Italiens Meister AC Mailand schrieb an die Frankfurter
Eintracht:
"... kommen mit der stärksten
Elf!"
KICKER-Reporter Ludwig Maibohm stellt unseren
Lesern die Gäste des 17.Mai vor
„Selbst wenn wir gegen Juventus verlieren sollten,
wird unser Trainingsprogramm keine Einbuße erleiden."
Das sagte mir vier Tage vor dem Meisterschafts-Vorentscheidungstreffen
im Mailänder San Siro-Stadion Lajos Czeisler! Der gebürtige
Ungar spielte lange Jahre in Budapester Vereinen und bereiste später
als geschätzter Sportlehrer die (Fußball)-Welt. Er war es,
der nach dem Kriege Schwedens Norrköping-Elf mehrere Male zur Landesmeisterschaft
und zu Pokalruhm sowie vor einem Jahre auch die berühmte „Associacione
Calcio Milan"-Mannschaft zur beifallumrauschten Italien-Meisterschaft
führte.
*
„In diesem Jahre versuchten uns gleich beim Start
alle Meisterschafts-Bewerber der ersten italienischen Division am Erfolg
zu hindern", fügte Czeisler hinzu "Denn gegen einen Meister
verdoppelt jeder Gegner seine Anstrengungen und erhöht er seine Konzentration.
So kam es, daß die Turiner Juventus-Elf aus der Abwartestellung
mehr Punkte als wir herausholte und uns im Endspurt überflügelte!"
*
,,So paradox es klingt: Milan besitzt dennoch im Augenblick
das beste aufeinander abgestimmte Ensemble von Spielerpersönlichkeiten.
Selbst Juventus kommt da nicht mit ...!" rühmte der versierte
italienische Fußballkenner und Weltsportglobetrotter Renato Porotti,
der dem Deutschland-Kollegen in seiner Heimat auch diesmal wieder helfend
und dolmetschend zur Seite stand und mit mir zum San Siro-Stadion hinausfuhr.
*
Während mir Porotti das sagte, drehten 15 Milan-Spieler
trotz hochsommerlicher Hitze in dicken Trainingsanzügen fleißig
Runden, legten zwischendurch Sprints ein, machten Lockerungsübungen,
sprangen mit dem Seil und ließen sich später vom Masseur nach
voraufgegangenem Schaumbad den Körper durchkneten. Vom Ball war in
dieser Zeit nichts zu sehen. (Damit spielte währenddessen Gunnar
Nordahls semmelblonder Sohn Thomas. Erst später gab Lajos das runde
Leder auch für die Großen zum Spiel frei.)
*
„Fußball spielen können alle",
rühmte Czeisler, der Milan nach Beendigung der diesjährigen
strapaziösen Meisterschaftssaison aller Wahrscheinlichkeit nach verlassen
wird. „Der Rhythmus der italienischen Meisterschaftsrunde verlangt
in erster Linie Akteure die volle 90 Minuten 'spielend' durchstehen können.
Daher hätte ich meinen Spielern am 18. Mai an sich auch gern Fußballferien
vom Ich gegeben. Denn an diesem Tage spielt die italienische Nationalelf
gegen England in Florenz, und wir waren damit turnusgemäß spielfrei.
Dennoch hat der Privatspielabschluß gegen die Frankfurter 'Eintracht'
bei uns große Freude ausgelöst ...". hob Lajos Czeisler
mit Nachdruck hervor.
*
Und Gunnar Nordahl bestätigte später in Gesellschaft
seiner schwedischen Landsleute Gunnar Gren und Nisse Liedholm, daß
man mit hochgespannten Erwartungen zum Main komme. „Mir hat Garvis
erzählt, daß die Eintracht-Mannschaft einen taktisch wie technisch
gutcn Fußball zu spielen versteht!, betonte Gunnar Nordahl mit seiner
hellen, hohen Stimme wörtlich.
*
Mit 'Garvis' meinte er Henry Carlsson, den man in Schweden
und in Skandinavien 'Garvis' (d.h. 'Der Lächelnde') zu nennen pflegt
und der jetzt bei Madrids Star-Elf "Athletico" spielt. Der ehemalige
Stockholmer AIK-Halblinke wußte, warum er Gunnar Nordahl und seine
Mailänder Vereinskameraden vor der Frankfurter Eintracht warnte.
Denn "Athletico" spielte vor anderthalb Jahren in der vieldiskutierten
Weihnachtsbegegnung gegen die Frankfurter auf heimischem Madrider Lehmboden
und unterlag trotz seines Ballakrobats Ben Bareks, trotz Torwartphänomen
Marcel Domingos und Borge Matthiesens und "Gravis" Carlssons
Torschußbemühungen damals überraschend.
