Rot-Weiss Frankfurt -
Eintracht Frankfurt |
Bezirksliga Main-Hessen 1928/29 - 8. Spieltag
1:2 (0:1)
Termin: 07.10.1928
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Müller (Mutterstadt)
Tore: Rot-Weiss: Meier; Eintracht: Karl Ehmer (2)
Rot-Weiss Frankfurt | Eintracht Frankfurt |
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Trainer |
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Frankfurter Echo Eintracht Frankfurt erkämpft sich die Tabellenspitze! Die Verbandsspiele, an denen der Frankfurt-Bockenheimer SC. Rotweiß beteiligt war, haben selbstredend immer den zahlreichen Vereinsanhang im westlichen Stadtteil stark in Anspruch genommen. Unzählig oft hat seit Kriegsende die Vorgeschichte und der Verlauf der Punktkämpfe die Gemüter in Aufregung gebracht. Und doch! So lebhaft, wie in dieser Woche sind die Wogen der Erregung, der Spannung, der Anteilnahme sicherlich noch nie gegangen. Man muß sich etwas spezifisch Bockenheimer Fußballgeschichte erzählen lassen, um die besondere Lage würdigen zu können, in der der seitherige Tabellenführer der Maingruppe sich bis zu diesem schicksalsschweren 7. Oktober befand. Zweimal hat der ehemalige VfR. 01, einer der beiden Stammvereine des jetzigen SC. Rotweiß, den Abstieg in die Kreisliga über sich ergehen lassen müssen, zweimal ist es ihm gelungen, sich innerhalb Jahresfrist wieder den berühmten und ehrlich verdienten „Platz an der Sonne" zu erkämpfen, eine Leistung, die — wie es mir dünkt — gar nicht so recht beachtet, zum mindesten aber nicht in der gebührenden Weise gewürdigt worden ist. Im letzten Jahre konnte dann Rotweiß durch seinen dritten Tabellenplatz an den Ausscheidungskämpfen um die Deutsche Fußballmeisterschaft teilnehmen und somit erstmalig die Aufmerksamkeit weitester Sportkreise auf sich lenken. Dieses Spannen auf die „kommende Mannschaft" im Bezirk Main-Hessen wurde in diesem Jahre noch erheblich gesteigert durch den famosen Start des SC. Rotweiß in den zurzeit laufenden Punktkämpfen. Lange hielt sich die junge, fast durchweg aus Spielern eigener Provenienz gebildete Mannschaft ohne jeglichen Punktverlust an der Tabellenspitze, und hatte sich inzwischen einen Vorsprung gesichert, der selbst durch die unerwartete und stark diskutierte Niederlage in Offenbach nicht ganz aus der Welt geschafft werden konnte. Inzwischen rückte der Tag heran, an dem die Entscheidung um die vorläufig beste Aussicht auf die Mainmeisterschaft fallen sollte. Rotweiß traf Vorbereitungen zum Empfang der nur einen Punkt hinter ihr folgenden Eintracht. Nach dem Gesagten kann es nicht Wunder nehmen, daß in den letzten acht Tagen das große Orts- und Entscheidungstreffen das einzige Thema aller Gespräche in Frankfurt am Main-West bildete. Noch selten haben sich Anhänger eines Vereins so restlos hinter den Siegeswillen ihrer ersten Mannschaft zu setzen gewußt. In dieser denkwürdigen Woche hat es in ganz Bockenheim niemanden gegeben, der für eine andere Frage als die des mutmaßlichen Spielausganges auch nur das geringste Interesse gehabt hätte. Es gab nur ein Herz und einen Schlag, einen Wunsch und einen Sinn. Am Tage der Entscheidung rüstete sich ganz Bockenheim, wie zu einem großen Feste. Die Vereinsleitung hatte den ursprünglich als unzulänglich betrachteten Platz an der Festhalle auf ein Fassungsvermögen von über 20.000 Menschen gebracht, die Bürgerschaft des westlichen Stadtteiles wußte, was sie ihren rotweißen Farben schuldig war, und gab vollzählig das Geleit. Johann Petry, der fleißige Figaro aus der Leipziger Straße, hatte seine zahlreichen Stammkunden in einheitlichem