VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1953/54 - 8. Spieltag
1:0 (1:0)
Termin: 04.10.1953
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Meißner (Nürnberg)
Tore: 1:0 Baitinger (6.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Trainer |
Eintracht imponierte den Schwaben „Das ist das Spiel des Jahres. Sowas hab ich noch net gesehe", überschlug sich ein biederer Schwabe während der zweiten Halbzeit ein über das andere Mal unter der Pressetribüne. Sein Mostgesicht glühte wie ein Gefahrensignal. Die Eintracht ging endlich aus sich heraus. Endlich bekamen die Stuttgarter einen Begriff von dem 27-Tore-Sturm. Sie nahmen den Hut ab, falls sie es nicht schon unter der herbstlichen Sonne getan hatten. In diesen Minuten war alles wie zu den größten Zeiten der Riederwälder. Dziwoki und Weilbächer keilten sich in den Stuttgarter Strafraum ein, Pfaff tupfte die Bälle an seine Nebenleute weiter und Geier schaukelte mit seinem merkwürdigen Laufspiel an Bühler vorbei, daß dieser vor ohnmächtiger Wut schnaufte. Es war alles wie sonst. Nur eines fehlte. Ein Kreß mit dem Normalspielraum. Er ging nicht unter, aber es gelang ihm auch nicht, sich von seinem Gegner zu lösen. Dieser Gegner allerdings hieß Retter, der noch nie so augenfällig seine internationale Klasse demonstrierte wie gegen den blonden Richard aus Horas. Große Zweikämpfe Retter—Kreß Wenn Retter rempelte, bekam Kreß die Kurve nicht mehr. Mit diesen Remplern, die stets die Grenze des Erlaubten streiften, aber auch nur streiften, zermürbte er den Riederwälder Angriffsführer eine Halbzeit lang methodisch. Und als sich Kreß schließlich nach der Pause in die zweite Angriffslinie zurückzog, um von hier aus seine Vorstöße anzusetzen, war seine Explosivität verbraucht. Nur drei- oder viermal blieb er nicht hängen, sonst immer. Das soll jedoch beileibe nicht heißen, daß er seine außergewöhnliche Befähigung nicht auch im Neckarstadion gezeigt hat. So fußballverständige Leute wie der unvergeßene Otterbach verzeichneten sein Erscheinen trotz alledem als einen der seltenen Talentskometen, die des Fachmanns Fußballherz erfreuen. Aber was nützte das alles. Kreß gelang es diesmal nicht, an mehr als an einem Mann vorbeizukommen. Es fehlten die Szenen, wo er den ganzen Strafraum leerfegt, um seinen Nebenmann in Schußposition zu bringen. Nur so ist zu erklären, daß die Eintracht trotz einer kämpferischen Leistung, mit der sie sich tief in den Rasen des Neckarstadions einkratzte, kein Tor schoß. Nur einmal stand einer in der zweiten Halbzeit allein vor Bögelein. Das war ein Läufer, er war Krömmelbein. Krömmelbein aber leidet bei aller Qualität unter dem Strafraumkomplex. Er wartete am Elfmeterpunkt so lange, bis Bögelein das Leder und den möglichen Punkt unter sich begrub. Die Riederwälder steckten allerdings nicht auf, auch nicht, als Wloka 17 Minuten vor Schluß verletzt aus einer heiklen Strafraumszene hervorging und mit zusammengebissenen Zähnen nach Rechtsaußen wechselte. Die Kämpferherzen blieben ungebrochen, auch wenn sich die Angriffswucht nun oft in einer falschen Richtung verlor. Man sah rot — in doppeltem Sinn. Toller Schwaben-Start Hätte man es nur gleich getan. Die Roten aus Stuttgart begannen mit einem aufregenden Start. Als Heilig noch nicht den Anschluß gefunden hatte, als Kudras, der Unfehlbare, in den Strudel, der hinter Heilig entstand, manchmal unterging, kurz, als die Eintrachtdeckung im Schmelztiegel schmorte, ohne in sich verschmolzen zu sein, führte der VfB fünfzehn Minuten lang einen Tanz auf, daß den Riederwäldern das Herz stockte. Es blieb nur eine Rettung: Tanzen lassen und dann angreifen. Vier, fünf Tormänner warfen sich schließlich in die Schüsse der Blessing, Baitinger und Kronenbitter und der beste Torwart war Wloka, der seinen Schädel überall hatte. Im Hintergrund promenierte Schlienz über das Feld und spielte den Souveränen. Er tat es jedoch nur eine Viertelstunde lang, dann mußte er wohl oder übel das Zepter an Pfaff abgeben, der auch mit achtzigprozentiger Form seinen Gegner immer mehr in den Hintergrund drängte. Um diese Zeit aber war die Eintracht durch eine Schlienzsche Kraftleistung bereits 1:0 geschlagen. Der Stuttgarter rechte Läufer preschte einmal langsam nach vorne, wo Baitinger sich hinter dem Rücken von Bechtold freigelaufen hatte, schon blitzte der Paß zu dem VfB-Linksaußen hinüber, der um Wloka herumkam, von Wloka wieder gestellt wurde, sich aber auch von dem heranstürmenden Bechtold nicht mehr beeindrucken ließ und das Leder aus der Umklammerung heraus ins nächstliegende Eck setzte. Ein eklatantes Beispiel der Verwirrung, die eine Viertelstunde lang in der Eintrachtdeckung herrschte. Famose Paraden Bögeleins Das Verdienst, die Nervosität in der eigenen Mannschaft geschlichtet zu haben, gebührt in erster Linie Krömmelbein. Seine Vorlagen ebneten der Eintracht endlich den Weg ins Freie. Er kam nach fünfzehn Minuten zu den ersten eigenen Aktionen, bei denen es sofort im Stuttgarter Strafraum brannte. Die zweite Viertelstunde war bereits ausgeglichen, und in der dritten drückte die Eintracht. Dziwoki und Kreß schossen aus nächster Nähe, aber Bögelein machte diesmal keinen Fehler. Schulmäßig schränkte er Dziwokis Schußwinkel ein, und schulmäßig fing er den Volleyschuß von Kreß im Flug unter der Latte heraus. Damit waren die Gelegenheiten der Eintracht, noch vor der Pause auszugleichen, vertan. Erst nach dem Wechsel aber erlebten die 35000 Zuschauer
die wahre Eintracht. Jetzt war Schlienz nicht mehr zu sehen. Jetzt gab
es Phasen wo Wloka an der Mittellinie stand. Jetzt warfen sich sogar die
Außenläufer in den gegnerischen Strafraum. Heilig hatte den
Anschluß an das Niveau seiner Nebenleute gefunden, und Hinterstocker
fand bei Kudras keine Gnade mehr. Die Eintracht war homogen, und wenn
einer oder zwei herausragten, dann nur durch ihren Fleiß. Wloka
und Weilbächer schufteten am meisten. Sie stehen an der Spitze einer
Gesamtleistung, die die Eintracht trotz ihrer Niederlage in dieser Saison
noch nicht übertraf. (aus 'Der neue Sport' vom 05.10.1953)
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