*
Ob
die "Eintracht" sehr hart spielt, wollte Freund Gunnar von mir
weiter wissen. Ich konnte ihn beruhigen. ,,Dann freuen wir uns noch mehr
auf unseren Deutschland-Besuch", meinten er sowie Gunnar Gren und
Nils Liedholm wie aus einem Mund und begutachteten beifällig-lobend
das Spielankündigungsplakat für die Frankfurter Begegnung, das
mir der eifrige "Eintracht"-Mannschaftsboß Willi Balles
nach Mailand mitgegeben hatte.
*
„Da wir am Mittwoch vor dem Frankfurter Treffen
noch zugunsten notleidender belgischer Kinder gegen Wiens Rapid Elf in
Lüttich antreten sollen, werden wir bereits donnerstags in Frankfurt
eintreffen, am Freitag noch leicht trainieren, damit wir am Sonnabend
ausgeruht das Freundschaftsspiel gegen die Eintracht bestreiten können",
prophezeite Gunnar, der zusammen mit allen Milan-Spielern von einem Trainingsehrgeiz
gepackt ist, den wir unmittelbar vor dem "Halali" der 28 italienischen
Meisterschaftsspielsonntage keineswegs mehr erwarten.
*
,,Obwohl es uns im Süden allen gut geht, wird uns
dennoch nichts geschenkt", hatten mir Nordahl und Gren kürzlich
bereits bei Besuchen in ihren komfortablen Villen-Wohnungen in der Via
Bassini bzw. Via Theodosio verraten. "Das Monatsgehalt beträgt
zwar 3000 DM. Und daneben gibt es selbstverständlich auch noch Prämien
für Siege und Tore. Unser Klubdirektor, Signore Trabattoni, und der
Mannschaftschef, Trabattonis Schwiegersohn Busini, gewähren uns auch
sonst alle erdenklichen Vorteile", gestanden die beiden hochbezahlten
Schweden mit ehrlicher Offenheit.
"Dafür verlangt man aber auch Leistungen, Können
und Disziplin. Wer zum Beispiel zu spät zum Training kommt, wird
mit einer Geldstrafe belegt. Auch fünf Minuten Verspätung spielen
dabei eine Rolle. Auch für unsportliches Verhalten auf dem Spielfelde
muß eine Buße bezahlt werden", plauderte mir Frau Irma
Nordahl aus.
*
„Auf noch etwas freuen wir uns", hörten
Renato Porotti und ich die drei Schweden im San Siro-Stadion sagen: „Auf
das Meisterschaftsspiel VfB Stuttgart — Rot-Weiß Essen im
Neckar-Stadion. Hoffentlich bekommen wir gute Sitzplatzkarten. Denn wir
lasen in italienischen Zeitungen, daß die Fußball-Stadien
auch bei euch in Deutschland zu klein geworden sind ...!"
Die Tribünenkarten im Stuttgarter Neckar-Stadion
sind von Dr. Walter garantiert und liegen am Sonntag für euch bereit
lieber Gunnar.
Bis dahin: Auf Wiedersehen in Frankfurt.
('Kicker' vom 12.05.1952)
Geier schoß öfter als
Nordahl
1:1 ein Triumph für Eintracht — Beifall
lohnte Meister-Exhibition des schwedischen Mailand-Innentrios —
Der lauteste Beifall aber für Kudras und Max Schmeling!
Als schlechte Propheten erwiesen sich die Fotografen!
Beim Anpfiff hockten wohl 40 Meister der Kamera am Eintrachttor, in
Erwartung der Nordahl-Bomben. Keiner (keiner) wagte sich an Mailands
Tor. Und dann 1:1! Bravo, Eintracht! Milano mußte sich damit begnügen,
nur in „Einlagen", wie auf der Bühne, Proben seiner
gefeierten Kunst demonstriert zu haben. Der torfühlbare Erfolg
gehört ihr, der Eintracht!
Frankfurt.
— Wie ein Länderspiel feierte Frankfurt das Gastspiel der berühmten
Mailänder! Ein Riesenstrom von Autos flutete (Gewiß nicht kleiner
als in Köln beim Irland-Spiel). Diese Eintracht kann man schicken!
Der deutsche Fußball verdankt ihr einen neuen internationalen Erfolg.
So prächtig wie sie sich seinerzeit in USA schlug, in Spanien, so
glanzvoll bot sie diesen Berühmtheiten halt!
