Eintracht Frankfurt -
Germania Brötzingen |
Süddeutsche Meisterschaft 1928/29 - 1. Spiel
4:0 (1:0)
Termin: 06.01.1929
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Sehlmacher (Nürnberg)
Tore: 1:0 Walter Dietrich (42.), 2:0 Karl Ehmer (54.), 3:0 Karl Ehmer (75.), 4:0 Heinrich Stamm (87.)
Eintracht Frankfurt | Germania Brötzingen |
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Trainer | Trainer |
Eintracht besiegt Brötzingen Eintracht Frankfurt gegen Germania Brötzingen 4:0 (1:0) Die 15.000 Zuschauer hätten im Frankfurter Stadion mit seinen Riesenausmaßen keine anheimelnde Fülle ergeben, in dem etwas intimeren Oval des historischen Riederwaldplatzes bildeten sie einen würdigen Rahmen für den Auftakt zu den Kämpfen um die Süddeutsche Verbandsmeisterschaft. Trotzdem Union Niederrad seinen Anhang für sein eigenes Debüt in der Trostrunde in Anspruch nahm und die beiden anderen Frankfurter Großvereine „sachlich" an der Veranstaltung desinteressiert waren, zählte bzw. schätzte man diese immerhin recht respektable Menge. Frankfurts Fußballgemeinde scheint also doch geschlossen hinter ihrem Meister zu stehen. Scheint! Manchmal scheint es tatsächlich nur. Ein recht erheblicher Teil der Platzbesucher, namentlich solche auf der Riederwaldseite, waren offensichtlich noch nicht richtig orientiert, wie dies leider und beschämenderweise auch in früheren Jahren des öfteren wahrzunehmen war. Man demonstrierte gegen die einheimische Mannschaft, gefiel sich also in den berüchtigten Lebensgewohnheiten des bekannten Vogels, der gerne sein eigenes Nest beschmutzt. Das war um so weniger angebracht, als ihnen die Frankfurter Eintracht in ihrem ersten Kampfe als Repräsentant der Maingruppe gegen Germania Brötzingen ein solch vorbildlich schönes Spiel vorlegte, wie es seit langen Jahren von keiner Mannschaft auf Frankfurter Boden gezeigt wurde. Zum mindesten in den ersten 45 Minuten bot der rassige und spannende Kampf mit seinem Höllentempo so viele prickelnde Situationen, daß wenigstens die Zuschauer ohne schäbige Hintergedanken vollauf zu ungetrübtem Genuß kamen. Eintracht war trotz einigen Ersatzes in bestechend guter Form, arbeitete aufopfernd, durchdacht und technisch sehr reif. Die Läuferreihe Kübert-Goldammer-Mantel gab der gesamten Mannschaft Halt und diktierte dem Gegner ihren Willen. Goldammer beherrschte wieder das Feld in weitem Radius, Kübert seit langer Pause wieder von der ersten Minute an der alte Kämpfer, Mantel der unübertreffliche und finessenreiche Taktiker. Vor ihm stand ein Angriff von seltener Produktivität: Kellerhoff-Dietrich-Ehmer. Kellerhoffs rasante Läufe und meistens sehr gut berechnete Flanken schufen eine Torgelegenheit nach der andern. Eine feinsinnige Partie lieferte auch Dietrich, der mit ungewohnter Lust bei der Sache war und die Rolle des „Mädchen für alles" übernommen hatte. Ehmer arbeitete für sich und seine Nebenleute manche Schußgelegenheit heraus. Kissinger als Rekonvaleszent konnte da natürlich nicht immer Schritt halten, und Stamm, der junge Ersatzmann auf dem ungewohnten Rechtsaußenposten, ist vorläufig noch unzulänglich. Immerhin, auch er hatte eine recht annehmbare letzte Viertelstunde, in der er sogar mit Geistesgegenwart ein recht schönes Tor schoß. Die Verteidigung Schütz-Maurischat bewährte sich natürlich erwartungsgemäß sehr gut und auch Judisch zeigte sich selbst kritischen Situationen gewachsen. Bezüglich der