Eintracht Frankfurt - 1. FC Nürnberg

Süddeutsche Meisterschaft 1928/29 - 2. Spiel

1:2 (0:1)

 

Termin: 20.01.1929 im Stadion
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Fritz (Oggersheim)
Tore: 0:1 Weiß, 0:2 Wieder (70.), 1:2 Fritz Schaller (83.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Nürnberg

 


  • Stuhlfauth
  • Popp
  • Kugler
  • Lindner
  • Kalb
  • Geiger
  • Reinmann
  • Hornauer
  • Schmitt
  • Wieder
  • Weiß

 

Trainer Trainer
  • Hans Tauchert

 

Der Clubsieg am Riederwald

Eintracht Frankfurt - 1. FC. Nürnberg 1:2 (0:1).

Fünfzig fleißige Leute der „Stadion-Schipp-Schipp-Hurra" hatten in vierundzwanzigstündigem Frondienst über 7000 qm Spielfläche von einer stellenweise 50 cm hohen Schneeschicht befreit. Das war die erste Großtat!

Dann kamen etwa 25.000 Leute der „Stadion-Hipp-Hipp-Hurra" und bejubelten in mustergültiger Haltung und anerkennenswerter Sachlichkeit die Glanzleistungen zweier Meisterteams. Das war die zweite Großtat.

Dann gab es während des wunderschönen Kampfes einen äußerst bedauerlichen Zusammenprall zwischen Maurischat und Reinmann, bei dem der arme Maurischat allerdings durch eigene, leichtfertige Schuld, anscheinend recht erheblich verletzt wurde und nach nur 30 Minuten wirkungsvoller Abwehrarbeit ausscheiden mußte. Das war die bittere Trübung dieses Sonnentages reiner Fußballerfreude.

Bei der Abfahrt gab es chaotische Zustände mit Weibergebrüll auf dem Parkplatze, wo Sonntags-Chauffeure sich gegenseitig die Kotflügel und Schlußlichter abrissen, während man zuverlässige Berufsfahrer durch Aufsichtsbeamte, die vom Auto-Parken absolut nichts verstehen, bereits bei der Anfahrt zu heller Verzweiflung gebracht hatte. Un allens wegen sozusagen eene eenzge lumpge Maark, (sagt der Berliner!).

Am Samstag Abend war „der Club" angekommen, die komplette Kanonenelf des 1. FC Nürnberg mit ihrem liebenswürdig-elastischen Präsidenten Herrn Dr. Schregle, und dem ernst-sachlichen Spielausschußvorsitzenden, Herrn Danninger, an der Spitze. Die Mannschaft war im „Basler Hof" ebenso gut untergebracht, wie sie im „Nürnberger Hof" (wo auch sonst?!) verpflegt wurde. Skat ist kein Bewegungsspiel im Sinne der Satzungen des 1. FCN. Deshalb wurden die Aktiven um 11 Uhr zu Bett gebracht, die anderen Herren sollen noch etwas länger "trainiert" haben.

Zwischen dem 1 FC Nürnberg, dem fünfmaligen Deutschen Meister, und der Frankfurter Eintracht bestehen seit Jahr und Tag enge freundschaftliche Beziehungen. Trotzdem haben beide Mannschaften weder in Verbands- noch in Gesellschaftsspielen allzu häufig die Kräfte gemessen. So sehr sind heute die süddeutschen Spitzenvereine von Punktkämpfen in Anspruch genommen, daß sie trotz ernsten Willens und guten Vorsatzes lange gehegte Verbindungen vernachlässigen müssen. Vielleicht gelingt es doch noch einmal den Großvereinen, sich von dem Ballaste einiger Auchligavereine zu befreien, um hie und da auch ihren Spielplan nach eigenem Gusto gestalten zu können.

