SpVgg Fürth - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1953/54 - 26. Spieltag

1:1 (0:0)

Termin: 27.02.1954
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Eisenmann (Heidelberg)
Tore: 0:1 Alfred Pfaff (72.), 1:1 Engelhardt (87.)

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SpVgg Fürth Eintracht Frankfurt

  • Geißler
  • Bauer
  • Erhardt
  • Mai
  • Vorläufer
  • Gottinger
  • Hoffmann
  • Koch
  • Engelhardt
  • Appis
  • Landleiter

 


 

Trainer
  • Willi Hahnemann
Trainer

Hohe Klasse auf tiefem Boden

Eintrachts Idealsturm gefunden

„Wir haben in dieser Saison einfach kein Glück", klagte Willy Balles, während Schafkopf-Matador Kudraß sein zweites Solo verlor. „Dreimal an die Latte, einmal an den Pfosten — und zum Schluß dieser dumme Ausgleichstreffer. Es ist zum Haarausreißen."

Die Klage war verständlich. Noch nie hatte die Eintracht im Ronhof so gut gespielt wie an diesem naßkalten, regnerischen Samstagnachmittag und noch nie stand sie so nahe vor dem doppelten Punktgewinn auf dem gefährlichen Fürther Boden wie diesmal. Mit nur einer Fingerspitze voll Glück stand die Rutsch-Partie eine Viertelstunde vor Torschluß 3:0 oder auch 4:1 für die Elf vom Riederwald. Aber es war wirklich wie verhext. Dziwoki, Kress und Gonschorek donnerten gegen die Querlatte, daß die Erde erbebte, ein unheimlicher 20-m-Schuß des Ex-Horasers sauste knapp über Bodenhöhe gegen den linken Torpfosten und drehte sich von da ins Aus und als der lange Geißler nach einem schrecklichen Bombardement auf seinen vier Buchstaben saß, köpfte der Pechvogel Dziwoki das Leder aus zwei Metern Entfernung über den leeren Kasten!

Nur ein einzigesmal fand der Ball, der mit jeder Minute an Gewicht zunahm, den Weg ins Geißlersche Hinterhaus, also in seinen Drahtkasten. Das geschah in der 28. Minute der zweiten Hälfte und krönte einen der vielen, glanzvollen Angriffe des in Fürth geborenen Eintracht-Idealismus. Wie Gonschorek am Morgen geträumt hatte — „ich war um 5 Uhr plötzlich aufgewacht und hatte geträumt, Pfaff habe soeben das einzige, siegbringende Tor geschossen" — gelang Alfred Pfaff der Kapitalschuß. Kress hatte eine Steilvorlage zwischen May und Bauer hindurch in den freien Raum bugsiert, Pfaff erlief den Paß, täuschte in seiner unnachahmlichen Manier die anstürmenden Vorläufer und Gottinger, Dziwoki lenkte den Querpaß sofort wieder an den weiter nach vorne gepreschten „Weltmeisterschaftsaspiranten" weiter und die Wucht des mannshohen Schusses war auch für den brillanten Geißler zu groß. Bis der Fürther Zerberus die Hände hochreißen konnte, hatte es einen dumpfen Schlag getan — und die Eintracht sah den Himmel voller Geigen. Dieser Kernschuß mußte zum Sieg, zum vielleicht alles entscheidenden Sieg ausreichen.

