FSV Frankfurt - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1956/57 - 6. Spieltag
1:3 (0:2)
Termin: 30.09.1956
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Leonhardt (Stuttgart)
Tore: 0:1 Eckehard Feigenspan (24.), 0:2 Eckehard Feigenspan (36.), 1:2 Herrmann (52., Elfmeter), 1:3 Helmut Geiger (61.)
FSV Frankfurt | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Ein lockeres, entschärftes Derby Ueber die Qualität dieses Derbys läßt sich streiten. Licht und Schatten wechselten in einem Tempo, daß es den Zuschauern vor den Augen flimmerte. Das war wie in fast allen der 110 vorhergegangenen Frankfurter Rivalenkämpfen. Eines aber muß man diesem Hundertelften zugute halten. Es war ein lockeres, unverkrampftes, entschärftes Derby. In seinen besten Abschnitten mutete es an wie ein Flutlichtspiel, in dem hüben wie drüben gute Laune und Unternehmungsgeist sprühten. Jawohl, hüben und drüben, wenn sich auch der FSV schneller als erwartet aus dem Konzept bringen ließ. Das Flutlicht spendete die größte Flutlichtanlage der Welt, eine makellose Sonne, die das Fest in einer Anwandlung von Verschwendungssucht vergoldete. Kaum einmal wagten es die 20.000 Festgäste, ernstlich au grollen. Bornheims Krämer stürzte auf dem Weg zum Tor über das Bein des zu spät heranspurtenden Höfer, ohne daß Leonhardt (Stuttgart) einen Elfmeter verhängte, aber auch ohne daß der FSV reklamierte und Leonhardt pfiff einen Elfmeter, als alles darauf hindeutete, daß Schymik den Ball unabsichtlich mit der Hand berührt hatte. Auch diesmal gab es keine Proteste. Sie haben sich endgültig zusammengerauft, die Bornheimer und die Riederwälder. Wenn die Auswärtigen kommen, geht's nicht so brav zu. Sie kamen sich auch im übrigen weitgehend entgegen. Keine Spur von übertriebener Vorsicht auf beiden Seiten. Keine Spur von verbohrter Defensive. Der FSV trieb seine Großzügigkeit schließlich bis zum Leichtsinn, und vielleicht verlor er deshalb. Im „Neuen Sport" stand es schon einmal. Wenn der Sturm der Eintracht mit seinen windigen Gesellen Normalform bringt, dann ist jede Verteidigung in Süddeutschland, die auf Riegelmaßnahmen verzichtet, von vornherein verloren. Die Bornheimer verschmähten nicht nur das „Riegeln"; sie deckten noch nicht einmal genau. Pfaff konnte fast eine ganze Halbzeit lang tun und lassen, was er wollte, ohne daß sich Werner Meyer als sein direkter Gegner von seinen Angriffsambitionen abbringen ließ. Alfred und Werner operierten aneinander vorbei und Alfred war der Erfolgreichere.
