Eintracht Frankfurt - FV Saarbrücken

Süddeutsche Meisterschaft, Gruppe Nord-West 1931/32 - 3. Spiel

3:3 (1:2)

Termin: 24.01.1932 im Stadion
Zuschauer: 5.000
Schiedsrichter: Schneider (Offenbach)
Tore: 1:0 Karl Ehmer, 1:1, 1:2 Schmidt, 2:2 Karl Ehmer, 2:3 Benzmüller, 3:3 Fritz Schaller (84.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt FV Saarbrücken

 


  • Schwarz
  • Seiler
  • Speicher
  • Gelf
  • Schmidt
  • Forst
  • Benzmüller
  • Harig
  • Cohnen
  • Werny
  • Sold

 

Trainer Trainer
  • Toni Unseld

 

Eintracht Frankfurt — FV. Saarbrücken 3:3 (1:2)

Fred Erlow, der bekannte und ganz ausgezeichnete Kölner Cabaretist und Humorist begrüßt in Frankfurts neuester Kleinkunstbühne, dem Charivari, sein zahlreiches Publikum mit den Worten: „Meine Sehrverehrten! Sie müssen sich heute leider mit meiner bescheidenen Wenigkeit begnügen. Ich weiß ja, Ihnen allen wäre es weit lieber, wenn jetzt statt meiner der„Schlappen-Stinnes" mit seinem enameline-geschwärzten Zylinder im rot-weißen Bade-Trikot als Fußballerina vor Ihnen stünde!" Einfach treu, wie der Fred das herausbringt!

Ueberhaupt war es am Freitag abend im Charivari — vom Frankfurter Standpunkt aus gesehen — weit unterhaltsamer und behaglicher als an diesem Sonntag nachmittag im Frankfurter Stadion. Dort erlebten etwa 5000 Zuschauer einen ziemlich schwarzen Tag ihrer heißgeliebten Meistermannschaft. Nun ja! Einmal mußte schließlich auch wieder ein Rückschlag eintreten, nachdem der Mannschaft in den letzten Monaten wahrlich nichts an Anstrengungen und Kräfteverbrauch geschenkt worden ist. Man soll sich nicht allzu lange bei den Miseren des täglichen Lebens aufhalten. Zumal vorläufig kein Grund besteht, einen Dauerzustand befürchten zu müssen. Selbst Corregio soll hier und da einmal einen Fetzen Leinwand übel beklext haben. Die Elf und ihr tüchtiger Trainer Osswaldt werden vermutlich schon bei nächster Gelegenheit einen reichlich großen und sattsam nassen Schwamm nehmen und die bösen Erinnerungen an den 24. Januar 1932 auslöschen.

Bei den Riederwäldern klappte es diesmal absolut nicht. Nur der unüberwindliche Gramlich war in guter Form. Schmitt kam unmittelbar nach ihm. Auch Schaller und Leis spielten annehmbar, wenn auch nicht fehlerlos, und Kellerhoff hatte eine recht ansprechende zweite Halbzeit. Der Rest war gegenüber den Leistungen aus den letzten Monaten nicht wiederzuerkennen. Besonders schwach spielte die Verteidigung Pfeiffer-Stubb, der Halblinke Möbs und der linke Läufer Dietrich. Aber man kann ruhig sagen, daß die Verteidigung den nunmehr schmerzlichst fehlenden Punkt in Verlust gebracht hat. Bei Ehmer haperte es lediglich an der Schnelligkeit des Entschlusses im Schießen. Trumpler war wieder in seinen alten Fehler des Eigennutzes verfallen und glich dieses Manko auch nicht durch seine brillante Balltechnik, seine Täuschungskunst und seinen Rieseneifer aus. Dem Chronisten, der eine Elf so oft und so sehr mit Recht nach Strich und Faden gelobt hat, fällt es schwer, plötzlich mit weniger anerkennenden Kommentaren dienen zu müssen. Weiß der T...., was diesmal in die Eintrachtelf hineingefahren war! Anfangs nahm sie den Gegner offensichtlich viel zu leicht, später blieb allen ihren Anstrengungen der überzeugende Erfolg versagt. Nach dem nicht immer, aber zeitweilig stark überlegenen Feldspiel, nach der Zahl und dem Grad der Gefährlichkeit der Torchancen, nach der Eckballziffer von 12:3 hätten die Frankfurter gut und gerne gewinnen können. Aber wohl niemand von den 5000 Augenzeugen wird behaupten wollen, daß der Verlust des einen Punktes unverdient war, und ganz unbefangene Beurteiler werden im Brustton innerster Ueberzeugung erklären, daß es sehr wohl noch ganz anders hätte kommen können und daß man den äußerst sympathischen Saarleuten einen etwaigen kompletten Sieg noch nicht einmal als bloßes Zufallsprodukt hätte vorhalten dürfen.

