1. FC Köln - Eintracht Frankfurt

Endrunde um die Deutschen Meisterschaft 1953/54 - Gruppe 2

3:2 (2:1)

Termin: 08.05.1954 in Ludwigshafen
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Eix (Emden)
Tore: 0:1 Werner Heilig (25.), 1:1 Stollenwerk (31.), 2:1 Stollenwerk (39.), 3:1 Dörner (50.), 3:2 Hans Weilbächer (55.)

>> Spielbericht <<

1. FC Köln Eintracht Frankfurt

  • Frans de Munck
  • Stefan Langen
  • Hans Graf
  • Paul Mebus
  • Benno Hartmann
  • Josef Röhrig
  • Fritz Breuer
  • Georg Stollenwerk
  • Berthold Nordmann
  • Herbert Dörner
  • Hans Schäfer

 


 

Trainer
  • Karl Winkler
Trainer

Eintracht ging mit wehenden Fahnen unter

„144mal habe ich im Toto auf die Eintracht gesetzt", seufzte Schorsch Rettelbach, der Altmeister der Pfälzer Schiedsrichtergilde auf dem Heimweg vom Südweststadion. ,,Aber ich bin ihr nicht Gram, daß sie mich so aufsitzen ließ. Was sie in der zweiten Halbzeit gezeigt hat, war einfach fabelhaft. Es war das Größte, was ich seit Jahren gesehen habe."

Für uns war es noch mehr: Es war die unglücklichste Niederlage, die wir seit der unvergeßlichen 0:2-Schlappe der deutschen Nationalmannschaft im September 1928 im alten Stockholmer Stadion miterlebten. Von der 30. Spielminute ab — genau fünf Minuten vorher hatte Heilig von der Strafraumgrenze aus das Leder ins Kölner Tor geschmettert — hatten die Riederwälder faktisch nur noch zehn Mann auf dem Spielfeld. Der eiserne Wloka war bereits nach einer Viertelstunde schwer angeschlagen hinausgetragen worden. Er humpelte einige Minuten später zwar wieder herein. Aber es ging nicht mehr, und als die erste halbe Stunde um war, verschwand er endgültig für den Rest der ersten Hälfte in der Kabine. Nach dem Wechsel trieb ihn der Ehrgeiz noch einmal in den Kampf. Aber er konnte nur noch als Statist am rechten Flügel mitmachen. Er band Kölns linken Verteidiger — das war aber auch alles, was sein unerschütterlicher Kampfeswille noch Positives zu erzielen vermochte.

60 Minuten lang mit 10 Mann

Die Eintracht mußte also eine geschlagene Stunde lang mit einer Zehn-Elftel-Mannschaft den schweren Nervenkampf durchstehen. Sie versuchte es zunächst mit Pfaff als linkem Läufer, Bechtold als Stopper und Heilig als rechtem Verteidiger. Aber die Differentialrechnung ging nicht auf. Pfaff behagte die Rolle des Stollenwerkbeschatters nicht, und ehe sich die Frankfurter von dem psychischen Schock, den Wlokas Ausscheiden ihnen versetzt hatte, einigermaßen erholt hatten, hatten die Kölner hart und erbarmungslos zugeschlagen. Sie traten, instinktiv die Schwächung des Gegners ausnützend, sofort auf den Gashebel, verschärften das Tempo und legten ihre wirbelnden, von Mebus und Röhrig brillant aufgezogenen Kombinationen noch steiler und tiefer an. Zweimal sauste Stollenwerk, der von Kopf bis Fuß aufs Stürmen eingestellt war, wie ein geölter Blitz ins Gäßchen, und zweimal schlug es innerhalb von zehn Minuten hinter Henig ein. Beide Schüsse kamen kurz aus dem Gelenk und aus vollem Lauf — gegen sie war kein Heilkraut gewachsen. Sie saßen mitten im Schwarzen.

Windmanns gute Idee

Während der Zitronenpause kam Eintrachttrainer Windmann eine gute Idee. Er krempelte das Häuflein der zehn Aufrechten noch einmal um. Der junge Höfer, bis dahin matter glänzend als eine Kunstperle, ging als linker Verteidiger zurück. Kudraß übernahm die Bewachung des Richtkanoniers Schäfer, Heilig bezog seine alte Position, Pfaff rückte wieder in die Linksverbindung, und Dziwoki wechselte vom rechten nach dem linken Flügel, um ein Plätzchen für den invaliden Wloka freizumachen.

Anscheinend wurde der Eintracht aber auch eine Moralspritze verpaßt, denn jetzt brannte auf einmal das Feuer der Begeisterung in den Eintrachtreihen hell und lichterloh. Zunächst freilich mußte sie noch einen dritten Verlusttreffer in Kauf nehmen, als Bechtold ein Duell mit dem nach links ausgebrochenen Breuer verlor, Schäfer dessen flache Hereingabe geschickt täuschend passieren ließ und Dörners flacher 20-m-Schuß am verdutzten Henig vorbei ins Eck zischte. Aber das störte die Riederwälder nicht. Man spürte direkt, wie ein Ruck durch die Mannschaft ging, bisher unentdeckte Energiequellen begannen zu sprudeln, jeder riß sich zusammen, und die Zeit, da der Kölner Geißbock das Spielfeld als sein Weideland betrachten konnte, war vorbei. Jetzt stürmte die Eintracht, und sie stürmte sogar kraftvoller, verbissener und mitreißender als damals beim 5:0 gegen den VfB Stuttgart.

