Hessen Kassel - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1953/54 - 20. Spieltag
1:0 (0:0)
Termin: 17.01.1954
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Dusch (Kaiserslautern)
Tore: 1:0 Dinger (60.)
Hessen Kassel | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Pfaffs mißglückter Elfmeterschuß Scharfer Wind in Kassel Für Kassel war das Gastspiel des Süddeutschen Meisters „das Spiel der Spiele", nicht nur, weil sich die in den beiden letzten Jahren zweifellos beständigste Mannschaft des Südens in der nordhessischen Metropole vorstellte, nein, dieses Spiel hatte auch seine „Geschichte". Es ist bekannt, daß man zwar während der Triestkrise einen Italiener durchaus mit einem Jugoslawen in der FIFA-Elf spielen lassen konnte, aber, wenn ein Frankfurter mit einem Kasselaner zusammenkommt, so ist dies die Berührung des Wassers mit dem Feuer. So etwas führt bekanntlich zum Brodeln. Und wie es brodelte! Die Kasseler Schlachtenbummler beim Spiel in der ersten Runde in Frankfurt sollen nicht gerade gentlemanlike behandelt worden sein am Riederwald. Die FSVler wurden im Kasseler Aue-Stadion vor einigen Wochen auch nicht „gerade als liebe Gäste" empfangen. Und so zieht eines das andere nach sich. Trotzdem muß man die Unfairneß eines Teiles der 30000 Zuschauer, die das Aue-Oval an der Frankfurter Straße bis auf den letzten Platz füllten, scharf verurteilen, die beim Erscheinen der Eintracht auf dem Felde Pfiffe ertönen ließen. Die Eintracht merkte, daß ein scharfer Nordwest in Kassel pfiff. Dies ist nicht nur meteorologisch auszulegen. Es schien, als hätte dies dazu beigetragen, daß die Adlerträger diesmal vom Löwen völlig verspeist wurden, und dies führt von der Atmosphäre des Kampfes zum Spiel direkt hin. Die Hessen zeigten eine spielerische und kämpferische Leistung, wie man sie von der Elf selten sah. Rudi Gellesch hatte erfreulicherweise das richtige Rezept gemischt. Härte in der Deckung, aber offensives Läuferspiel, soweit möglich, und elanvolles Stürmen. Was die Härte anbetrifft, so mag dies für die Eintracht unangenehm gewesen sein, aber Schiedsrichter Dusch aus Kaiserslautern war der richtige Mann an der richtigen Stelle. Er pfiff jede Regelwidrigkeit erbarmungslos ab und behielt die Zügel — wenn er auch nach der Pause manchmal etwas aus dem Konzept zu geraten schien — in seinen Händen. Kreß hatte nach drei Minuten zweimal den Ball in Besitz gehabt, aber auch zweimal war er so hart genommen worden, daß er zu Boden gehen mußte. (Zwischenfrage auf der Tribüne von einem „Experten": Der Neuner, der spielte früher im Tor?) In der ersten Halbzeit hatten die Hessen zweifellos mehr vom Spiel. Bis auf 3:0 stieg das Eckenverhältnis an, aber ein Tor wurde nicht erzielt. Es war viel Pech dabei, als Schmied einen halbhohen Flankenball von Dinger kurz vor dem zur Salzsäule erstarrenden Henig im Hechtsprung mit dem Kopf um Millimeter verfehlte, als Schmidt einen von Metzner getretenen Eckball in herrlichem Sprung um Zentimeter an der langen Torecke vorbei drehte, als Schmidt in der 37. Minute bei einer turbulenten Situation vor dem Eintracht-Tor nicht an den Ball herankam, der nur noch auf einen sanften Kick wartete, um sich im Netz zu verfangen. Es war aber auch manches Mal das Können eine Henigs, der nach sauberem Durchspiel von Hellwig an Schmidt den scharfen Schuß am Pfosten der kurzen Ecke tötete, und es war die Routine eines Kudraß, der in der 22. Minute bei einem aus dem Gewühl heraus überraschend kommenden Schutz Metzners wie aus dem Boden