Er tat ihr jedoch nicht den Gefallen. Just jene ominöse 87. Minute, in der die Eintracht voriges Jahr noch so manches Eisen aus dem Glutofen geholt hatte, wurde ihr diesmal zum Verhängnis. Die Fürther hatten bereits aufgesteckt und sich mit dem Gedanken abgefunden, ohne Spesenzuschuß in die letzten närrischen Tage gehen zu müssen. Da passierte das Mißgeschick. Kudraß wollte, als er Hofmann das Leder abgejagt hatte, den Ball zu Remlein schieben, statt ihn irgendwohin zu dreschen — am besten übers Tribünendach, wie es Reichert im Vorspiel der Reserven vordemonstriert hatte — Gottinger kam Remlein jedoch um die berühmte Nasenlänge zuvor, Bechtold erreichte zwar den mit unheimlicher Fahrt hereinschwirrenden Flankenball noch, schoß aber unglücklicherweise Landleitner an, der Bali prallte dem völlig freistehenden, blutjungen Engelhardt vor die Füße und Heilig schnellte umsonst wie ein fliegender Fisch in die Höhe — der so leicht vermeidbare Ausgleich war da, und der erste Sieg in Fürth dahin. So wütend auch Henig seine Mütze in den Schlamm schmiß und so klagend Wloka die Fäuste gegen den bleigrauen Regenhimmel ballte — alles Jammern war umsonst, es änderte nichts an der nackten Tatsache, daß die Eintracht einen diamantenen Punkt leichtfertig wie ein Nachkriegs-Krösus verschenkt hatte.

Gonschoreks come back

Der einzige Trost, der den Frankfurtern blieb, war das Bewußtsein, in Fürth einen prachtvollen, hochklassigen Kampf geliefert — „Die Eintracht war die beste Mannschaft, die wir dieses Jahr in Nürnberg/Fürth gesehen haben", bekannten uns die beiden Nürnberger Kollegen, die uns Gesellschaft leisteten — und endlich die langgesuchte, ideale Sturm-Formation gefunden zu haben. Erstmals vertraute man dem Exbornheimer Gonschorek die Sturmführung an, der in den Spielen der Reserve wieder der alte „goal-getter" geworden ist und Richard Kress sah seinen Wunschtraum in Erfüllung gehen — er bildete mit Pfaff zusammen den linken Flügel. Das Experiment, seit Monaten geplant und bis zur letzten Sekunde geheimgehalten, wurde zum Schlag ins Kontor — das Quintett Dziwoki, Weilbächer, Gonschorek, Kress, Pfaff wurde zu einem echten Meisterquintett, es harmonierte zusammen wie die „Comedian Harmonists", und spielte zügiger, druckvoller und mitreißender als selbst jener Eintrachtsturm, der die Deckung des VfB Stuttgart in Stücke schlug und Straßenschotter aus ihr machte.

Gonschorek hatte — er gestand es uns auf der Fahrt — vor seinem „come back" mächtigen Bammel. Aber mit dem Anstoß verlor er alles Lampenfieber, er war, wie man so sagt, sofort im Bilde, rochierte überlegt nach links und rechts, verriet in jeder Handlung seine hohe Spielintelligenz, hielt das Spiel in Fluß, feuerte einige Schüsse ab, die mit Dynamit geladen waren und machte Vorläufer diesen gar nicht frohen Samstagnachmittag zur Hölle. Richard Kress aber fühlte sich in dem weiten Spielraum, der sich ihm als Verbinder auftat, wie der Hecht im Karpfenteich, er war gesundheitlich zwar nicht ganz auf der Höhe, aber er war maßgebend an dem mörderischen Tempo schuld, in dem der Kampf trotz des aufgewühlten, schmierigen und tiefen Bodens bis zum Ende durchgekämpft wurde, er hetzte May, wie er Schlienz gehetzt hatte, schleppte in tollen 50- und 60-m-Spurts die Bälle aus der eigenen Abwehr in den Fürther Strafraum, überrannte x mal in urplötzlichem Düsenjäger-Antritt die gesamte gegnerische Deckung, riß das Kommando an sich, und erntete für einige Alleingänge — man traute seinen Ohren nicht recht, aber es war so! — Beifall auf offener Szene! „So schnell war der Morlocks Maxi nicht einmal vor vier Jahren", sagte einer der „Cluberer", die auf der schützenden Tribüne Platz genommen hatten — „einen solchen Halbstürmer hab' ich seit Heiner Trag nicht mehr gesehen".