Nein, der Sieg über den 1. FCN und das Remis gegen
VfB, das war kein Zufall. Dabei mußte sie nach der Pause noch auf
ihren verletzt ausscheidenden Dribbelkünstler Pfaff verzichten. Allerdings:
vor der Pause lächelte der deutschen Mannschaft viel Glück,
als Milano, schnell 1:0 führend, im leichtfertigen Siegesgefühl
gar zu selbstsicher nur ,,Exhibition" spielte.
Dafür schien Eintracht nachher dem 2:1 näher
als die Mailänder.
Wem die Frankfurter ihren halben Sieg vor allem danken?
Dem kernigen, schnell startenden, unbarmherzig angreifenden Verteidiger
Kudras, ihrem aufopfernden ehrgeizigen Nordahl-Stopper Wloka und dem Wirbelwind
im Sturm, dem kleinen leichtfüßigen Geier, den zu Recht sein
Tor für ein brillantes Spiel auszeichnete. (Als Pfaff ausschied,
Kirchheim kam, rückte er auf halblinks.)
Die Gäste wurden das Opfer ihres schnellen Erfolges.
1:0 nach zehn Minuten! Die 30.000 seufzten, wieviele
sollen das werden, arme Eintracht? Und Milano demonstrierte selbstgefällig
zwanzig Minuten wahrhaftig alle seine Künste. Gren jonglierte wie
ein Rastelli, legte die Bälle millimetergenau über 30 m hinweg
auf Nordahls Fuß. Nordahl bewies in einigen Blitzantritten, vor
allem im gescheiten direkten Abspiel aus allen Lagen, seinen Weltruhm,
aber am elegantesten dribbelte eine halbe Stunde lang Liedholm uns alle
Register raffinierter Ballkunst vor (Unsere Nationalelf brauchte solchen
Nordahl-Typ, mit diesem 11,1 Sprint, diesen Schenkeln). Von außen
bedrängten ungestüm die beiden jugendlichen Flügel Renosta
und Frignani die hin und her gehetzte Eintracht-Abwehr.
Bravo, Kudras!
Hier aber stand von der ersten Minute unerschrocken,
ballgewandt, stellungsklug Kudras. Wir begriffen, warum die Kicker-Korrespondenten
gerade der Eintracht-Verteidigung die Palme gaben, die auffallendste des
Jahres gewesen zu sein.
Sie überstand den Ballrausch der Mailänder.
Vergessen wir nicht eine herrliche Parade von Henig, dem famosen Eintrachthüter.
Gedankenschnell schraubte er sich in eine Liedholm-Bombe hinein und hielt.
Kein Adam oder Bögelein könnte das reaktionsschneller.
Den Ausgleich in der 36. Minute empfand man noch wie
das ,,Ehrentor". Jetzt werde Mailand aber, gereizt durch das mutige
Fernschußtor von Geier (abseits?), aufdrehen — meinten wir
noch, Theo Bourquin neben mir und der Kicker ...
Aber — es kam umgekehrt. Das Tor gab Eintracht
Mut, Selbstvertrauen, und machte Milano unsicher. Eben noch hatten die
Zuschauer auf offener Szene den Ballkünsten, namentlich den traumhaft
sicher fließenden Zügen zwischen Gren-Nordahl-Liedholm, Beifall
geklatscht — aber jetzt schien die Lokalbegeisterung entfacht. Erst
recht berauschte sich die Masse nach der Pause an Eintrachts kühnem
Generalangriff, der Milano an den Rand der Niederlage drängte. Viel
mehr bedrohte der jetzt nicht mehr von Kraus, sondern von Jänisch
gesteuerte, in Wirklichkeit aber von Geier beflügelte Sturm die Mailänder
mehr als umgekehrt.
2:1 eher für Eintracht!
Mailand abgekämpft? O nein, denn ganz zum Schluß
brauchte Henig wieder alle Hände, um Mailands Endspurt abzuwehren.
Obwohl Kirchheim sehr nett sich für den verletzt ausscheidenden Pfaff
bewährte — mit Pfaff, dem selbstbewußten Zauberer, hätte
Eintracht vielleicht ....
Aber sie darf auch so stolz sein. Mit den beiden großen
Brüdern Walter — Otmar und Fritz sollten eigentlich den Eintracht-Sturm
verstärken — hätten die Deutschen gewiß gewonnen.
Nun aber darf Eintracht noch stolzer sein, ohne die Anleihe auf Kaiserslauterns
große Stürmer dieses Remis erzwungen zu haben. Wloka hatte
nach 20 Minuten Nordahl durchschaut und bremste ihn unbarmherzig. Heilig
wurde Gren, dem bestechend klug und elegant dirigierenden „schwedischen
Szepan, so lästig, daß Gren nachher immer nach links ausbrach.
