Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
Oberliga Süd 1954/55 - 22. Spieltag
1:0 (0:0)
Termin: 20.02.1955
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 1:0 Alfred Pfaff (86.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Trainer | Trainer
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Jubel am Riederwald - aber keine Zufriedenheit Drehschuß Geigers löste Spannung Es sah bereits aus, als werde der Kampf der alten Rivalen wie das Hornberger Schießen ausgehen, denn nach 85 Minuten stand die Partie noch immer torlos, und die Aspekte, daß noch eine der beiden Mannschaften zum entscheidenden Schuß ausholen könne, waren gleich gering wie die Hoffnung, in der Lotterie den Hauptgewinn zu ziehen. Doch da geschah gerade in dem Moment, als sich die bereits zum Abmarsch rüstenden und etwas von Narrenfreiheit murmelnden Eintrachtanhänger ihren Mantel zurechtrückten, das unmöglich Scheinende: Bechtold nahm nicht weit von der Mittellinie entfernt Blessing den Ball ab und jagte das Leder ohne langes Zögern in den VfB-Strafraum. Geier nahm den Ball geschickt an und setzte mit einer kurzen Drehung ein solches Ding auf Bögeleins Gehäuse, daß der rechtzeitig zu Boden gegangene Torhüter das Leder zwar noch berühren, aber nicht mehr festhalten konnte. Dr. Keller hatte doch noch das erhoffte Geburtstagspräsent erhalten. Jubel, Trubel, Heiterkeit — aber zufrieden war man nicht. Auch der eingefleischteste Eintrachtanhänger mußte nachdenklich den Heimweg antreten, denn dem Gebotenen nach war der Sieg der Platzherren reichlich glücklich. Die Stuttgarter zeigten zweifellos das weitaus gepflegtere Zusammenspiel, bauten aus der Deckung heraus ihre Angriffe — man mochte fast sagen, folgerichtig — auf und spielten, zumindest für das Auge, weitaus schöner als ihr Gegner, der mehr mit Kraft und Einsatz zu seinem Recht zu kommen versuchte, dabei aber über weite Strecken Zusammenhang vermissen ließ. Nur in den ersten 25 Minuten brannte das richtige Eintrachtfeuer, lief das Bällchen, daß es eine wahre Freude war, spielte und lief man sich frei und wurde auch einmal ein Schuß riskiert: die alte Eintrachtherrlichkeit schien wieder zu erstehen. Es war, als würde der auf dem Papier ideal aussehende Sturm auch das Ideal auf dem Spielfeld werden. Aber dann wurde plötzlich alles durcheinander geworfen wie die Kegel. Kreß bekam zwar weiter seine im Schnee zu Idealvorlagen werdenden, scharfen Bälle, aber er sah plötzlich niemanden mehr, zu dem er nach einem Flankenlauf den Ball hätte abspielen können und wurde so zwangsläufig zum großen Zögerer wider Willen. Dann wechselte er plötzlich in Richtung Mitte, während sich auf seinem Posten vorübergehend Pfaff, dann Geiger betätigten und aus war's. Die Formation des Schlachtenplans ging entzwei und die Routiniers in Stuttgarts Läuferreihe zogen ihren Nutzen daraus. Indessen: So phantastisch Schlienz aufspielte, so hoch auch der etwas ruppige Kraus seine Leistungen steigerte und so sehr Barufka nachdrängte, das VfB-Spiel blieb erfolglos. Dabei harmonierten im Sturm der unermüdliche, technisch großartige Waldner mit Hinterstocker und Blessing wirklich vortrefflich zusammen, aber es fehlte — auch wenn einige wenige ausgereifte Torchancen herausgespielt wurden — doch irgendwie der nötige Druck. So vermochte die im Schatten ihrer Gegenüber stehende Eintrachtverteidigung (Retters Leistung war über jedes Lob erhaben, und Liebschwager „kam", als das Feuer der Eintracht erloschen und er selbst von Kreß befreit war) immer wieder erfolgreich zu klären. Tolle letzte Viertelstunde Das Geschehen plätscherte bei leichten VfB-Vorteilen im Mittelfeld dahin, bis die letzte Viertelstunde anbrach. Nun fegte plötzlich wie von Geisterhand geordnet wieder die Eintracht über das Spielfeld, daß den Gästen schier Hören und Sehen verging. Aus war es plötzlich mit ihren schönen Kombinationen, das Zepter schwang die Eintracht. Pfaff zog von beiden Seiten Eckbälle wie mit dem Lineal gezogen vor das Stuttgarter Tor, wo Dauer-Großalarm herrschte. Kraus erlaubte sich ein Foul im Strafraum an Geiger, das ungeahndet blieb, und anschließend riskierte der gleiche Spieler noch einen unfairen Angriff an der Strafraumlinie — aber auch hier blieb der Schiedsrichterpfiff aus. Und dann, als alles schon im Abebben war, fiel das entscheidende Tor. Das Mannschaftsspiel des Tabellenzweiten war — von den geschilderten Spielphasen abgesehen — mangelhaft. Es fehlte über weite Strecken des Geschehens nicht nur die Bindung zwischen den einzelnen Reihen, sondern auch die Harmonie zwischen den einzelnen Spielern, die sich z.T. viel zu viel in Einzelaktionen verzettelten. Höfer in der Verteidigung dürfte unbedingt ein Gewinn sein, auch wenn die Abschläge und Zuspiele noch nicht immer einwandfrei waren. Bechtolds Schwächen waren auch diesmal nicht behoben, doch durfte man für eine Rettungsaktion auf der Linie für den bereits geschlagenen Loy und das vorbereitete Tor darüber hinwegsehen. In der Läuferreihe räumte Wloka wieder in altbewährter Manier auf, während uns die Außenläufer in der kritischen Zeit ein wenig zu offensiv erschienen. Pech war es, daß der unermüdliche Kreß kurz vor Halbzeit verletzt wurde und erst gegen Schluß die offenbar erlittene Zerrung überwand. Auch Pfaff, dessen gescheite Vorlagen und Mustereckbälle bestachen, war nicht hundertprozentig auf dem Posten. Geiger war, ebenso wie Weilbächer, je nach Bedarf vorn oder hinten zu finden; beide hinterließen einen vortrefflichen Eindruck. Bäumler stand trotz Bewachung von Schlienz hinter beiden nicht viel zurück. Wenn es gelingt, diesen Angriff für 90 Minuten zu einer Einheit zu schweißen, dann braucht es der Eintracht selbst bei den derzeitigen Schwächen in der Deckung um die Zukunft nicht bange zu sein. (aus 'Der neue Sport' vom 21.02.1955)
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