Der Fußballverein Saarbrücken hat in Frankfurt ganz außerordentlich gut gefallen. Die in der Härte immer noch um eine Nuance hinter der Eintracht stehende Elf spielt einen markigen aber fairen Fußball wie ihr Gegner auch. Sie stützt sich bei ihrem präzisen und flotten Kombinationsspiel auf ihre technischen Fertigkeiten, die ihr der ehemalige Stuttgarter Kickersmann und mehrfache Repräsentative Unseld mit erstaunlichem Erfolge beigebracht hat. Auf sein Konto scheint auch die ganze Spielauffassung. und vor allem die körperliche Kondition der Mannschaft' zu buchen zu sein. Unwillkürlich zieht man Vergleiche mit der Elf, die Unseld uns Frankfurtern vor Jahresfrist noch ziemlich im Anfangsstadium der Ausbildung vorgeführt hat, und man konstatiert gerne und mit restloser Anerkennung die großen Fortschritte auf der ganzen Linie. Noch ist nicht alles ganz vollkommen, aber das Schöne überwiegt stark das Verbesserungsbedürftige. Unser als Fußballpraktiker erprobter Verbandsrichter Koppenhöfer, der als Stuttgarter Unseld aus der Umwelt seiner fußballerischen Entstehung hinreichend kennt, hat diese mutmaßlichen Mängel schon vor Spielbeginn und durchaus richtig angedeutet: zu enges Passen, Neigung zum Spiel in die Breite, zu wenig Steilpaß mit wuchtigem Nachsetzen der Stürmer und hierdurch gesteigerter Wucht im Angriffsspiel. Einmal darauf aufmerksam gemacht, wird es den begabten Spielern und ihrem ehrgeizigen Trainer eine Kleinigkeit sein, sich etwas mehr auf den schnellen Bodengewinn umzustellen.

Mit besonderer Spannung wurde der junge Repräsentative Conen als Mittelstürmer seiner Partei, beobachtet. Conen rechtfertigte durch geschickte Sturmführung und Ballverteilung seinen jungen Ruhm. In der Angriffsreihe brillierten die beiden Flügelleute Benzmüller und Werny fast noch mehr. Sehr gut fügten sich auch die beiden Verbinder Gelf und Schmidt ein. In der Läuferreihe rechts betätigte sich der jugendliche Forst erstmalig in einer Seniorenelf. Man kann ihm bestätigen, daß er zum mindestens nichts verdorben hat und daß er den verletzten Gaber gut vertrat. Mittelläufer Sold dirigierte seine Elf manchmal musterhaft, hie und da gab es auch gelegentlich Versager, aber man muß Solds Leistung nach der Qualität seines Gegners bewerten. Der Läufer zur Linken, Harig, ließ kaum und nur vereinzelt erkennen, daß er eines Sehnenrisses wegen im leichten Gipsverband spielte. Eine sehr gediegene Abwehrleistung sah man vou dem unermüdlichen Verteidigerpaar Seiler und Speicher. Trotz großer Ueberlastung blieben diese beiden Backs sehr sicher und rein im Abschlag. Auch der Tormann Schwarz partizipierte an dem guten Gesamteindruck seiner Elf, wenn ihm auch einige Male das Glück hold war. Alles in allem: so gut in ihrer Spielkultur, so hartnäckig in ihrem Widerstand hatten wir Frankfurter uns die Saarmannschaft nicht vorgestellt. Wir waren aufs angenehmste enttäuscht.

Schiedsrichter Schneider aus Offenburg amtierte zum mindesten mit absoluter Gerechtigkeit. Ob die Schreier, die ihm zweimal Benachteiligung der Eintracht (ein Tor und ein Eckball) ankreiden wollten, im Recht waren, wage ich nicht zu entscheiden. Auf der Stadion-Tribüne hat man immer noch die Sonne, so sie gerade scheint, mittemang uff die Visage.      Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 26.01.1932)

 


 

Sensation im Stadion!