Noch keine fünf Minuten verstrichen, und dann hieß es nur noch 3:2 für die Kölner. Dziwoki, der als Linksaußen fröhliche Wiederauferstehung feierte, wusselte sich im Zickzackkurs durch die rote Deckung, zur rechten Zeit und auf den Zentimeter genau kam der Paß nach rückwärts, und der heranbrausende Weilbächer funkte das Leder mit einer Vehemenz unter die Latte, daß Filmstar De Munck alle Starallüren vergingen.

Pfaffs Metamorphose

Den Kölnern fuhr der Schreck in die Glieder, die Rotjacken sahen überall, wohin sie blickten, nur noch weiß, Pfaff verwandelte sich urplötzlich aus einem Sommerfrischler in einen reißenden Gebirgsbach, er haute auf die Tasten, daß es nur so schepperte, Heilig und Remlein wurden zu Tausendfüßlern, Kreß tauchte an allen Ecken und Enden auf, und der junge Höfer entpuppte sich als ein Verteidiger von Klasse. Er stoppte die wenigen Vorstöße, die den Kölnern noch glückten, mit der Kaltschnäuzigkeit eines Paul Janes und unternahm einige Flügelläufe, wie sie ihm als Linksaußen nicht gelungen waren.

Der Kampf war schon in der ersten Halbzeit herrlich dramatisch und ausgesprochen hochklassig gewesen. Jetzt aber wurde er für alle 35000 ein Erlebnis. Eine wildbewegte Szene folgte der anderen, die Eintracht war einfach nicht mehr zu halten, ein unheimlich aufregendes Ringen um den so nahe gerückten Ausgleich entbrannte, die Kölner wurden in einen Kartoffelsack gesteckt und zugeschnürt, und der einzige, der seinen Kopf noch herausstreckte, war der rotblonde Mittelstürmer Nordmann. Er stand als vorgeschobener Posten allein im Anstoßkreis und sah bangen Herzens zu, wie sich seine übrigen Kameraden mit allen noch verbliebenen Kräften gegen die unentwegt heranflutenden Angriffswellen der Eintracht stemmten.

De Munck hielt phantastisch, ganze Serien von Eckbällen mußten von ihm und seiner massierten Verteidigung abgewehrt werden und alle bewegte nur noch eine Frage: Wie lange wird sich die Kölner Festung halten, wann wird auch sie kapitulieren müssen?

Der komische Herr Eix

In der 60. Minute wurde Dziwoki im Strafraum von Röhrig von hinten umgesäbelt — Zwischenruf „Moppl" Alts: Ein Schulbeispiel für einen Elfmeter — aber Herr Eix aus Emden war genau so mies wie vor acht Tagen Herr Ternieden aus Oberhausen, er pfiff nicht und als einmal Heilig, den ein heiliger Zorn gepackt zu haben schien, allein in den Strafraum vorgedrungen war, bewies Herr Eix zum soundsovielsten Male, daß ihm die Vorteilsregel ein Buch mit sieben Siegeln war — just in dem Augenblick, als Heilig freies Schußfeld hatte, entschied er sich zu einem Freistoß für die Eintracht weit hinter der Strafraumgrenze.

Vier Minuten vor dem Ende aber kam auch Herr Eix um einen Elfmeter-Entscheid zugunsten der Eintracht nicht herum. Kreß hatte in einem seiner grandiosen Sturmläufe drei Kölner überlaufen, als der harte Hartmann die bekannte Notbremse zog. Pfaff war als Schütze auserkoren. Aber er winkte ab. Er war seiner Nerven nicht mehr Herr. Er wollte die Verantwortung nicht übernehmen. So mußte Remlein, der ewig Zuverlässige, heran. Er drückte sich nicht — aber es erging ihm nicht anders als dem Kölner Dörner im Pokalendspiel. Auch ihn ließen im entscheidenden Augenblick die Nerven im Stich. Er wollte ganz sicher gehen — und placierte das Leder flach am Pfosten vorbei. Nicht einmal der tausendmal verdiente Ausgleich blieb der Eintracht vergönnt. Sie blieb geschlagen.

Jubel um den Unterlegenen

Sie blieb geschlagen — aber sie verließ hocherhobenen Hauptes und um jubelt von den 35 000 die Kampfstätte. Sie war in diesem Kampf über sich selbst hinausgewachsen, sie hatte Köln und der Fußballwelt gezeigt, was 'ne Harke ist und wieviel echte Fußballklasse, wieviel Energien und wieviel moralische Kraft in ihr stecken. Es war und bleibt ihr unvergängliches Verdienst, daß dieses Treffen das Gütezeichen „Extraklasse" erhielt und bis zur letzten Sekunde die Massen fesselte.

Ihre Kondition schien endlos wie die endlose Straße zu sein, ihr Spiel funkelte und blitzte in der zweiten Halbzeit wie ein feingeschliffener Diamant und je härter sie das Schicksal traf, desto grimmiger und stählerner wurde ihr Wille, mit ihm fertig zu werden. Vielleicht hatte sie sich zu Beginn des Kampfes zu sehr auf das Abwarten und auf das Kommenlassen des Gegners eingestellt — vielleicht wäre es ratsamer gewesen, ihm gleich energisch in die Parade zu fahren und die Initiative an sich zu reißen. Aber hätte sich die eingeschlagene Taktik am Ende nicht doch als richtig erwiesen, wenn Wloka nicht das Mißgeschick passiert wäre? Einer kompletten Eintracht wäre es wohl zuzutrauen gewesen, den knappen Vorsprung, den Heiligs Meisterschuß nach einem Durchbruch Pfaffs besorgt hatte, erfolgreich zu verteidigen — so leicht wäre es Stollenwerk auf jeden Fall nicht geworden, Henig innerhalb von zehn Minuten auf die Knie zu zwingen. (aus 'Der neue Sport' vom 10.05.1954)

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg