Germania Bieber - Eintracht
Frankfurt |
Bezirksliga Main-Hessen 1928/29 - 4. Spieltag
1:1 (1:1)
Termin: 09.09.1928
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter: Fritz (Oggersheim)
Tore: 0:1 Fritz Schaller, 1:1 Huber
Germania Bieber | Eintracht Frankfurt |
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Trainer |
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Germania Bieber — Eintracht Frankfurt 1:1. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß in Bieber der Liganeuling gegen den Mainmeister im Feuer stand, und hiermit das unentschiedene Spielergebnis von 1:1 Toren in Vergleich setzt, dann ist die Ueberraschung dieses Ligatreffens vollinhaltlich gekennzeichnet. Bieber, dieser nicht überwältigend große, geschäftlich aber sehr regsame Vorort Offenbachs, der sich übrigens auch durch seine sauberen Straßen und schmucken Häuschen auszeichnet, besitzt seit vielen Jahren einen der erfolgreichsten Turnvereine des Kreises. Warum soll es nun nicht auch durch die Leistungsfähigkeit seines Fußballklubs Germania in Süddeutschland berühmt werden? Germania Biebers Sportplatz liegt hart am Rande eines Waldes, und der Blick in die hohen Kiefern- und Buchenstämme ist zum Glück nicht durch geschmacklose Plakatwände verschandelt wie anderwärts. Das dunkle Grün des Waldes tut dem Auge des Großstädters wohl. Es beruhigt die Nerven der Zuschauer. Aber das Spielfeld ist nichts für den Geschmack eines Ligaspielers, der seine Kunst im Frankfurter Stadion oder auf dem ebenso gepflegten Riederwaldplatze zu zeigen gewohnt ist. Die Kampfstätte ist sehr uneben. An diesem Umstand scheiterte in der Hauptsache die Ligaelf der Eintracht, die sich mit den örtlichen Verhältnissen nicht zurecht finden konnte. Kam noch verschiedentlich Pech beim Schießen hinzu, einige Lattenschüsse und mehrfach Bälle, die knapp neben den Pfosten gingen, und schon war das Unglück in Form des Verlustes eines Punktes fertig. Rein spielerisch war die Mannschaft absolut nicht schlecht, zeitweilig sogar in recht beachtlicher Form, zeigte auch Ehrgeiz und Siegeswillen, aber ---- mehr als ein dünnes 1:1 war eben nicht zu erzielen. Es darf dabei nicht verschwiegen werden, daß in der Hintermannschaft deutliche Schwächen vorhanden waren. Judisch fühlte sich erst recht spät in seine Rolle als Trumppersatz ein, Vesper zeigte Lampenfieber und Schütz war durch die ungewohnten Bodenverhältnisse am allermeisten beeinflußt. Der Rest der Mannschaft kämpfte durchaus befriedigend. Selbstredend hatte Germania Bieber ihren wohlgemessenen Anteil an dem Erfolg, der weit mehr ist als ein sogenannter „Achtungserfolg". Man kann auch den für den Liganeuling so rühmlichen Spiel-Ausgang nicht einfach mit den Worten abtun, daß es sich um den Lohn für Eifer und Pflichttreue handelt. Die Leute verstehen, recht gut zu spielen, sind technisch auf beachtlicher Höhe, und Eintracht wird in Bieber noch manchen Leidensgefährten finden. Das besondere Kennzeichen der Mannschaft ist die schlagsichere und fast unüberwindliche Verteidigung, wobei Zahn und Lukas II wetteifern, die alte Tradition des Vereins hochzuhalten. Der Torwächter bildet einen würdigen Abschluß. Er hielt eine Reihe schwieriger Bälle sehr gewandt. Auch die Läuferreihe, und hier namentlich die Flügelläufer, fällt angenehm auf. Die Angriffsreihe ist in Kombination und Durchschlag durchaus nicht übel. Es mangelt aber umsomehr am Schusse. Man muß den Germanen den einen Punkt auf alle Fälle gönnen, wenn sie auch, rein spielerisch betrachtet, auf recht glückliche Weise dazu gekommen sind. Eintracht war die tonangebende Partei, Germania Bieber benutzte aber recht häufig die Gelegenheit, um zu zeigen, daß sie sich auch in den Strafraum des Gegners traue. Schaller schoß für Eintracht das Führungstor etwa in der Mitte der ersten Halbzeit. Vesper hatte an Dietrich abgegeben, von dort wanderte der Ball über Ehmer zu dem Torschützen Schaller, der einen scharfen Schrägschuß anbringen konnte. Kurz vor der Pause führte der vierte Eckball für Bieber zum Ausgleich. Judisch hatte den Ball zu kurz abgewehrt, Huber hob das Streitobjekt über die Gegner hinweg ins Netz. Alle übrigen Anstrengungen, die Mehrzahl natürlich hiervon von Seiten der Eintracht, blieben erfolglos. Herr Fritz-Oggersheim zeigte in geradezu schulmäßiger
Form, wie genau man einen Fußballkampf beobachten und dann auch
leiten kann. Es gab nicht das geringste an seiner Spielleitung auszusetzen.
Er verschaffte sich in den ersten fünf Minuten bereits den erforderlichen
Respekt, und dann rollte der Sportfilm ganz von selbst ab, wie man es
unter Leitung des Herrn Fritz bereits gewohnt ist. Ganz im Gegensatze
hierzu machte der Leiter des Verbandsspieles der Reservemannschaften (5:3
für Eintracht) einen unsagbar hilflosen Eindruck. Er sollte bei Fritz-Oggersheim
in Nachhilfeunterricht gehen. Ludwig Isenburger.
(aus dem 'Kicker' vom 11.09.1928) |