Das "beste Innentrio der Welt" fand in der
Eintracht-Deckung seine Bezwinger. Und trotzdem genügten auch die
Einlagen dieses schwedischen Trios, um Frankfurt ahnen zu lassen, warum
die Welt von diesen schwedischen Ballkünstlern schwärmt.
Mir fielen die mitreißenden Partien ein, die uns
Nordahl und Gren im schwedischen Sturm des Olympiasiegers 1948 in London
gegen Österreich, Dänemark und Jugoslawien vorzauberten ...
('Kicker' vom 19.05.1952)
Mailänder Filigran contra
Eintracht-Beton
Mailand deutete nur 30 Minuten lang an, was diese
Elf der Stars wirklich kann
Allein
schon das Tor der Gäste und seine Entstehung lohnte die Fahrt nach
Frankfurt. Renostos halbhoch zurückgespielter Ball an Gren wurde
von dem Schweden per Hackentrick an Nordahl weitergeleitet, der, ohne
ihn aufspringen zu lassen, den Ball dem rückwärtig postierten
Liedholm genau auf den Fuß legte und der mit kurzer Drehung den
Ball, statt in die günstige lange Ecke, mit unheimlicher Wucht ins
kurze Eck jagte. Und damit sind wir gleich bei jener Taktik angelangt,
die uns weniger bekannt ist. Die sonst zeitraubenden Rückwärtspässe
(!) der Mailänder beschworen immer ein fast sicheres Tor herauf,
weil der Ball mit solcher traumwandlerischen Sicherheit bis an den Strafraum
vorgetragen und dann plötzlich zurückgepaßt wurde, daß
der rückwärts lauernde Schütze immer ungedeckt war.
Die Schweden sind die Perlen in einem zuweilen artistisch
anmutenden Ensemble erstklassiger Fußballkünstler. Von Nordahl
allerdings hatte man mehr erwartet, der aber von Wloka nicht aus den Augen
gelassen wurde. Wählerisch in ihren Abwehrmitteln war die Eintracht
nicht, aber mit ungeheurem Fleiß wußte sie den artistischen
Einlagen dennoch erfolgreich zu begegnen. Nur Pfaff zeigte einige Male,
daß er in dieser illustren Gesellschaft mithalten kann, obwohl er
ein wenig schwerfälliger wirkte als die Mailänder. Wie eine
tänzelnde Balletteuse umspielte Gren drei, vier Mann, abgezirkelt
und weich kam sein Paß. Mannschaftsdienlicher und wirkungsvoller
blieb aber Liedholm, der, nicht ganz so elegant, der beste Mann auf dem
Felde überhaupt war. Ich habe selten einen Spieler gesehen, der so
gefühlvoll den Ball führt und beim Torschuß doch so enorm
hart sein kann. Besonders die Fünferreihe der Gäste hatte es
den 35.000 angetan und es war selten ein Fehlpaß zu beobachten.
Im reinen Spiel mit dein Ball, im Denken und Freistellen waren die »Schwarz-Roten«
der Eintracht doch ein ganzes Stück voraus.
Und
als die Hintermannschaft mit den überragenden Tognon und Annovazzi
einen Augenblick ins Wanken geriet, steigerte sie sich in ihrer Abwehrleistung
noch so sehr, daß die kraftvoll stürmende Eintracht auch hier
auf Granit biß. Wo sahen wir jemals über, 40, 59 Meter den
Ball über vier, fünf Spielerstationen wandern, ohne den Boden
zu berühren? Zentimetergenau wurde er von Fuß zu Fuß
gespielt und Grens Hackentricks waren keinesfalls nur artistische Schaustellungen,
sondern entsprangen seiner hohen Veranlagung für ein andersgeartetes
Zuspiel und waren der Beweis dafür, daß man mit jedem Ball
etwas anfangen kann, auch wenn er nicht fußgerecht kommt.
Ein Gesamtlob der Eintracht, die mit ihrer Zweckmäßigkeit
mindestens ebensoviel erreichte. Der deutsche Fußball ist nun einmal
darauf abgestellt und verbürgt auch eher den Erfolg, als das Nur-
Spielerische. Mögen die Kombinationen nicht so zauberhaft laufen,
mag das Spiel infolge seiner Zweckmäßigkeit etwas nüchterner
wirken, dem Torerfolg jedenfalls bleiben die Deutschen näher als
die noch so elegant aufspielenden Ausländer.