Geradezu ein Gedicht war sein Slalom-Lauf in der 18. Minute. Wie ein Wirbelwind brauste Kress über den Morast, May, Vorläufer, Bauer sahen nur noch einen Schatten an sich vorbeihuschen, und mit einemmal stand Kress allein am Elfmeterpunkt vor dem herausgestürzten Geißler. Er wollte auch an dieser letzten Hürde noch vorbei — aber der Fürther riß in einer Klasse-Robinsonade das Leder in seine langen Arme, und die größte Chance des ganzen dramatischen und wildbewegten Ringens war vorbei. Schade darum — selbst die Fürther Anhänger, die sich unter ihren Regenschirmen zusammenkauerten, hätten gejubelt, wäre der Sprinter Kress mit dem Ball am Fuß über die Ziellinie, d. h. ins Tor gerannt.

Dziwoki zu übereifrig

Pfaff zauberte und bezauberte, er foppte die Fürther, daß ihnen die Augen troffen und war springlebendig wie ein Fohlen. Weilbächer verzettelte sich etwas zu sehr im Kleinkrieg mit seinem Mittwochspartner Gottinger, und Erich Dziwoki schoß mal wieder in seinem ungestümen Angriffsdrang über das Maß hinaus — er verlor dadurch in entscheidenden Augenblicken die Ruhe und den klaren Blick und versiebte einige Chancen, die nur mit Gold aufgewogen werden konnten. Ehrhardt wurde oft versetzt, aber dann fehlte dem Posthörnchen-Wirt die Kaltblütigkeit und das Konzentrationsvermögen, seine Pässe gingen irr und seine Schüsse daneben oder darüber!

Remlein, todernst und von Kopf bis Fuß auf Sachlichkeit eingestellt, übertraf mit dem vorsichtiger und konsequenter als sonst deckenden Heilig in der Wirkung die Internationalen May und Gottinger. An Wlokas Eisenschädel und langen flinken Beinen zerbrachen alle Fürther Durchstoßversuche in der Mitte, Bechtold und Kudraß nahm die gefährlichen Flügelleute Landleitner und Hofmann fest an die Kandare; sie arbeiteten unauffällig, aber energisch, wohlüberlegt und klarlinig, und Henig ließ. sich nicht überraschen. Er stand immer richtig, reagierte bei einigen Bombenschüssen mit verblüffender Schnelligkeit und war der rechte Schlußmann für die Klasseelf, die sich Eintracht nannte.

Die Fürther wuchsen mit ihrem Kontrahenten. Auch sie drehten den Wasserhahn bis zum letzten Gewind auf, sie knieten sich mit einer Leidenschaft hinein, die selbst ihren Landsleuten fremd vorkam, und spielten einen feinen geistvollen Kombinationsfußball. Im Sturm waren die Flügel die Antriebsmotoren, und der Halbrechte Koch der Mann, der den Brei anrührte, der junge Engelhardt verriet schöne Veranlagung und Appis die Routine des alten Praktikers. May und Gottinger standen im Windschatten des Eintrachtquadrats Kreß, Weilbächer, Remlein, Heilig. Vorläufer verwandelte sich häufig in einen Bremser, und Bauer und Ehrhardt stellten die Abseitsfalle mit der Meisterschaft eines Wilddiebs. Es war zwar ein reichlich riskantes Spiel — aber sie konnten sich's leisten, weil die beiden Linienrichter höllisch scharf aufpaßten! Geißler war mit einem Wort Klasse.

Auf Schiedsrichter Eisemann aus Heidelberg paßte der alte Spruch: „Klein, aber oho!" Wenn er wie ein Windhund über das Feld. spritzte, mußte man unwillkürlich an den Regensburger Ruhmann denken — er führte praktisch vor, was es heißt, immer auf Ballhöhe zu sein. Im übrigen tat er das Klügste, was er tun konnte, er ließ erst gar keinen Zweifel aufkommen, wer Herr im Hause sei, kümmerte sich einen Pfifferling um das Geschrei von außen und pfiff so exakt und korrekt, daß am Ende alles einer Meinung war: Ein großartiger Schiedsrichter. (aus 'Der neue Sport' vom 01.03.1954)

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