Die Bornheimer Anhänger warteten bis tief in die zweite Halbzeit hinein vergeblich darauf, daß Lidinski zurückgepfiffen würde, um dem Werner, der seine Verletzung anscheinend doch noch nicht ganz überwunden hatte, beizuspringen. Nichts geschah. Es mußte erst 0:2 stehen, ehe die beiden tauschten. Erst als Pfaff ohnehin eine Pause einlegte, nahm sich Lidinski seiner an und stürmte Werner Mayer in vorderster Linie, wo er die Bornheimer endlich zu einer Kraftleistung mitriß, wie sie einer Mannschaft im Derby ansteht. So wurde denn aufs neue bestätigt, daß der echte, der dynamische Werner Mayer nur als Halbstürmer zur vollen Entfaltung kommt. Wann gibt man ihm endlich die Rolle, die ihm auf den Leib geschrieben ist? Die Eintracht freilich blieb auch dann gefährlicher, als der FSV drängte und Pfaff die Initiative seinen Nebenleuten überließ. Geiger spielte am linken Flügel für Pfaff mit und die beiden Sprinter Kreß und Feigenspan rollten bei ihren Ausfällen die aufgerückte Bornheimer Deckung in süddeutschen Rekordzeiten auf. Nur Bäumler hielt dieses Tempo nicht ganz mit. Er vergab auch die meisten Chancen, mit denen der Eintrachtsturm geradezu überhäuft wurde. Der kritische Punkt der Szenerie lag da, wo das Riederwälder Hoch mit dem Bornheimer Tief zusammenstieß. Riederwalds entfesselte Außenstürmer trafen in Schwarz und Krone zwei Verteidiger an, die sich wie Tiefseetaucher bewegten: bleiern und ungelenk. Krone hat eine triftige Entschuldigung. Auf ihm lastete die Nachricht vom Tod seiner Mutter. Schwarz hat nichts, was für ihn spricht. Er mag auch heute noch ein brauchbarer Stopper sein; für die ganz aus dem übrigen Geschehen herausgelösten Duelle zwischen Verteidiger und Außenstürmer taugte er nie und jetzt im vorgerückten Alter noch weniger. Zu den vielen Wenn und Aber, die in der Bergerstraße am Sonntagabend diskutiert wurden, gehörte auch dieses: Warum tauschten Lurz und Krone nicht ihre Positionen? Lurz war nicht nur das geometrische, sondern auch das geistige Zentrum der FSV-Abwehr; aber er erwischte den Eintracht-Sturm an der falschen Stelle. Mittelstürmer Bäumler, sein direkter Gegner, war ohnehin der ungefährlichste. Mit ihm wäre auch Schwarz fertig geworden.
So verdienst- und effektvoll der FSV-Stopper Angriffswelle um Angriffswelle brach, so ohnmächtig war auch er, wenn die Zange Geiger-Feigenspan zuschnappte. In diesen Fällen konnte nur noch Rado helfen. Der Bornheimer Tormann bot ein Weltstadtprogramm artistischer Glanzleistungen. Ohne ihn und die Unfähigkeit der Eintrachtstürmer, ihre bündelweise herausgespielten Chancen auch zu verwerten, hätte es am Bornheimer Hang einen Erdrutsch gegeben. Nicht vergessen seien die Verdienste Niebels, der sich von den Temperamentsausbrüchen seines Gegners Kreß nicht ins Boxhorn jagen ließ. Wie er sich bei den Soli der „spurtenden Dampfwalze" im Eintrachtsturm zunächst klug auf Distanz hielt, um dann den Ball bei einer zu langen Vorlage ohne Kraftaufwand abzufangen, war Klasse. Im übrigen schließt sich der Kritiker der Meinung Trainer Cuvays an, daß „im übrigen" alles versagte. Es versagte vor allem der gesamte Bornheimer Angriff, in dem — abgesehen von den ersten zehn Minuten und vom Endspurt — jeder einzelne pedantisch an seinem Posten klebte. Krämer und Kraus unternahmen nicht einmal den Versuch, sich durch Positionswechsel ihren Gegnern zu entziehen, und Krämer beging außerdem den Fehler, sich mit Höfer in aufreibende Zweikämpfe einzulassen. Herrmann faßte seine Halbstürmer-Aufgabe zu einseitig auf und tat nichts zur Entlastung der Deckung, Buchenau zerschellte an Wloka. So konnten sich Weilbächer, der sich als Läufer von Spiel zu Spiel steigert, und Schymik immer mehr dem Aufbau widmen und so öffnete sich für Bornheim nur selten eine aussichtsreiche Gasse. Die Geschichte der Tore ist bezeichnend. Die der Eintracht fielen durch die Außenstürmer, die am wenigsten gestört wurden, zwei durch sauber gezielte Schüsse Feigenspans und eins durch Geiger, vor dem im Gedränge auf einmal die offene Ecke klaffte. Das des Sportvereins fiel durch jenen fragwürdigen Elfmeter, den Schymik mit einer ungeschickten Handbewegung verursachte und den Herrmann um so geschickter einschoß. Nur die Chance eines Elfmeters war dick genug, um den Bornheimern an diesem Tag zum einzigen Glück zu verhelfen. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 01.10.1956)
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