Abseits, Foul, Hand - Herr Lehmann sah nichts!
Schiedsrichter benachteiligte beide gleich -
Skandal deshalb ungerechtfertigt
Es gibt für einen Sportjournalisten wohl kaum eine
unangenehmere Aufgabe, als die Schilderung eines Fußballkampfes
mit einem Auszug aus dem Polizeibericht beginnen zu müssen. In München
war es wieder einmal so weit, daß ein Teil der Zuschauer für
Tumultszenen sorgte, die jeder sportlichen Einstellung Hohn sprachen.
Eine tobende und. schreiende Menge stand vor den Kabineneingängen,
die von einem starken Polizeiaufgebot nur mit Mühe geschützt
werden konnten. Am Stadionausgang warteten weitere Fanatiker auf den Schiedsrichter
und konnten erst nach einer halben Stunde so weit zurückgedrängt
werden, daß der Unparteiische schließlich mit einem Funkstreifenwagen
der Polizei unbehelligt weggefahren werden konnte. Der Pöbel hatte
erneut eines der unerfreulichsten Kapitel in Münchens Fußballgeschichte
geschrieben.
Was
war nun der Anlaß, aber keinesfalls die Entschuldigung, für
diese Ausschreitungen, die jeden wahren Sportsmann beschämen mußten?
Einmal hatte der FC Bayern sein Punktspiel gegen „Eintracht"
durch enttäuschende Stürmerleistungen verloren und zum anderen
war dieses Spiel von einem Schiedsrichter geleitet worden, der den Anforderungen
in keiner Hinsicht gerecht wurde. Lehmann (Offenburg) leistete sich Fehlentscheidungen
und grobe Schnitzer am laufenden Band, übersah Regelwidrigkeiten
auf beiden Seiten, kurz und gut, er versagte auf der ganzen Linie. Dazu
muß aber festgestellt werden, daß seine Unzulänglichkeit
beide Mannschaften traf und benachteiligte. Es muß hier ganz klar
getrennt werden die Kritik am Schiedsrichter auf der einen und die spielerischen
Gründe für die Bayern-Niederlage auf der anderen Seite. Schuld
am 0:1 waren in erster Linie die Münchener selber, denn sie hätten
es trotz der Fehler des Unparteiischen in einen Sieg verwandeln können
und müssen. Allzu schnell vergaßen nämlich die unbelehrbaren
Fanatiker, welche Anzahl von Torgelegenheiten der Sturm der „Rothosen"
ausgelassen hatte, welche Mängel im Spielaufbau der Platzherren auftraten
und wie erschreckend schlecht und unkonzentriert diese geschossen hatten.
Das alles zusammengenommen war die Ursache dafür, daß Bayern
nun zum zweitenmal auf eigenem Platz den kürzeren zog.
Natürlich war neben mangelnder Zielsicherheit,
auch viel Pech dabei, wenn mancher Schuß nur um Zentimeterbreite
am „Eintracht"-Tor vorbeiging, aber dieses Pech verfolgte auch
die Gäste, als der Ball dreimal von der Querlatte des Münchener
Gehäuses ins Feld zurücksprang. Diese Gegenüberstellung
beweist bereits, daß die Frankfurter, wenn auch im Feldspiel häufig
unterlegen, mit ihren Vorstößen mindestens ebenso gefährlich
waren wie die „Rothosen" auf der anderen Seite bei ihren Drangperioden.
Aber
die Gastgeber ließen es, von den ersten zehn Minuten abgesehen,
an jeglicher Zielstrebigkeit fehlen, verstanden es nicht, in ihr Angriffsspiel
jene Abwechslung zu bringen, mit der die gegnerische Hintermannschaft
hätte überwunden werden können. Schon in der Läuferreihe
und von den Halbstürmern wurde der Ball viel zu lange gehalten, bis
sich die Frankfurter Hintermannschaft formiert hatte, die überdies
auch noch spurtschneller war. Unter diesen Umständen kann es nicht
verwundern, daß die „Bayern" stürmisch zwei Elfmeter
reklamierten, als im Eintracht-Strafraum die Hand benutzt wurde, denn
sie erblickten darin anscheinend die einzige Gelegenheit, das 0:1 wettzumachen.
Schiedsrichter Lehmann aber, der das Handspiel gesehen hatte, erklärte
später, es sei keine Absicht vorgelegen. Das einzige Tor, das Schieth
kurz vor der Pause erzielte, war freilich ziemlich umstritten. Zunächst
wartete man vergeblich auf den fälligen Abseitspflif und dann wurde
der am Boden liegende Gutendorf bös in die Zange genommen, was ihn
an einem weiteren Eingreifen hinderte. Das war der Auftakt zu einer starken
Nervosität und daraus resultierenden Härte unter den Spielern
und einer immer mehr wachsenden Empörung des Publikums.
Die Frankfurter, die Reichert und Tempel ersetzen mußten,
boten keineswegs eine zwingende Leistung, aber wer fragt schließlich
danach, wenn beide Punkte errungen sind, zumal ja die Gäste eben
doch wesentlich zweckmäßiger spielten und taktisch klug mit
Steilpässen und zügigen Vorstößen weit mehr Effekt
erzielten als die „Bayern" mit ihrem endlosen Getändel
im Mittelfeld. Bei den Münchenern verdienen nur die Abwehrspieler,
allen voran Thomas Mayer, eine gute Benotung. (aus dem 'Sport-Magazin'
vom 19.09.1951)

>> Spieldaten <<
|