gewachsen in der kurzen Torecke stand und den Ball ins Feld zurückdrosch. Diese Schilderung könnte den Eindruck erwecken, als habe die Eintracht nur Zeit gefunden, ihr Tor zu verteidigen. So war es in, dessen auch wieder nicht. Laue mußte zu Anfang des Spiels vor dem blitzschnell auftauchenden Kreß eine zu kurze Rückgabe von Hutfles an sich reißen, und Oettler eine gefährlich flache Hereingabe Ebelings im Fallen aufhalten. Alles aber hätte nichts genutzt, wenn Pfaff in der 19. Minute nicht einen Foulelfmeter wirklich „versaut" hätte. Anders kann man das Verschießen dieses Strafstoßes nicht bezeichnen, der weit am oberen Toreck vorbeiflog. Ein Fehlschlag Oettlers brachte Dziwoki in Schußposition, doch Dziwoki wollte noch den zur Rettung heranfliegenden Zimmer ausspielen. Zimmer zog die Notbremse, als der kleine schwarzhaarige Rechtsaußen ihn halb passiert hatte, und da ertönte der Pfiff des Schiedsrichters. Wer weiß, wie das Spiel gelaufen wäre, wenn Pfaff Nerven gehabt hätte, diese einmalige Chance wahrzunehmen. Bei Halbzeit waren sich alle im klaren, daß eine 1:0- oder 2:1-Führung der Kasseler dem Spielverlauf entsprochen hätte. Würden die Kasseler das Tempo durchstehen, würde es ihnen weiter gelingen, die Eintracht an der Entfaltung ihres wahren Könnens zu hindern? Das war die Frage, die mancher auf den Zuschauerrängen während der Pause stellte. Die Hessen begannen auch die zweite Hälfte mit stürmischen Angriffen, und Henig mußte sofort bei einem Schuß Metzners in die bedrohte Ecke fliegen, um das 1:0 zu verhindern. Bis zur 60. Minute stieg das Eckenkonto auf 13:0 für die Hessen an, aber hätte Dziwoki nach genau einer Stunde Spielzeit konzentrierter geschossen, als er auf dem Elfmeterpunkt an den Ball kam, hätten die Gäste doch geführt. Zwei Minuten später aber erreichte das Spiel seinen Höhepunkt, als Dinger mit seinem Prachtschuß Sieg und Punkte für die Hessen erkämpfte. Schmidts Flanke prallte von einem Eintracht-Verteidiger weit ins Feld zurück. Dinger, aus dem Mittelfeld herbeieilend, nahm den Ball etwa 25 Meter vor Henigs Tor direkt mit dem Spann, und wie eine Granate fuhr das Leder in die obere Torecke. Der Jubelschrei der 30000 ließ die Luft aufzittern, und selbst Laue eilte zur Gratulation in die Mitte. In der 72. Minute entwischte Kreß seinem Bewacher, von links hereinstürmend, aber dieses Mal war Duschs Pfiff fehl am Platze. Weilbächers Schuß ins leere Tor war wertlos, und auch der Freistoß der Eintracht verpuffte wirkungslos. Die Frankfurter Gäste versuchten ihr Heil durch
zahlreiche Urnstellungen (unter anderen Heilig in den Sturm, Pfaff Läufer
und Kreß Rechtsaußen). Aber obwohl sie jetzt mehr und mehr
ins Spiel kamen, winkte doch den Hessen das zweite Tor. In der 81. Minute
stand Schmidt nach einem Paß von Hellwig mutterseelenallein vor
Henig. Aber dieser verkürzte den Schußwinkel, und tatsächlich
schoß ihn der Kasseler auch an. Eine Minute später prallte
ein Schuß Metzners von der Querlatte zurück. Es erübrigt
sich, die letzten neun Minuten zu schildern. Zehn kopflos stürmenden
Eintrachtlern stand eine vielbeinig verteidigende Hessen-Elf entgegen,
die jeden erreichbaren Ball weit nach vorne oder in die Zuschauer drosch.
Torwart Laue, Oettler, beide Außenläufer und das famose Innentrio,
in dem Metzner wieder hervorragend spielte, waren Kassels Beste. Bei der
Eintracht sind Henig, Remlein, Dziwoki und besonders nach der Pause Kreß
als diejenigen zu nennen, die noch am ehesten an ihre normale Form anknüpften.
(aus 'Der neue Sport' vom 18.01.1954) |