Haarschnitt und glattester Rasur in ihren Sonntagsrock schlüpfen lassen, die Leitung des „Stalles Riese" hatte doppelte Haferrationen verfüttert. Alles war bestens vorbereitet, es konnte losgehen. Und es ging los. Der Aufmarsch begann frühzeitig und ging reibungslos. Wilhelm Hoffmann dirigierte die 20.000 planmäßig. Dann kamen die Mannschaften. Beide mit je einem Ersatzmann, Rotweiß ohne Kilz, Eintracht ohne Trumpp. Die Platzwahl bringt Eintracht bereits in wesentlichen Vorteil, da Schütz begreiflicherweise als erster mit der Sonne im Rücken zu kämpfen wünscht. Trotzdem nahm anfangs Rotweiß das Heft in die Hand. Doch dauerte der kleine Vorteil nur knapp zehn Minuten. Dann hatte sich Eintracht genügend mit dem unebenen Boden vertraut gemacht, um bis zur Pause ein klar überlegenes Spiel zu zeigen. Nach dem Wechsel verwischte mehr und mehr der Stärkeunterschied, zeitweilig lag sogar Rotweiß mit mehr als deutlicher Uebermacht im Angriff. Hier aber zeigte sich der Leistungsunterschied, der dem ganzen Spiele anhaftete und — nicht allein, wohl aber in der Hauptsache — für den zahlenmäßigen Ausgang entscheidend war: während der Eintrachtsturm in tadelloser Geschlossenheit und ausreichender Durchschlagskraft auf Torschüsse hinstrebte, erwies sich die gegnerische Angriffsreihe als allzu schwach, um gegen die famose Läuferreihe der Eintracht, ihre nicht schlechtere Verteidigung und den sehr aufmerksamen Ersatztorwächter Erfolge erzielen zu können. Es ist bezeichnend für die verhängnisvolle Weichheit des Bockenheimer Sturmes, daß der einzige Erfolg ihrer Farben aus einem Strafstoße ihres Läufers Meier herrührte, der allerdings famos getreten und noch besser placiert war. Die fünf Stürmer dagegen konnten sich nicht durchsetzen, da ihre — heute zum ersten Male spielenden — Flügel schwach waren und dem Innensturm der Zusammenhang und die Durchschlagskraft fehlte. Dieser große Mangel entschied das Spiel zugunsten der anderen Partei, die übrigens gerade in ihrer Sturmreihe tadellos arbeitete. Im übrigen gab es an den Bockenheimern nichts zu tadeln. Den Torwächter Kreß wird man auch weiterhin für Extraklasse halten dürfen, da die beiden Eintrachttore keinen Anlaß bieten, ihm Vorhaltungen zu machen. Das erste, vom Fuße Ehmers fallend, war für Kreß vollkommen unhaltbar, das zweite, über das von gegnerischer Seite einige Einsprüche zu hören waren, war wohl ein Tor, auf das selbst englische Berufsspieler stolz zu sein pflegen. Die rotweiße Hintermannschaft entsprach in allen Teilen den großen Erwartungen, die man mit Recht auf sie gesetzt hatte. Ganz besonders überraschte das gute Spiel Meiers auf dem ungewohnten Posten des rechten Außenläufers. Der linke Außenhalf Kraushaar ließ sich aber von Meier in nichts übertrumpfen. Schade also, daß Rotweiß keinen besseren Sturm aufzustellen vermochte. Vielleicht wäre es sonst heute noch an der Tabellenspitze. Es soll und kann hiermit nicht gesagt sein, daß Eintracht zu Unrecht den spannenden Kampf gewann. Sie spielte in ihrer Gesamtheit ein hervorragendes Spiel, zumal ihr der Boden an der Festhalle immer besonders große Schwierigkeiten bereitet hatte. Will man einzelne Eintrachtleute hervorheben, so muß man mit Goldammer und Kissinger beginnen, denen sich Kübert, Schütz und Döpfer würdig anschlossen. Aber auch die übrigen legten sich mit Eifer und Können mächtig ins Zeug. Herr Müller (Mutterstadt) leitete das sehr faire
Spiel äußerst aufmerksam. Zweifellos muß man ihm für
die korrekte Durchführung seines Amtes verdienten Dank sagen.
Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 09.10.1928) |