Kickers Oxxenbach - Eintracht Frankfurt

Gauliga Südwest 1937/38 - 11. Spiel

4:2 (0:2)

Termin: 02.01.1938
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Heß (Stuttgart)
Tore: 0:1 Karl Röll (16.), 0:1 Adam Schmitt (41.), 1:2 Staab (60.), 2:2 Staab (69.), 3:2 Staab (80.), 4:2 Simon (87.)

 

>> Spielbericht <<

Kickers Oxxenbach Eintracht Frankfurt

  • Eigenbrodt
  • Hohmann
  • Keck
  • Fleck
  • Stein
  • Lehr
  • Emrich
  • Grebe
  • Staab
  • Nowotny
  • Simon

 


 

Trainer
Trainer

 

Den beiden Meisterschaftsfavoriten, aber scheinbar auch dem FV. Saarbrücken und FC. Pirmasens, sind die Feiertage schlecht bekommen. Wie soll man sich sonst die Häufung der Sensationen erklären? Wie konnten die unbesiegbaren Borussen ausgerechnet gegen die bisher sieglosen Rüsselsheimer verlieren, als ihnen die beste Chance winkte, an die Tabellenspitze zu kommen? Wie konnte die bei Halbzeit bequem und überlegen 2:0 führende Eintracht sich in der zweiten Hälfte von den Kickers über den Haufen rennen lassen? Woher kommt es, daß die Sold-Mannschaft derartig abgesackt ist und daß Hergerts Mannen sogar in ernsthafteste Abstiegsgefahr geraten sind?

Das drolligste an diesem Tag der Sensationen ist aber, daß sich in der Tabelle so gut wie nichts geändert hat. Die Eintracht führt nach wie vor mit einem Punkt vor Borussia. Den beiden Spitzenvereinen sind zwar Offenbach und Worms etwas näher gekommen, ohne aber irgendwie bedrohlich zu wirken. Rüsselsheims Sieg hat nur platonischen Wert. Den Hauptgewinn des Tages buchte Kaiserslautern allein, denn dieser Neuling hat augenblicklich Pirmasens deutlich distanziert und ist damit der Abstiegsgefahr etwas entglitten.

Der nächste Sonntag scheint auch nicht viel an diesem Stande ändern zu wollen. Eintracht empfängt Opel Rüsselsheim, die Borussia hat Pirmasens zu Gast. Tabellenerste gegen Tabellenletzte! Wenn die Abstiegskandidaten nicht gerade von der Tarantel gestochen sind, werden die Meisterschaftsrivalen gewinnen. Die Offenbacher Kickers fahren in ihrer gegenwärtigen Verfassung mit guten Chancen nach Saarbrücken, und nur das Treffen Kaiserslautern — Wormatia hat es in sich.

Eintrachts zahlreicher Anhang ist diesen Sonntag ganz schön mitgenommen worden. Stolz betrachteten die Frankfurter zuerst ihre Mannschaft, als diese den Offenbachern eine Lektion feinsten Fußballspiels erteilte. Dem leicht beschneiten, glatten Boden angemessen wurde flach und genau kombiniert. Eine feine Kombination Gramlich-Röll-Wirsching-Röll führte in der 12. Minute zum 1. Tor. In der 42. Minute kam ein Freistoß Lindemanns zu Wirsching — 2:0. Eintrachts Torwart hatte kaum einen Ball erhalten. Nach Halbzeit bekam Eintrachts Torwart auch kaum einen Ball, nur mit dem Unterschied, daß vier gutgezielte Schüsse im Tore landeten! Sie kamen in der 15., 24., 35. Minute von Staab und in der 42. Minute von Simon. Hatte die Eintracht vor Halbzeit gezeigt wie man Fußball spielt, so zeigten die Offenbacher nach der Pause wie man Spiele gewinnt. Man kann die Kickers wirklich um ihren Mut und Kampfgeist beneiden. Dabei passierten ihnen doch einige Schnitzer, die Nerven kosten: zweimal schoß der Torwart beim Abschlag einen Spieler an, so daß der Ball bis auf die Torlinie rollte und erst in der letzten Sekunde fortbefördert werden konnte. Prächtig arbeitete Stein, mit fabelhaftem Torinstinkt Staab, technisch groß Simon und Grebe.

Wenn die Eintracht Meister werden will, dann muß sie sich nach einem anderen Torwart umsehen. Alle Torsicherung, die ja so modern ist, fängt an und endet nun doch einmal beim Torwart. (aus dem 'Fußball' vom 04.01.1938)

 

 


 

 

Das Fußball-Drama in Offenbach

Wie die Kickers 4:2 gegen Eintracht gewannen

„Es ist unfaßbar!" sagte Franz Schütz, der alte Verteidiger der deutschen Nationalmannschaft. (Wobei „alt" nicht im wahren Sinn gemeint ist. Franz Schütz hat das Spielen heute noch nicht aufgegeben und am Sonntag erst sahen wir ihn ein pfundiges Tor schmettern.)

Es war unfaßbar. Die Eintracht wußte, es war ein bitterschwerer Gang. Die Kickers warteten auf dieses Spiel, wie auf eine langerhoffte Gelegenheit, wahre Stärke nun auch am Main zu beweisen. Wie sie vorher in Neunkirchen und am Sonntag in Worms gezeigt hatten, zu was sie fähig sind. Aber gegen die Eintracht zu gewinnen, nicht wahr, das war ihnen wichtiger. Das war ihnen Herzenssache. Es ist einfach die Rivalität der Nachbarstädte. Es ist das. was Ludwigshafen und Mannheim bewegt hat, Altona und Hamburg, was heute noch Fürth und Nürnberg bewegt. Die Eintracht ihrerseits pochte ruhig auf ihr gutes Spiel in Kaiserslautern. 12.000 Menschen kamen auf den Bieberer Berg Die Spannung war fast unerträglich. Vor einer Menge, die alle früheren Rekordziffern übertraf, begann dieses Spiel, zu dem man Heß aus Stuttgart herangeholt hatte, mit — sensationell guten Leistungen der Eintracht.