Von Wurzer bis Czeisler
Frankfurt winkte am Wochenende mit einer besonders reizvollen
Fußball-Delikatesse: Gren, Nordahl, Liedholm, Annovazzi, Tognon,
die Balljongleure des vielfachen italienischen Meisters FC Mailand, versprachen
ein Spiel, ausgefüllt mit all dem, was wir in unseren trocknen, nüchternen
Oberliga-Saisonen so sehnsuchtsvoll vermissen: südländisches
Spieltemperament, verwirrende, bezaubernde Ballarabesken, die den Gegner
bluffen und ratlos machen.
Wenige Minuten vor Spielende erhob sich auf der Ehrentribüne
ein schlanker, hochgewachsener Mann mit krausen Haaren. Er strebte dem
Ausgang zu, denn er wollte so schnell wie möglich wieder zu seiner
Elf, die am nächsten Tag in ein entscheidendes Spiel ging. Dieser
Mann war für uns einer der interessantesten Gäste: Georg Wurzer,
der Trainer des VfB Stuttgart. Zwischen Tür und Angel des Stadions
rief er uns zu: „Ein — vor allem in der ersten Halbzeit —
wunderschönes Spiel, in dem die Mailänder all das zeigten, was
das Publikum erwartete. Gren ist ein überragender Spieler, ein Ballzauberer,
aber bei allem, was ich sah, fehlte die exakte Zusammenarbeit der Elf.
Es war viel Blendwerk in diesem Spiel!"
Ein ähnliches (für die Zuschauer wohl) überraschendes
Urteil fällte auch Altinternationaler Rudi Gramlich. Er meinte kritisch,
daß das Spiel für den Fachmann fast uninteressant war, trotz
aller blendenden, verwirrenden Spielzüge der Italiener. Nordahl,
der Star der Mailänder, enttäuschte ihn durch sein langsames,
bedächtiges und dazu noch auffallend zurückhaltendes Spiel.
Die
interessanteste Stimme hörten wir aber bei Czeisler, dem Trainer
des FC Mailand. Für ihn, der Sonntag für Sonntag von überschäumenden,
temperamentvollen Kombinationen der besten italienischen Mannschaften
verwöhnt wird, war diese Begegnung mit der Frankfurter Eintracht
nur ein Trainingsspiel mit der Devise: Andeuten, was wir können,
aber im übrigen: keine Verletzungen. In Italien, meinte er, würde
noch viel rascher, genauer gespielt, herzhafter geschossen.
Ueberglücklich und zufrieden (nicht wegen des Publikumserfolges)
war Eintrachts Spielausschuß-Vorsitzender Balles, der uns durch
seine freundliche, aufgeschlossene Art einige nette Minuten schenkte:
„Ein schönes Spiel, in dem sich meine durch so viele Verletzungen
geschwächte Elf hervorragend gehalten hat. Hätten wir noch Schieth
und Ballkünstler Reichert dabei gehabt, hätten wir den manchmal
beinahe akrobatisch auftrumpfenden Italienern und Nordländern, wenigstens
was die Wirksamkeit der Spielweise betrifft, das Wasser reichen können!"
Das gleiche meinte auch Eintracht-Trainer Windmann, dem die Kniescheibenprellung
Pfaffs viel Sorge bereitete.
Neben mir auf der Pressetribüne saß eine charmante
Kollegin, eine Journalistin aus Schweden. Ein Interview mit ihren schwedischen
Stars Gren, Nordahl, Liedholm hatte sie nach Frankfurt gelockt. Sie blieb,
was man von einem aufmerksamen Journalisten verlangt, während des
Spiels sehr still (Nordländische Kühle ?!?) Nur einmal ließ
sie sich dazu hinreißen, die fast weihevolle Stille zu unterbrechen.
Das war zu jenem Zeitpunkt, als die Eintracht unter dem Jubel der 35 000
zum Endspurt ansetzte und den Sieg schaffen wollte. Hierbei sagte die
Schwedin: „Das Bubblikuhmnun wollen sehen Bluut!" Ich nehme
ihr diesen Satz nicht übel. Schon aus Kollegialität! Sie meinte
damit nämlich nicht etwa aufgesprungene Knie, zerbrochene Nasenbeine
oder halbabgerissene Ohren, sondern nur, daß die Zuschauer gern
noch eine Entscheidung gesehen hätten. Dazu aber reichte es bei beiden
Mannschaften nicht. (aus dem 'Sport-Magazin' vom 21.05.1952)
>> Spieldaten <<
|