Eintracht Frankfurt - Jahn Regensburg

Oberliga Süd 1953/54 - 15. Spieltag

1:1 (1:0)

Termin: 06.12.1953
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Krämer (Stuttgart)
Tore: 1:0 Alfred Pfaff (2.), 1:1 Hubeny (56.)

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Eintracht Frankfurt Jahn Regensburg

 


  • Bahlke
  • Effenhauser
  • Wagner
  • Schamriß
  • Bayerlein
  • Popp
  • Pinkert
  • Gehring
  • Hubeny
  • Nöth
  • Gleißner

 

Trainer Trainer
  • Franz Binder

Eintracht wachte zu spät auf

So geht's, wenn man zu spät erwacht! Als Pfaff bereits in der zweiten Spielminute von der rechten Strafraumecke aus einen Freistoß durch die Regensburger Mauer hindurch ins äußerste Eck placierte hatte, unhaltbar für den phänomenalen Bahlke — glaubte die Eintracht, sich ausruhen und auf den zweiten Gang rückschalten zu können.

Es war ein verhängnisvoller Irrtum. Das lasche pomadige Spiel des neugebackenen Herbstmeisters weckte nur die Lebensgeister der Donaustädter, sie wurden von Minute zu Minute quirliger und unternehmungslustiger und als eine Verletzung ihren Stopper Bayerlein bereits vor Ablauf der ersten Viertelstunde zum Statisten machte (der sich am rechten Flügel kaum noch auf den Beinen halten konnte) — legten sie, statt zu resignieren, noch einmal einen Zahn zu. Der Exnürnberger Gehring, der als Stürmer die Schwächen der umgebauten und durch Wlokas Fehlen erheblich geschwächten Eintrachtdeckung bloßgelegt hatte, entfaltete als Läufer eine ungeheure Aktivität, das „Fliegengewicht" Popp durchkreuzte sämtliche Ideen Weilbächers und auch der Exfürther Nöth taute zusehends auf.

Weil alle Regensburger rasche Starter waren, jeder die Zehntelsekunde schneller am Ball war als die Frankfurter, alle Feldspieler ständig in Bewegung waren und sofort in den leeren Raum liefen, wenn das Leder in den Besitz einer Rotjacke gelangte und weil vor allem die Paßbälle der Gäste stets an den rechten Mann kamen, obwohl sei zumeist auf längere Distanz abgestimmt waren, als die der Eintrachtler — aus all diesen Gründen war es nicht verwunderlich, wenn die Regensburger mehr und mehr in den Vordergrund traten und bis zur Pause bereits etliche dicke Ausgleichschancen herausarbeiteten. Einmal lenkte der wusselige Pinkert, nachdem er auch noch den herausgestürzten Henig umgangen hatte, am leeren Tor vorbei, ein andermal rettete Remlein nach einem Hubeny-Schuß gerade noch auf der Linie und unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff warf sich Henig, nachdem er eine Ecke zu kurz gefaustet hatte, geistesgegenwärtig nach rückwärts, als Hubenys Nachschuß anschwirrte.

Motor auf zwei Zylindern

Die Eintracht schien sich selbst eingelullt zu haben. Die Abwehr hatte durch die Umstellung ihre Stabilität und Ruhe verloren, Bechtold wurde mit dem schlauen Hubeny nicht fertig, Krömmelbein beging eklatante Deckungsfehler, Henig wurde zum Nervenbündel und ließ selbst leichte Bälle wieder fallen und im Angriff stand man zuviel und kombinierte nicht flüssig und nicht exakt genug. Den jungen Bayer am linken Flügel plagte das Lampenfieber, Weilbächer kam nicht auf Touren und darunter litt natürlich auch Dziwoki und Kreß wurde zu wenig und dann nur schlecht bedient. Es lag in erster Linie an der mangelnden Konzentration Pfaffs, der in seinen alten Trott verfiel, zumeist zuweit hinten hing und mit seinem Abspiel zu lange zögerte. Nur der ruhige, aufmerksame Kudraß und der kaltblütige Remlein, der in allen Spielphasen klaren Blick behielt, standen hundertprozentig ihren Mann — aber auf zwei Zylinder vermag kein Sechszylindermotor zu laufen.

