Bundestrainer bei Aufstellung der DFB-Elf denkt? Waldner, Vollmar, Schröder, Schmidt stehen auf der Liste. „Aber wir haben ja noch einige Trainingsspiele, da kann sich vieles ändern!" Jupp Posipal: „Ein schnelles, hartes Spiel. Ich verstehe nicht, warum die Zuschauer bei härterem Eingreifen pfeifen. In den Länderkämpfen geht es auch nicht gerade zart her. Die Spieler müssen an Härte gewöhnt werden. Die Auswahl wirkte meiner Meinung nach als Mannschaft geschlossener." Alfred Pfaff bekannte freimütig, daß er es heute nicht leicht hatte: „Aber wir hatten auch Pech: Zwei Pfostenschüsse. Ein Unentschieden hätten wir verdient gehabt." Frankfurter Probespiel bewies es: Wir können noch nicht auf Schäfer, Juskowiak, Pfaff verzichten. Nur Szymaniak, Tilkowski schafften den großen Sprung nach vorn Der Pfosten verhinderte drei Bäumler-Tore G. WICH dreht den Spielfilm: Eintracht Frankfurts große Energieleistung nach der Pause Frankfurt (Eigener Bericht). — Als die Spieler nach dem Schlußpfiff das Feld verließen, rührte sich keine Hand. Die Friedhofsstille wirkte beklemmend wie ein Alpdruck. Im dumpfen Schweigemarsch trotteten die Zuschauer vom Riederwald. Aus ihren Gesichtern sprach Enttäuschung und eine gewisse Trauer. Enttäuschung, weil die Nationalelf ihrem Ruf viel schuldig geblieben war. Und Trauer, weil sie umsonst auf ein „Happy-End", ein Remis ihrer Eintracht gewartet hatten. Die erste Enttäuschung gab es, als der Lautsprecher die Aufstellungen durchgab: ohne Mai, ohne Posipal, ohne Fritz Walter! Die Massen fühlten sich betrogen. Sie quittierten die Fehlanzeigen mit schrillen Pfiffen. Es blieb leider nicht bei diesem einen Regiefehler. Auf dem Spielfeld stellte man beizeiten fest, daß beiden Mannschaften ein Mann fehlte, der klar und klug Regie führte. Zunächst sorgte die DFB-Auswahl für einen munteren Auftakt. Schäfer, der sich in Zweikämpfen oft zuviel „Ellbogenfreiheit" herausnahm, schickte Vollmar einige Male mit steilen Vorlagen los, Waldner und Schröder zeigten ein paar feine Duetts, Biesinger zwei, drei raffinierte Täuschungsmanöver. Loy kam nicht zum Verschnaufen. Pfaff bereitete die erste Chance für die Frankfurter vor. Auf wenigen Quadratmetern schmuggelte er sich an vier Gegnern vorbei, doch seine Vorlage an Meyer fing Tilkowski reaktionsschnell ab. In der 15. Minute tat es dann bei einem Kopfballdnell zwischen Pfaff und Szymaniak einen dumpfen Schlag. Während sich der Herner nur kurz seinen eisenharten Westfalenschädel rieb, blieb Pfaff liegen. Sanitäter schleppten ihn vom Platz. Das Publikum tobte, als wolle es den Herner, der uns sofort durch sein schmuckloses, zielstrebiges Mannschaftsspiel aufgefallen war, auf der Stelle lynchen. Es randalierte von da an fast gegen jeden kämpferischen Einsatz der Nationalspieler und gegen die meisten Entscheidungen des Schiedsrichters. Ein Pfostenschuß Biesingers ließ die Menge zusammenfahren. Gleich darauf prallte Torwart Loy mit seinem Stopper Wloka zusammen. Loy humpelte vom Platz, Wloka tastete sich benommen ab, um festzustellen, ob alle Knochen heilgeblieben waren. In der allgemeinen Verwirrung merkte Dusch, daß Eintracht plötzlich 12 Spieler auf dem Feld hatte. Bechtold II mußte wieder abtreten... In der 34. Minute fiel die Entscheidung. Szymaniak leitete einen Eckball an Schäfer weiter, der zum 1:0 einschoß. Das 1:1 hing bald darauf in der Luft, als Hesse ein Schnitzer unterlief, doch Bäumlers Schuß krachte gegen den Pfosten. Nach der Pause verlor das DFB-Sturmspiel an Zusammenhang und Wirkung, weil Schröder die Luft