Eintracht Frankfurt — F.V. Saarbrücken 3:3 (1:2).

Es ist für mich jedes Jahr ein besonderes Vergnügen, die Fortschritte zu beobachten, die der F.V. Saarbrücken unter der ausgezeichneten Leitung von Toni Unseld macht. Der frühere Kickers-Internationale, vielleicht der eleganteste Verteidiger, den Deutschland jemals gehabt hat, und ein hochwertiger Sturmführer, hat in Saarbrücken Stuttgarter Schule gelehrt. Wenn man heute den F.V. Saarbrücken spielen sieht, der klugerweise an seinem erfolgreichen Trainer festhält, so meint man, die alten Stuttgarter Kickers wieder erstanden zu sehen, eine Mannschaft der Technik und Kombination, des engmaschigen Zusammenspiels und der intelligenten Spielauffassung. So viel Kickers-System findet man heute nicht einmal in Stuttgart mehr! Die Mannschaft aus dem Saargebiet ist im Vergleich zum Vorjahre reifer und sicherer geworden. Das System sitzt jetzt. Die jungen Spieler sind dazu kräftiger geworden, schneller und ausdauernder. Ein ganz ausgezeichneter Torwächter versteht sich mit schnellen, stoßsicheren Verteidigern. Die Läufer, klug im Aufbau, energisch im Zerstören, stellen dauernd die Verbindung in der Mannschaft her, während der Sturm mit Geschick zusammenarbeitet und ohne größere Durchschlagskraft durch schnelle Vorstöße und überraschende Einfälle stets gefährlich bleibt. Diese Elf hat mit Eifer, verdientem Glück und Geschick in Frankfurt einen Punkt erobert und war nahe daran, einen Sieg heimzubringen. Sensationell ist das Resultat aber auch so.

Die Eintracht stand komplett bis auf Schütz, für den Pfeiffer spielte. Sie hatte wohl den Gegner unterschätzt und spielte in der ersten Hälfte reichlich lässig. Nach Halbzeit rissen die Nerven, so daß dauernd an dem so gut wie sicheren Sieg vorbeigespielt wurde. Die sonst so sichere Verteidigung Stubb-Pfeiffer leistete sich böse Schnitzer. Besonders Stubb machte verhängnisvolle Fehler. Auch Schmidt wurde zeitweise angesteckt. Dabei ist er sehr wenig beschäftigt worden, was für einen Torwart, der sich erst richtig warm spielen muß, nie angenehm ist. Im Sturm fiel der sonst gute Möbs fast vollkommen aus. Man sagt, daß er krank gewesen sei. Dann hätte er aber auch nicht aufgestellt werden dürfen. Schließlich wäre eine Umstellung Dietrich-Möbs am Platze gewesen, denn das Schwergewicht mußte in den Sturm verlegt werden. Aber diese einzelnen Schwächen durften nicht ausschlaggebend sein, an ihnen konnte das Eintrachtsystem nicht allein zerbrechen. Die größte Schwäche war eben wieder einmal der Mittelläufer Leis. Das wird man vielerorts nicht einsehen, weil Leis oft im Kampf um den Ball recht erfolgreich war und sich da und dort hervortun konnte. Seine Aufgabe als Mittelläufer, als Achse der ganzen Mannschaft hat er jedoch nicht erfüllen können. Wie beim Waldhof-Spiel stand wieder ein Gegner im Feld, der flach kombinierte und wirklichen Fußball zu spielen verstand. Leis blieb hier ratlos. Wie ein gehetztes Wild irrte er im Spielfeld umher, nicht die Spur eines Führers, sondern vom Spiele und Gegner beherrscht. Die Eintracht muß das Mittelläuferproblem noch lösen. Das muß immer wieder gesagt werden. Für die Spiele gegen spielerisch schwache, aber kämpferisch robuste Gegner ist Leis ein idealer Mann. In großen Spielen dagegen muß der wichtigste Posten in der Mannschaft auch einem großen Spieler anvertraut werden.