Der 1. FCN. hat sich eigentlich immer auf Frankfurter Boden schwer tun müssen, und ebenso hat die Frankfurter Eintracht gegen den Nürnberger Meisterclub noch nie glücklich gekämpft. Auch diesmal nicht, wiewohl sie, nach Lage der Dinge, mit der knappen Niederlage von 1:2 Toren einen riesigen moralischen Erfolg zu verzeichnen hatte. Der „Club" gewann verdient, aber mehr als ein Tor hätte es auf keinen Fall sein dürfen. Die Nürnberger zeigten die bessere Kombination, die zügiger war und weniger oft unterbrochen wurde, sie deckten besser ab und waren etwas kämpferischer. Die Schußleistungen waren anfangs ebenfalls auf Nürnberger Seite besser, später glichen sie sich gut aus. Aber in der ersten halben Stunde, als Eintracht noch elf Mann zur Verfügung hatte, war sie dem Gegner vollkommen ebenbürtig. Als dann unglücklicherweise Maurischat, der bis dahin nicht schlechter verteidigt hatte, als der vorzügliche Schütz, mit anscheinend schwerer Knieverletzung ausschied, stand die Partie für Eintracht plötzlich nicht mehr so rosig, wie sie sich bis dahin angeschaut hatte. Ein rassiger Kampf, ein Treffen, das weit mehr "Lehrspiel" war als jedes andere „DFB.-genehmigte", wurde von nun ab mit ungleichen Waffen geführt. Rein spielerisch büßte es zwar nicht viel ein, aber ein Frankfurter Vier-Männer-Sturm gegen die Hintermannschaft der Nürnberger in ihrer gegenwärtigen Form stand vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Es kann der wackeren Eintrachtelf gar nicht hoch genug angekreidet werden, mit zehn Mann den Kampf 45 Minuten torlos gehalten und später, als der Gegner schon 2:0 führte, gegen einen solch ausgeklügelten Widersacher das wohlverdiente Ehrentor erzwungen, ja sogar die Ausgleichsmöglichkeit mehrfach ertrotzt zu haben. Man darf auch die Frankfurter Leistung noch weiterhin dadurch ins richtige Licht ungetrübter Anerkennung rücken, daß man darauf hinweist, daß die beiden Tore der Gäste durchaus nicht mit unabwendbarer Zwangsläufigkeit kommen mußten, daß sie vielmehr auf taktisches Verschulden der unterlegenen Partei zurückzuführen und keineswegs unvermeidbar waren. Dagegen war gegen den Frankfurter Ehrentreffer weder für Kugler noch für Popp oder Stuhlfauth etwas zu machen. Schließlich hatte Eintracht weit mehr Torgelegenheiten überhaupt, wenn auch der siegreiche Gegner besser und vor allem wuchtiger schoß.

Ich rekapituliere: Nürnberg hat verdient gewonnen, Frankfurt mit großem Pech verloren. Ob eine komplette Eintrachtelf zahlenmäßig besser abgeschnitten hätte? Wer mag sich in solche unergründliche Probleme vertiefen!

Im einzelnen darf gesagt werden, daß keine der beiden Mannschaften irgendeinen sogenannten schwachen Punkt hatte. Es gab auf beiden Seiten nur gute, sehr gute und überragende Kräfte. Der „Club" ist zur Zeit wieder glänzend in Form. Kalb war ganz groß in Leitung des Spieles, in kämpferischer Ausdauer und in — raffinierten Zirkustricks. Seine Nebenleute bildeten mit ihm eine vorzügliche Läuferreihe. Auch Popp und Kugler waren gut aufgelegt und Heinerle war eben der Liebling von 25.000 Begeisterten, die der sympathische Riese so oft schon entzückt hat. Im Sturm mag Hornauer als der regsamste manchem der Zuschauer am besten gefallen haben. So wie der Club-Sturm diesmal spielte, halte ich es für weniger wichtig, den einen gegen den andern abzuwägen. Er war eine festgefügte Einheit, die nicht einmal auf dem Papier des Kritikers auseinander genommen werden darf. Die Maschinerie war fabelhaft geölt. Der Zusammenhang mit der Läuferreihe riß fast nie ab. Wer sich so einigermaßen in den Leistungen der deutschen Spitzenmannschaften auskennt, dem ist vielleicht die leise Ahnung aufgestiegen, als habe er heute im Frankfurter Stadion den Deutschen Meister 1928/29 gewinnen sehen!