ausging, Vollmar als Rechtsaußen nicht zurechtkam und Schäfer bei Höfer gleichsam mit dem Kopf gegen die Wand rannte. Fast den einzigen Lichtblick bildete es, als Seeler und Stürmer einmal Hand in Hand arbeiteten, drei Mann abschüttelten und Uwes Schuß knapp am Pfosten vorbeizischte. Die „Eintracht", wieder mit Pfaff, raffte sich fast schlagartig zu einer tollen Energieleistung auf und erkämpfte sich ein klares Übergewicht. Irrwisch Bäumler tauchte an allen Brennpunkten auf und heizte Tilkowski mit überraschenden Schüssen ein, der kaltschnäuzige Linksaußen Meyer machte Linka das Leben schwer, Pfaffs Spiellust erwachte erneut, und Weilbächers Kräfte schienen direkt unerschöpflich zu sein. Unermüdlich kurbelte der Blondschopf seinen ehrgeizigen Angriff an, doch das Glück war an diesem Tag gegen die Frankfurter. Pfosten und Latte erwiesen sich als treue Verbündete Tilkowskis. Sie standen allein drei sicheren Toren von Bäumler im Wege! Das Schußpech ließ die Eintrachtler und die Zuschauer allmählich resignieren. Und so erzielte die DFB-Elf sogar noch ein zweites Tor — nach einem Freistoß von Juskowiak —, das Dusch unerklärlicherweise annullierte.
Ganz Frankfurt pfiff: Mai, F. Walter, Posipal fehlten! R. KIRNS Glosse aus dem Riederwald Frankfurt (Eigener Bericht) — Die Jahreszeit ist dem Flutlicht nicht gewogen. So klar die Nacht war, die Stimmung ist dahin. Das Lachen der Mädchen in den Gärten um den Riederwald ist 'verstummt, auf der Tribüne drückte man sich fröstelnd in die Mäntel und auf den Seitenlinien gab es graue Flecke: die Lücken in den Zuschauerrängen Diesem Spiel schienen die Sterne nicht. (Aber es floß ein mächtiger Batzen in die Kasse.) * Die Menge, dieser unheimliche Gott, stöhnte auf und schrie empört, als sich bei der Ansage ergab: Fritz Walter, Posipal und Mai fehlen. Der Fan von Frankfurt, benahm sich an diesem Abend abscheulich, trillerte wie eine Lerche, als die Probeelf ins Feld sprang; es war einem leid um so manchen der jungen Kerle. Da trabten sie ins Licht, stolz natürlich, und Pfiffe schlugen ihnen entgegen, das war beschämend! * Die Eintracht, ohne Kreß, der seinen Freiburger Wadenbeinbruch ausheilen muß, hatte Läufer Schymik in den Sturm gestellt, wo er ums Haar ein Tor schoß. Pfaff schied in der fünfzehnten Minute für den Rest der ersten Halbzeit aus, war aber dann wieder dabei, unternehmungsfroh wie sonst. Szymaniak hatte ihn umgerannt, gewiß ohne Absicht. Dieser Szymaniak war die Attraktion des Abends, der einzige Gewinn dieser kalten Nacht: ein Außenläufer, nicht weit vom Rang Eckels. (Oder er müßte denn einen phänomenal überhöhten Tag gehabt haben!) * Nach der Pause die vier frischen Spieler Juskowiak, Grätsch, Seeler, Stürmer. Aber wieviel matter war die Probeelf nun! Vor der Pause hatte sie Linie. Vieles sah so aus, als wolle es andeuten: so werden wir die Schweizer Hintermannschaft aufreißen! Dann freilich war meist Schluß der Vorstellung. Aber man hatte doch wenigstens etwas gesehen, Einfälle, genaue Vorlagen, gescheites Laufen in den freien Raum! Die Hereinnahme der beiden Hamburger nach dem Wechsel tötete die Linie dieses Spiels. Wer jemals die Namen dieser braven Jungs zusammen mit dem Namen Fritz Walters in den Mund genommen hat, hat sich versündigt. * Die Nacht war kühl, Kameraden! Das Spiel hat uns nicht eingeheizt. Die Lampen sind aus und der rauhe Wind der Wirklichkeit geht übers herbstliche Feld. * Aber Szymaniak war gut! Da gibt es nichts! (aus
dem 'Sport-Magazin' vom 01.11.1956)
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