Stuttgarter Kickers - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1954/55 - 17. Spieltag
1:1 (1:0)
Termin: 16.01.1955
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Horn (München)
Tore: 1:0 Schumacher (6.), 1:1 Alfred Pfaff (84.)
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintracht brauchte das Wunder der 87. Minute Pfaff brach „Neckartalsperre'' „Was für den Riederwald gut, muß erst recht fürs Neckarstadion taugen", sagten sich die Stuttgarter Kickers, da sie diesmal wegen der Verkehrsschwierigkeiten aus ihrem Degerloch verbannt waren, und bauten so etwas wie eine Neckartalsperre vor dem Angriff der Eintracht auf. Und siehe, sie hatten wiederum Erfolg. Der Tabellenführer mußte das Wunder der 87. Minute anrufen, um zum dürftigen Unentschieden zu kommen, dürftig, weil sich nichts von der drückenden Ueberlegenheit der Riederwälder in diesem Ergebnis niederschlug. 75 Minuten — alles in allem — schwerste Zermürbungsarbeit wurde vergebens geleistet. Bis dann Pfaff sozusagen mit dem kleinen Zeh die Sperrmauer zum Einsturz brachte. Das Tor der Eintracht wirkte zu dieser späten Stunde tatsächlich wie ein Wunder, aber es war keines. Es war die einzigartige Sekunde, in der alle Kraft und alles Geschick, das im Sturm der Riederwälder so oft getrennte Wege geht, endlich zu einem reinen Akkord zusammenklang. Kress — von Anfang an in einen erbitterten Verschleißkampf mit dem granitenen Volksschullehrer Eberle verwickelt — raffte plötzlich noch einmal sämtliche Reserven zusammen, um in herrlich gradlinigem Lauf das gesamte Stuttgarter Abwehrkomplott auseinanderzujagen. Der Ball fand den rechten Weg Es gab nur noch eines: Man mußte ihn legen, was
Stopper Maier am Rand der Strafraumgrenze zuverlässig besorgte. Der
Rest war die Angelegenheit Pfaffs. Der Alfred hypnotisierte wieder einmal
Abwehrmauer, Torwart und Ball. Es war nicht einfach zu begreifen, wie
das Leder trotz schlechthin vollkommener Sicherungsmaßnahmen seinen
Weg in den Winkel fand. Jedenfalls schienen die 16000 Zuschauer samt den
elf Kickersspielern zunächst einmal wie erstarrt. Bäumler zwischen zwei Polizisten Die Aufgabe der Eintracht bestand darin, einen Edelstahlriegel
(Marke Beyerer) aufzubrechen, der nicht nur mit Gewalt, sondern auch mit
Raffinesse arbeitete. Für jedes Stürmertalent der Riederwälder
hatte Willi Beyerer ohne Rücksicht auf die durch den Lautsprecher
bekanntgegebene Aufstellung seiner Mannschaft einen ausgesuchten Deckungsspieler
bereit. So spielte — wie bereits erwähnt — der rechte
Verteidiger Eberle gegen den Halblinken Kreß, während sich
der zähe rechte Läufer Scholz mit dem Linksaußen Pfaff
befaßte. Bäumler sah sich sogar zwei Schutzleuten gegenüber,
dem Stopper Maier und seinem Gehilfen, dem linken Verteidiger Vogler.
Der linke Läufer Barth deckte den Rechtsaußen Höfer, und
Weilbächer stand unter der Kontrolle des Stuttgarter Halblinken Ritter. Trotzdem haben die Stuttgarter eine imponierende Leistung
vollbracht. Ihre Ausfälle aus der Umklammerung zielten mitten ins
Mark der Eintrachtdeckung. Es handelte sich genau um jene gewisse Sorte
von Angriffen, gegen die die Riederwälder Abwehr zur Zeit so anfällig
ist. Im Neckarstadion setzte sich bei den Verantwortlichen der Eintracht
nach einer Viertelstunde der Gedanke durch, daß es so nicht weitergeht. Heilig, der den agilen Ränkeschmied im Stuttgarter Sturm, den gescheiten Ballschlepper Kronenbitter, nie entscheidend stören konnte, wurde als rechter Verteidiger zurückbeordert. Bechtold ging nach links hinüber und Kudraß versah nun als linker Läufer das Amt, diesen Kronenbitter zu betreuen. Er sah zunächst einmal, wie schwer das ist. Nach der Pause aber kam Kudraß zusehends besser heraus, wurde nicht nur ein Gewinn an diesem besonders heiklen Punkt der Abwehr, sondern mehr noch ein Gewinn für den Angriff, der immer, noch am Beyrer-Riegel rüttelte. Es dürften jedoch noch weitere Maßnahmen nötig sein, um die Riederwälder Abwehr wieder auf das Niveau früherer Jahre zu bringen. Heilig kam auch als Verteidiger nur mühsam mit, und auch Wloka, über den es natürlich keine Diskussion gibt, litt diesmal zeitweilig unter den Anfechtungen der Unentschlossenheit und des Zögern. Dies mag jedoch daran liegen, daß ihm im gegnerischen Viermännersturm ein direkter Widersacher, an dem er sich hätte halten können, fehlte. Fortgesetzt mußte er umschalten, und so waren einige Kurzschlüsse unvermeidlich. Alles in allem: Wenn die Stuttgarter ausbrachen, dann wackelte die Wand. Relativ gut hatte es nur Remlein, der sich — ohne Gegenspieler — nur nebenbei um die Abwehr zu kümmern brauchte. Als Offensivläufer erstrahlte er in makellosem Glanz. Glänzend auch der Start von Bäumler, der sich mit Witz und Verstand zwischen seinen beiden Bewachern behauptete. Eine Wucht Weilbächer, dessen Kondition wieder unerschöpflich war. Voll Tatendurst Höfer. Damit aber hörten die ganz reinen Freuden auf. Pfaff wieder wetterwendig Pfaff war wetterwendig wie das Fähnlein auf dem Eschenheimer Turm. Perioden tiefer Lustlosigkeit wechselten ab mit mitreißenden Solis, die die ganze gegnerische Deckung in Verlegenheit brachten. Kreß schmachtete zeitweilig in den Fängen von Eberle und kam nicht ganz auf sein Soll an wirklich großen Taten. Wenn es aber bei ihm zündete, dann war er wieder der gefährliche Stürmer im Riederwälder Sturm. Die Stuttgarter freuten sich über ihren jungen Barth, der sich mit bewunderungswürdiger Anpassungsfähigkeit auf die Gegegebenheiten einstellte. Die Pfeiler ihres Widerstandes aber bildeten Torwart Strauß, Eberle und Kronenbitter. Der Kordon, den diese Spieler bildeten, wurde praktisch niemals durchbrochen. Nachdem das Bestreben der Eintracht, durch eine schnelle Führung den Gegner aus der Defensive herauszulocken, fehlgeschlagen war und — im Gegenteil — die eigene Deckung sich von einem der ersten Vorstöße der Stuttgarter durch einen Treffer von Schumacher überrumpeln ließ, war der Riederwälder Karren bereits verfahren. Man brauchte 87 Minuten, um ihn einigermaßen wieder flottzumachen. (aus 'Der neue Sport' vom 17.01.1955)
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