Eintracht Frankfurt -
Union Niederrad |
Bezirksliga Main-Hessen 1930/31 - 1. Spiel
3:0 (2:0)
Termin: 24.08.1930
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Karl Schuch (Feuerbach)
Tore: 1:0 Karl Ehmer (7.), 2:0 Fritz Schaller (36.), 3:0 Fritz Schaller (82.)
Eintracht Frankfurt | Union Niederrad |
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Trainer | Trainer
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Frankfurter Echo Eintracht Frankfurt — Union Niederrad 3:0 (2:0). Man soll seine Leser nicht mit Binsenweisheiten langweilen! ln der Mehrzahl der einunddreißig Liga-Berichte, die heute im „Kicker" erscheinen, wird vermutlich die Tatsache festgenagelt sein, daß es sich an diesem 24. August 1930 um den süddeutschen „Saisonbeginn" handelte. Dort möge meine sehr verehrliche Leserschaft diese welterschüttemde Unumstößlichkeit nachlesen und zur Kenntnis nehmen. Ich aber habe mir geschworen, mit keiner einzigen Silbe zu erwähnen, daß es sich auch am Riederwaldplatze zwischen Eintracht Frankfurt und Union Niederrad um den ersten Punktekampf des neuen Spieljahres handelte. Nein, nein! Eine solche Trivialität kommt mir auf keinen Fall in meinen Spielbericht! Dieses Treffen also sollte nach der Meinung unzähliger Vorschau-Propheten eine Art Vorentscheidung für die diesjährigen Meisterschaftsspiele der Gruppe Main sein. Union Niederrad wurde für berufen und befähigt gehalten, am ehesten die Vormachtstellung des letztjährigen Spitzenvereins am Main zu brechen. So hoch war die Meinung im eigenen Lager und in den benachbarten „Ställen" des Townleyschen Trainingslots, daß an den letzten Tagen vor dem großen Rennen die Vorwetten auf einen Niederräder Sieg nur noch zu "odds auf" zu haben waren. Heute werden es die meisten wohl nicht mehr wahr haben wollen, aber es war in Wirklichkeit so. Union war Voraus-Favorit für dieses Spiel, bei vielen sogar Voraus-Favorit für die neue Meisterschaft. Union verlor mit 0:3 Toren und enttäuschte schwer. Nicht die Tatsache, daß sie verlor, und noch viel weniger die Höhe der Niederlage sind das wichtigste. Entscheidend ist die Feststellung, daß die geschlagene Gastmannschaft nicht einen einzigen Augenblick für den Sieg in Frage kam. Eintracht hatte fast während des ganzen Treffens das Kommando in Händen, war mindestens während vier Fünftel der Spielzeit die angreifende Partei und hatte eine recht erhebliche Zahl guter Torgelegenheiten, während die Gegner weit weniger oft bedrohlich werden konnten, dann aber noch zu allem Ueberfluß so hilflos schossen, daß der Eintrachthüter nicht mehr als drei Bälle zu halten brauchte, die wenigstens die Flugrichtung auf das Torgehäuse hatten, denen aber immer noch nicht die Gefährlichkeit innewohnte, die notwendig gewesen wäre, um in zählbare Treffer auszuarten. Nach dem Eindruck dieses ersten Tastversuchs scheint es, als seien die Vorschußlorbeeren etwas zu reichlich und mit allzu vollen Händen ausgeteilt worden. Die Union-Mannschaft kam nicht recht auf die Beine. Man hatte während dieser 90 Minuten das Empfinden, als könne die Elf doch mehr, als sie diesmal zeigte, als habe sie einen nicht gerade glücklichen Tag. Manche Aktion mißlang, aber man merkte sehr wohl, daß es nicht etwa absolutes Unvermögen, sondern offenbar zufälliges Mißgeschick war. Vereinzelt sah man deutlich die bildende Hand des Trainers Townley, des erprobten Technikers und Taktikers, aber die Versuche, die Lehre des Meisters zur Tat werden zu lassen, brachen jäh und plötzlich ab. Der Geist war willig, aber die Füße kamen nicht nach. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Man wird Union an glücklicheren Tagen beobachten und beurteilen müssen. Bis dahin wird man die Mannschaft im Auge behalten müssen. Eintracht braucht, so wie sich die Dinge zur Zeit ansehen, auch in diesem Jahre nicht bange zu sein, ist es auch sicherlich nicht. Aber die Verantwortlichen werden sich überzeugt haben, daß der Süddeutsche Meister diesmal noch nicht die große Form der letzten Schlußkämpfe gezeigt hat. Man kann nicht sagen, daß es nur einzelne Schwächen festzustellen gab, aber die Elf zeigte noch nicht diesen mit Nachdruck in Szene gesetzten Zweckmäßigkeitsfußball, der ihr vielleicht schon an einem der nächsten Spieltage von einem der „Provinzvereine" ihrer Gruppe abverlangt werden wird. Die Spieler gefallen sich vorläufig noch zu sehr In Schönheitständelei, vergegenwärtigen sich noch nicht genug, daß Verbandsspiele torhungrige Spieler brauchen, daß man sich eben nicht immer den Luxus reisten darf, fünf Sechstel aller Torgelegenheiten zu verschießen oder zu vertrödeln. Wie hieß doch in längst vergangenen Schulzeiten das Schlagwort jenes schneidigen Reitergenerals: „Wo steckt der Feind? Der Feind steht hier! Den Finger drauf! Den schlagen wir!" Etwas von diesem forschen Draufgängertum sollte die Eintracht aufbringen, ihre technisch wundervollen Kombinationen etwas zügiger in Richtung auf das gegnerische Tor durchführen, ihren Angriffen mehr „Wupptizität" geben können. Manchmal scheint es, als hätten die Riederwälder das in den letzten Jahren so oft gehörte Schlagwort von der „Breitenarbeit" in völlig mißverstandener Weise auf ihr Spiel anwenden wollen. So sehr geht manchmal die Arbeit in die Breite. Kombinationen mit dem Nebenmann auf gleicher Höhe sollten nie mehr sein als äußerste Notbehelfsmittel. Steilvorlagen an den Vordermann, möglichst bis hart an die Abseitsgrenze, bergen mehr Aussicht auf Raumgewinn in sich. Von der seitlichen Kombination bis zur Unproduktivität ist nur ein ganz kleiner Sprung. Eintracht forcierte seinen linken Angriffsflügel, Union wollte sich um jeden Preis rechts durchsetzen. Niederrads Rechtsaußen, der übrigens sehr gut etwas disziplinierter hätte spielen dürfen, scheiterte an Mantel und Pfeiffer. Eintracht dagegen kam mit Kellerhoff und Dietrich recht oft nach vorne, trotzdem der Gegner gerade hier in dem vorzüglichen Winterstein und dem sicheren Breithecker seine besten Leute zur Abwehr einsetzen konnte. Eintracht stützte sich auf die Homogenität ihrer Läuferreihe, was Union infolge des Versagens ihres Mittelläufers nicht möglich war. Ueberraschend war auch, daß man von der vielgerühmten, in Wirklichkeit auch vorhandenen Schnelligkeit des Niederräder Sturmes diesmal so wenig zu sehen bekam. Auch in der Verteidigung gab es einige Male Grund zu Anständen. Veigel hatte ganz im Anfang zweimal Pech. Das schien ihn im weiteren Verlauf des Treffens mehrfach unsicher gemacht zu haben. Dagegen war Schütz in sehr guter Verfassung, und Pfeiffer nahm sein taktisches Feingefühl und sein Stellungsspiel zu Hilfe. Allerdings bleibt eines bei der Eintrachtverteidigung immer zu bemängeln, gleichgültig, ob die beiden Genannten oder Stubb auf dem rückwärtigen Posten stehen: die beiden Schlußleute stehen nie genügend gestaffelt. Es ist taktisch verkehrt, wenn beide Verteidiger auf gleicher Höhe stehen. Torwächter Roth hielt mehrfach sehr gut, zwischendurch fing er aber auch unsicher. Schmidt dagegen, der neue Mann der Eintracht, hatte nur zweimal Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Er wurde sehr wenig beschäftigt, aber er verriet gerade während der Zeit, in der er nicht in Tätigkeit zu treten brauchte, eine gewisse innere Unruhe. Nehmen wir an, daß dies nur auf den Umstand zurückzuführen ist, daß es sich um das erste Verbandsspiel in seinem neuen Verein handelte. Sieben Minuten nach Spielbeginn kam Eintracht überraschend zu einem Glückstor. Mantel hatte einen Strafstoß getreten. Ehmer hob den Ball in doppelter Torhöhe und auffallend steil über den Torwächter. Der Ball traf den rechten Torpfosten fast an der Basis und sprang infolge seines starken Effets ins Union-Tor. Zwanzig Minuten später verschoß Ehmer einen Elfmeter, den Veigel durch unvorsichtiges Spiel gegen Kellerhoff verschuldet hatte. Neun Minuten vor der Pause gab Kellerhoff eine sehr gute Flanke zur Mitte, die von Schaller mit Kopfstoß unhaltbar verwandelt wurde. Kurz nach dem Seitenwechsel wurde Goldammer verletzt und tauschte den Platz mit Dietrich. Acht Minuten vor Schluß gab Pfeiffer einen Strafstoß zu dem Linksaußen stehenden Ehmer, Möbs verlängerte dessen Vorlage zu dem (abseits stehenden??) Schaller, der ein drittes Tor erzielte. Schiedsrichter Karl Schuch vom Sportverein 1898 Feuerbach bot eine ganz erstklassige Leistung. Nur gegen Spielende hätte er gegen einige Derbheiten noch energischer vorgehen dürfen. Ludwig Isenburger. (Aus dem 'Kicker' vom 26.08.1930)
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