Eintrachts bester Mann war diesmal Judisch, der kleine, aber unverwüstliche Torwächter. Er hielt einige sehr scharfe Bälle erstaunlich sicher und stellte sich, was bei der Bodenglätte ungemein wichtig war, immer wie ein alter Routinier, der er in Wirklichkeit ja auch ist. Beide Verteidigungspaare, erst Schütz-Maurischat, dann Schütz-Dietrich, waren der gegnerischen Abwehr ebenbürtig. Schade, daß Maurischat am Tage seines besten Spieles verletzt wurde. Dietrichs Leistungen für die Mannschaft sind nach wie vor von denkbar größtem Wert. Daß er und Mantel an beiden Toren nicht schuldlos war, darf man keinem von beiden Spielern allzu stark vorwerfen, sie beide haben andere Gefahren dafür umso mutiger und umsichtiger abgewendet. Eintrachts Läuferreihe fiel zeitweilig gar nicht auf. Vielleicht ist dies in einem so schweren Kampfe das beste Lob, das man einem

Kübert, Goldammer und Mantel stellen kann. Goldammer hatte es gegen ein solches Innentrio gewiß nicht leicht, aber er hielt sich sehr gut. Der Sturm arbeitete wiederholt allerbeste Torgelegenheiten heraus, war dann aber nicht energisch genug, um sie auszunutzen. Der streitbarste war diesmal das Liga-Baby Stamm, der sich sogar einige Male an den langen Heiner heranwagte.

Fast mit dem Pfiff zur Pause kam Nürnberg durch Weiß zum ersten Tore, Mitte der zweiten Spielzeit schloß Wieder eine Innenkombination durch weiteren Torschuß ab. 8 Minuten vor Spielende erzielte Schaller durch unhaltbaren Volley das Ehrentor.

Schiedsrichter Fritz aus Oggersheim war, (von einer kleinen Inkonsequenz, die Eintracht beinahe ein Tor gekostet hätte, abgesehen), erstklassig, wie immer.     Ludwig Isenburger.

*

Der 1. FCN, ist unser Deutscher Meister, auch wenn den Titel gerade ein anderer Verein trägt.

Es wurde der Beweis geliefert, daß auch ein Punktekampf ein „Lehrspiel" sein kann. Ein echtes sogar. Und kein Leerspiel, denn es waren ihrer 20.000 anwesend, die etwas lernen konnten.

Der 1. FCN. kann auch gut und fair, hart und technisch gut zugleich spielen.

Stuhlfauth ist immer noch Stuhlfauth.

Die Frage Kalb oder Goldammer dürfte nicht mehr aufgeworfen werden! Der gut in Form spielende Goldammer kann auch den mittelmäßig spielenden Kalb nicht erreichen. Trotzdem ist Goldammer gut. Aber Kalb ist Extraklasse.

Dietrich ist und bleibt der weitaus beste Spieler der Eintracht. Aber auch Schütz's Aufstellung in die Ländermannschaft ist gerechtfertigt.

Nürnberg hat keinen Träg mehr. Aber auch keinen Suter. Warum schießen die Flügelstürmer so wenig? Auch Kellerhoff ist nicht vollwertig. Nur Schaller kann schießen. Doch Reinmann spielt gegen die Schweiz ...

Eintracht hätte wohl auch ohne die Verletzung Maurischats verloren. Denn der Sturm verlor das Spiel.

Der Club wird wohl Meister werden. Doch welcher Verein kann Eintracht den zweiten Platz streitig machen?

Ob Mantel oder Kugler eleganter spielt, ist eine Preisfrage.

Judischs größte Stärke ist ein fehlerloses Stellungsspiel. So gut beherrscht es auch Kreß nicht in Frankfurt.

Sind alle Zuschauer, die Nürnbergs Leistungen bejubeln, deshalb eintrachtfeindlich? An Aufmunterung fehlte es wirklich nicht, als Schaller das Tor schoß!

Schiedsrichter Fritz-Oggersheim fand Anerkennung. Auf dem Heimweg sagte ein kleiner Fußballjunge zu seinem Kameraden: „Dieser Schiedsrichter war aber nicht bestochen!" (Wahrscheinlich hatte der Junge etwas aus Westdeutschland vernommen!).

Der eine Linienrichter war Dr. Salomon. Von ihm schrieb „Jockey" einst die unvergeßliche Kritik: „Der beste Mann auf dem Platze war Linienrichter Dr. Salomon."

Unsinn steckt an: Alle Leute begannen in der Pause ihre Vereinsfähnchen mit Schneebällen zu beschweren und ins Feld zu werfen, wo sie aufrecht stecken blieben. Scheinbar glaubte man nicht mehr an die Möglichkeit, sie noch schwenken zu können ....

Auf der Pressetribüne herrschte diesmal keine Ueberfüllung; man hatte keine Anstände. Die Pre-Ka-Ko (neugewählte Pressekartenkommission) hat also segensreich gewirkt.      Argus. (aus dem 'Kicker' vom 22.01.1929)

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