Hintermannschaft muß allerdings gesagt werden, daß ihre Arbeit im Hinblick auf die geringe Körperkraft des gegnerischen Angriffs nicht immer schwierig war. Germania Brötzingen erlitt ihre erste Niederlage seit etwa drei Jahren. Das ist eine recht schmerzliche Erinnerung an ihr erstes Auftreten in Frankfurt. Daß sie hier mit größtem Interesse erwartet und begrüßt wurde, wird ihr keinen Augenblick zweifelhaft geblieben sein. Nach den Grundsätzen aller Lebensweisen wird sie sich sagen, daß sie aus herben Schicksalsschlägen die kostbarsten Lehren ziehen kann. Und zu lernen gibt es für diese junge Mannschaft zweifellos noch sehr viel, worauf noch zurückzukommen sein wird. Vorläufig soll von den Vorzügen des äußerst sympathischen Gastes gesprochen werden. Die Mannschaft kämpft einwandfrei fair, besitzt erstaunliche Schnelligkeit und spielt einen geistig und technisch auf gehobener Stufe stehenden Fußball. Die Kombination ist genau und zügig, das Stellungsspiel, namentlich im Sturm, recht konsequent. Wertvollster Mannschaftsteil ist die Verteidigung, in der jedoch nicht nur der neue Repräsentative des Verbandes, Burkhardt, glänzt. Auch sein Nebenmann Heidlauf imponierte, trat anfangs sogar mehr in Erscheinung als Burkhardt. Torwächter Kallenberger ließ sich nur mit vier effektiv unhaltbaren Bällen schlagen, sonst zeigte er gediegenes Können. In der Läuferreihe konnte Th. Klittich mit Kellerhoff nicht fertig werden, was bei der diesmal überragenden Form des Frankfurter Linksaußen nicht unbedingt ein Minus für den Läufer zu offenbaren braucht. Blaich und Weber arbeiteten mit viel Eifer und brachten immer wieder Angriffsmöglichkeiten für die eigene Sturmreihe zuwege. In dieser Sturmreihe gefiel wohl Hörrmann auf Halblinks am besten. Der „Ersatzlinksaußen" Munzinger scheiterte hauptsächlich an seiner geringen Körperwucht, die er mit mehreren seiner Kameraden gemein hat. Der rechte Sturmflügel zeichnete für manche gefährliche Lage vor dem Eintrachttore verantwortlich. Leider hatte K. Klittich mit einigen Schüssen nicht mehr Glück als sein sichtlich geübterer Nebenmann Hörrmann. Die Brötzinger haben neben einigen stattlichen Leuten auffallend viel Jugend in ihrer Mannschaft. Geringe Körpergröße und vorläufig noch völlig mangelnde Wucht beeinträchtigen selbstredend sehr stark. Auch Benachteiligungen bei Kopfbällen können natürlich nicht ausbleiben. Aber all dies, so sehr es bei der diesmaligen Niederlage in Betracht kam, ist kein grundsatzlicher Mangel und wird in 2 oder 3 Jahren sicherlich behoben sein. Dann wird Germania weit mehr noch als zur Zeit im Brennpunkt süddeutschen Fußballinteresses stehen. Das Fazit ihres heutigen Gastspieles in Frankfurt war, daß sie keine Zufalls- und keine „Wunder"-Mannschaft ist. Dietrich schoß kurz vor der Pause das erste Tor nach gut getretenenem Strafstoße von Goldammer. Die drei weiteren Tore für Eintracht kamen aus Flanken Kellerhoffs, zwei erzielte der fleißige Ehmer, das letzte der glückliche Stamm. Sehr korrekt war auch die Spielleitung des Herrn Sehlmacher vom FC. Pfeil Nürnberg, der bei der Schnelligkeit, mit der sich die Ereignisse abwickelten, nicht immer auf leichtem Posten stand. Die Art, wie er eine gelegentliche Zudringlichkeit Kellerhoffs abwies, bewies, daß er sich auch in Szene zu setzen versteht. Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 08.01.1929)
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