Die ganze Vernunft in der Eintracht-Hintermannschaft ging von dem stets ruhigen, beherrscht-sicheren Dietrich aus. Der verlor die Übersicht in keinem Augenblick. Er warf die verlierende Mannschaft nach vom. Sein prachtvoll hereingegebener Strafstoß führte zum Unentschieden. Gramlich erfüllte seine Pflicht, Pfeiffer zeigte mehrfach klassisches Stellungsspiel, und Stubb ließ neben seinen vielen Fehlern auch Glanzstücke guter Verteidigerkunst sehen. Schmidt spielte mit Bravour. Vorne im Sturm leistete der unermüdliche Trumpler die größte und erfolgreichste Arbeit. Immer wieder brachte er den Ball in den gegnerischen Strafraum, spielte auch gut ab, doch Ehrners schwacher „linker Fuß" und die Indisposition von Möbs verhinderten die Auswirkung. Die Flügelstürmer, nicht immer ausreichend bedient, hielten sich nach Gebühr.

Der Kampf im Stadion, bei frischem, sonnigem Wetter, hätte mehr Zuschauer verdient, denn er war wirklich sehenswürdig und spannend. Die Leute trauten aber den vom Sportverein besiegten Saarbrückern anscheinend nicht genügend zu. So fehlte der geschlossene Rahmen bei diesem Spiel, der bei Großkämpfen das Feld umschließen sollte. Da würde die Eintracht besser im Riederwald ihre Spiele abhalten...

Schon nach wenigen Minuten hatten beide Mannschaften ein Tor geschossen. Zuerst die Eintracht, doch in sofortiger Replik auch Saarbrücken. Der Mainmeister spielte leicht überlegen. Saarbrückens Torwart bekam Arbeit, löste aber alle Aufgaben zur Zufriedenheit seiner Anhänger. Die Eintrachthintermannschaft ist zu weit aufgerückt. Der Mittelstürmer Conen legt plötzlich steil zum Rechtsaußen Werny durch, der hereinkurvt, flankt, der Halblinke Schmidt ist ungedeckt, der Eintrachthüter stürzt ihm entgegen, läßt sich jedoch zu früh fallen, und schon hat der Stürmer entschlossen den Ball über ihn hinweg in die Ecke gefeuert. Es steht 2:1 fü Saarbrücken! Das Erstaunen wächst fas zur Bestürzung, als es bei Halbzeit immer noch so heißt, obwohl die Frankfurter zahllose Chancen hatten und Saarbrücken in dei letzten Minute auf Fehlschlag Stubbs hin fast einen dritter Treffer erzielte.

Fünf Minuten nach der Pause glich Eintracht durch einen Strafstoß Ehmers aus. Es kehrte wieder Ruhe in die Mannschaft die energisch zu kämpfen begann. Sichtliches Pech entmutigte aber bald den Sturm, in der 16. Minute ließ sich Stubb unnötigerweise erneut zu Handspiel verleiten, hart an der Strafraumgrenze. Benzmüller schoß den Strafstoß. Die Eintracht bildete die übliche „Mauer", jedoch nicht geschickt genug, denn der Ball rollte, abgefälscht durch einen eigenen Mann, langsam ins Tor, während Schmitt durch falsche Fußstellung verhindert wurde, schnell genug herumzukommen.

Jetzt sah es bös für die Eintracht aus. Saarbrücken führte wieder, und die Gesichter des Eintrachtanhangs wurden lang und länger. Auf erneute Fehler der Verteidiger bricht Conen nochmals durch, verschießt aber in der Aufregung. Dietrich ordnet seine Mannen wieder, legt wundervoll Ehmer durch, der bombig einschießt. Das schönste Tor des Tages. Der Schiedsrichter erkennt es aber wegen angeblichen „abseits" nicht an. Pfeifkonzert und Schieber-Rufe... Torwart Schmitt verfehlt den Ball. Das passiert seinem Kollegen Schwarz aus Saarbrücken nicht; der ist sicher, wenn auch zuweilen Glück dabei ist. Der Schiedsrichter macht grobe Fehler zum Nachteil der Eintracht. Endlich, in der 39. Minute, Straßstoß Dietrichs zu Schaller, der ins Tor schießt. Alle Mann greifen jetzt an. 21 Spieler stehen in Saarbrückens Hälfte. Die tapferen Gäste aber halten das Resultat. (aus dem 'Fußball' vom 26.01.1932)

 

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