Dramatische zweite Hälfte

Elf Minuten nach dem Wechsel, als Bahlke eben einen Dreimeterschuß Dziwokis noch auf der Linie an sich gerissen hatte, traf die Eintracht ein böser Schlag. Das Leder wurde im schnellen Gegenstoß am rechten Flügel vorgetragen und ehe Henig wußte, wie ihm geschah, hatte Hubeny die Flanke elegant und raffiniert ins lange Eck abgefälscht. Erst jetzt wachte die Eintracht auf — erst jetzt begann sie zu kämpfen und zu zeigen, was wirklich in ihr steckt. Remlein und Heilig, der mit Krömmelbein getauscht hatte, sorgten für ständigen Nachschub, und im Sturm ging man endlich zu schnellem und direktem Steilspiel über. Pfaff wurde zum Anlasser und Initiator einer Serie zügiger Angriffe, Dziwoki brannte vor Energie, Weilbächer gewann sichtlich die Oberhand über seinen Bewacher, und Kreß unternahm etliche wuchtige Sologänge. Aber es war zu spät. Die Abwehr der Regensburger verdichtete sich immer mehr, die Aussicht, einen unverhofften Punkt erben zu können, schweißte die ganze Elf zu einem einzigen Abwehrblock zusammen und der lange Ex-Neckarauer Bahlke schien sich zu verzehnfachen. Er hielt einfach alles — auch die unmöglichsten und unhaltbarsten Bälle. Bomben von Weilbächer und Dziwoki tötete er mit stoischer Ruhe, und als Weilbächer wieder einmal von Kreß freigespielt worden war und das Leder halbhoch und scharf ins obere Dreieck jagte, riß Bahlke instinktiv den Arm hoch und faustete das Leder in einer klassischen Parade zur Ecke.

Der Kampf wurde immer dramatischer und aufregender, die Eintracht warf alles nach vorne und nagelte die Regensburger in ihrer Hälfte fest, eine tolle Torszene und eine Ecke löste die andere ab — aber jetzt stellte sich auch das Glück gegen die Hausherren. Als nach einer wilden Kanonade der junge Bayer das Leder direkt auf den Schlappen bekam, war auch Bahlkes Kunst zu Ende. Aber die Latte sprang für ihn ein, der Ball sauste mit Vehemenz dagegen und den Rückpraller-beförderte Schamriß vollends aus der Gefahrenzone hinaus. Selbst die 87. Minute half diesmal der Eintracht nicht mehr und auch eine Eckballserie in den beiden Schlußminuten brachte nichts mehr ein — der Punkt war flöten und unwiederbringlich dahin.

Eine heilsame Lehre?

Das Remis mag der Eintracht als Lehre dienen. Sie wußte, daß mit Jahn nicht gut Kirschen essen ist und war durch die bittere Erfahrung, die die Offenbacher hatten machen müssen, gewarnt. Hätte sie die 90 Minuten lang mit der gleichen Kraftanstrengung, mit der gleichen Entschlossenheit und mit der gleichen Konzentration gekämpft, wäre ihr und ihren Anhängern diese Enttäuschung erspart geblieben. Daß das Experiment mit Bayer fehlschlug, war nicht entscheidend — entscheidend war die Laschheit, mit der man glaubte, die Geschichte jonglieren zu können. Henig wird den schwarzen Tag so schnell wohl kaum vergessen, und der Eintracht-Sturm wird eingesehen haben, daß es ohne Stellungsspiel nicht geht und daß das Spiel ohne Ball genau so wichtig wie das mit dem runden Leder ist.

Der Jahn-Elf kann man nur ein Kompliment machen. Sie spielte einen intelligenten, flinken und wohlüberlegten Fußball und entpuppte sich als ausgeglichene, gut aufeinander abgestimmte Einheit, deren moralische Kraft genau so imponierte wie ihr spielerisches Können. Gehring, Nöth und Popp hießen die eigentlichen Spielmacher, Hubeny war ein wirklicher Angriffsführer, dem schwer beizukommen war, die Dreierlinie Wagner, Schamriß (der für Bayerlein einen vollwertigen Stopper abgab) und Effenhauser kämpfte hart und wuchtig, und Bahlke war der Mann des Tages — ein Klassetorwart, der sich seit seiner Abwanderung aus Mannheim erstaunlich verbessert hat.

Krämer-Stuttgart wollte von der Vorteilsregel, aber auch von Elfmetern nichts wissen — sonst griff er stets rechtzeitig ein, wenn sich die Gemüter erhitzen wollten. (aus 'Der neue Sport' vom 07.12.1953)

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