Es sah gar nicht aus, wie ein Punktekampf, es war eher ein Trainingsspiel. Die Kickers wirkten völlig verwirrt. Eintracht spielte gelassen und mit einer selbstverständlichen Reife. Sie war schneller am Ball, sie köpfte besser, sie spielte auch sonst mit Kopf, sie dominierte. Zwei Spieler standen ständig bewundert im Mittelpunkt der Ereignisse. Lindemann, der früher so manche große Schlacht der Kickers anführte und jetzt angreifender Mittelläufer Frankfurts war, Gramlich, der sich mit diesem Lindemann zusammen die Ehre, ja das Vergnügen machte, alles abzustoppen, was die Offenbacher auf der linken Seite vorzutragen gedachten. Man sorgte aber genau so gemeinsam dafür, daß die eigene Stürmerreihe mit Bällen, in Gottes Namen sei das sattsam bekannte Wort wieder angewendet, gefüttert wurde. Die Leistung dieser beiden Läufer, die ungeheuer geschickte und reaktionsblitzschnelle Leistung des Verteidigers Groß, dazu aber auch blendende Einfälle von Adam Schmitt, täuschten darüber hinweg, daß bei all diesem Feuerwerk doch „ein wenig allzuwenig" geschossen wurde. Die Raketen zischten und die Zuschauer freuten sich an ihrem Zauber. Aber die Kanonenschläge der Tore fehlten. Gewiß, das erste Tor, das Röll in der 16. Minute schoß, war hübsch, aber bis das zweite fiel dauerte es bis zu der 41. Und das war zu dünn und zu lang. So schön auch dieser Treffer wiederum war! Nowotny, zurückgezogener Stürmer spielend, attackierte einen Eintrachtler. Den Strafstoß schickte Lindemann schlau vor. Adam Schmitt köpfte ein. Zwischengeschaltet hatte sich, wie beim ersten Tore auch, Wirsching. Da war auch schon bald Halbzeit.

De Frankfurter saßen fröhlich auf der Tribüne und standen schmunzelnd mitten unter Offenbachern, die den Kopf hängen ließen. Ging ihnen jenes übermütige Lied durch den Kopf, das sie einst (freilich im halben Scherz und doch mit Stolz) sangen, als Eintrachts größte Periode war: „Es ist kein Verein in Europa, der die Eintracht schlagen kann!" Alles schien gut zu laufen. Die Kickers hatten sogar noch Pech durch Selbstverletzung vor Staab und Simon. Just diese beiden Spieler sprangen aber bald nach Wiederbeginn munter wie Zicklein über das leichtverschneite Feld. Ein rätselhafter Wandel war vorgegangen. Die Kickers waren plötzlich wirklich die große Elf der Sensationsmeldungen aus Neunkirchen und Worms, Sie änderten ihr System. Nowotny wurde nach vorn geschickt. Es gab nur eine Parole: Angriff! Unter diesem begann das Eintrachtsgebäude langsam zu erzittern. Staab schoß ein Gegentor. Nun knallten die Frösche der Kicker-Jugend, nun bebten die Bäume und Bretter, auf denen jene saßen, die im Platz keinen Platz mehr fanden, nun begann jene hallende, große Zeit der Offenbacher, die schon die größten Gegner gefällt hat. Und während Eintrachts Nerven zerrissen wie dünne Drähte, spielte sich Offenbach in den Wirbel seiner Wunderform hinein. Was machte es, daß Eigenbrodt einen Spieler auf der Hinterseite anbollerte, so daß der abprallende Ball fast ins eigene Tor lief (ein Malheur, das dem langen Offenbacher in diesem Spiel zweimal passierte!), was halfen noch ein paar Frankfurter Angriffe? Die Kickers griffen an. Staab schoß noch zwei Tore. Ein blanker hat-trick stand da. Mitten in ihn hinein kam plötzlich die Sonne aus dem katzengrauen Januar-Firmament und vergoldete den Sieg. Simon schoß ein paar Minuten vor dem Schluß ein viertes Tor.

Wir erlebten eine Sensation. Die Eintracht verlor ein Spiel, das offenbar nicht mehr zu verlieren war. Weil ihr Sturm in der ersten Hälfte die Ueberlegenheit nicht ausnützte, weil Wirsching keinen, guten Tag und Adam Schmitt einen allzulangsamen hatte und weil schließlich selbst die großartigen Schlußreihen mit in den Untergang hineingerissen wurden. Vor allem aber, weil Peutler, zum erstenmal in einem wirklich schweren Kampf, Nerven und Fassung verlor. Wenn das einem Torwart passiert, ist es immer schlimm. Vielhundert Wagen mit traurigen Insassen, vollgepropfte Omnibusse rollten nach Frankfurt zurück. Ihre Insassen hörten, fassungslos vor Glück, daß auch der Mitrivale Neunkirchen verloren hatte. Plötzlich blühte wieder ein Hoffnungsreis. Zaghaft, aber doch.      r.o.k. (aus dem 'Kicker' vom 04.01.1938)

 

 

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