Stuttgarter Kickers - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1953/54 - 19. Spieltag
1:2 (0:1)
Termin: 10.01.1954
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 0:1 Werner Heilig (30.), 0:2 Richard Kreß (70.), 1:2 Ritter (85.)
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintracht setzt sich weiter ab Es geht nicht anders, man muß wieder das alte Lied anstimmen: Das Lied von denen, die drängen, und von den anderen, die die Tore schießen. Jawohl, die Kickers drängten. Sie fingen an wie Schneepflüge mit Rennwagenmotoren, und sie hörten auf wie Schneepflüge mit Rennwagenmotoren. Sie waren mit gutem Willen und Kondition für die doppelte Spielzeit voll getankt. Sie rollten und rollten heran und gaben die Hoffnung nicht auf. Nur sie überrollten die Eintracht nicht, sie schweißten sie nur immer fester zusammen. Was schadete es diesem undurchdringlichen Riederwälder Abwehrring, der sich notfalls bis auf zehn Mann verstärkte, daß Wloka den Ball meistens nur halb traf. Hauptsache, er traf ihn. Was nutzte es den Kickers, daß Remlein im Degerlocher Schnee doch einen Teil seiner Ballsicherheit einbüßte? Hauptsache, er stand dazwischen. Und die anderen wurden als Abwehrelemente nie härter und geschlossener gesehen. Henig warf sich in die Schüsse und in die Barriere, daß man sich jedesmal wunderte, wenn er sich wieder erhob. Unüberwindbarer Henig Aber Helmut war diesmal unverwundbar. Alle kleinen Schwächen fielen von ihm ab, als sich die Eintracht wieder einmal seit langer Zeit in echter Bedrängnis befand. Und nachdem er gleich in den ersten drei Minuten ein Dutzendmal in den Schnee tauchen mußte, war er wieder ganz der, den Herberger vor Jahresfrist ins Herz schloß. Wenn einer nicht mehr aufstand, dann war es sein Gegner, der sich anmaßte, sich in einen Zweikampf mit dem Eintrachttormann einzulassen. Dreher verbrachte zehn Minuten in ärztlicher Behandlung, als er Mitte der ersten Halbzeit seinem Bewacher einmal ausriß, ein Fehler war, daß er einen Schritt zuviel machte und so Henig Gelegenheit gab, sich quer vor ihn hinzustürzen. Helmut hätte bei dieser Szene genau so gut verletzt werden können wie der Stuttgarter, aber er war wieder einmal mit dem Fußballgott im Bunde. Daß ausgerechnet in der Zeit, als die Kickers-Mannschaft nur aus zehn Mann bestand, das Führungstor der Eintracht fiel, war jedoch reiner Zufall. Schon vorher wurden die Umrisse des Außenläuferspiels der Eintracht langsam erkennbar. Schon vorher gab es Szenen, wo Heilig und Remlein nicht nur für den Augenblick arbeiteten, wie in der ersten Viertelstunde, sondern die Lage für spätere Taten sondierten. Was sich dabei ergab, war allerdings nicht ganz und gar erfreulich. Pfaff fiel bis kurz vor Schluß als Dirigent aus. Er konnte sich mit dem durch Schneeräumer zusammengepreßten Pulverschnee einfach nicht abfinden, obwohl sein Bewacher Lechler keineswegs das Format eines überdurchschnittlichen Deckungsspielers erreichte. Da auch Weilbächer in der Rolle des unermüdlichen Ballbringers steckenblieb, trieb der Angriff steuermannslos dahin. In der Not wurde aber wieder einmal die neue Tugend der Eintracht wirksam, daß, wenn einer wankt, der andere um so fester steht. Heiligs Prachtschuß aus 30 Meter Dziwoki und Kreß waren diesmal so stark, daß sie sich auch ohne Hilfe durchsetzen konnten. Selbst Abwehrspieler vom Rang eines Eberle und eines Fauser, die keineswegs versagten, konnten ihre gefährlichen Einbrüche auf die Dauer nicht vermeiden. Immerhin blieb den Läufern viel selbst überlassen, und immerhin war der Kontakt zwischen Abwehr und Angriff diesmal nicht so eng wie sonst bei den Riederwäldern gewohnt. Um alle Eventualitäten auszuschließen, schoß Heilig, der alte Recke, schließlich das erste Tor ganz allein. Sein Schuß wog ein Dutzend Stuttgarter Schüsse auf. Er feuerte ihn aus gut dreißig Meter Entfernung ab, in jenen Bezirken, wo die Läufer noch auf die leichte Schulter genommen werden, wo man sie lieber gewähren läßt, als anzugreifen, um die Tordeckung nicht aufzulockern. Das darf man sich bei Heilig jedoch nicht leisten. Der unverwüstliche Werner nahm eine Vorlage von Ebeling mit der Gewissenhaftigkeit eines Mathematikers und schlug dann zu mit der Wucht eines Dampfhammers. Der Ball fuhr ins kurze Eck wie ein Schlitten. Bechtold warf sich zu spät. Von jetzt an bis zum Wechsel gelang es den Außenläufern, auch ohne entscheidende Unterstützung der Verbinder, die immer noch nicht Herr der Lage waren, allein, zuerst die Ausgeglichenheit und schließlich sogar eine leichte Ueberlegenheit der Riederwälder zu erzwingen. Für diese Phase schüttelten die Eintracht-Verteidiger ihre letzten Unsicherheiten ab, und da Dreher leicht lahmte, war Stuttgart im Grunde bereits jetzt geschlagen. Aber wer wollte das wahrhaben von den Kickers und von den siebentausend Zuschauern, die sich durch den Winterwald auf den Degerlocher Berg gearbeitet hatten? Die Kickers tobten nach dem Wiederanpfiff mit verdoppelter
Kraft los. Aber da ihr Ersatzmann Schulz, der den verletzten Pflum auf
Linksaußen vertrat, bei Bechtold glatt unterging, da auch Wünsch
bei Kudras gut aufgehoben war, blieb nur der Weg durch die Mitte. Statt
Tore gab es in der Mitte aber nur ein Tohuwabohu, in der die Abwehrspieler
alle Vorteile für sich hatten. Sie brauchten nur ins Gelände
zu kicken. Die Stürmer aber mußten das Tor treffen. Als sich
die Zusammenballungen denn doch einmal lockerten, schossen die Riederwälder
ein Tor statt die Stuttgarter. In diesen Augenblicken, als es galt, die
Chancen auszunutzen, offenbarte sich klar die Klasse des Tabellenführers.
Das Tor schoß Kreß, der damit seine Aufwärtsentwicklung
besiegelte. Er schoß es aus 16 Meter in einem Augenblick, wo er
noch vor acht Tagen mit tödlicher Sicherheit gerannt wäre. Alle
Anzeichen sprechen dafür, daß er auf dem Wege ist, seinen angeborenen
Fußballverstand wieder in alter Weise zu gebrauchen. Später
schoß Ritter in einem neuerlich sich anbahnenden Tohuwabohu im Eintracht-Strafraum
doch noch den Ehrentreffer und sechs Minuten lang bis zum Schluß
zitterte die Eintracht noch einmal um den Sieg. (aus 'Der neue Sport'
vom 11.01.1954) |