Borussia Erfurt - Frankfurter
Fußball-Verein |
Freundschaftsspiel 1913/1914
1:6 (1:4)
Termin: 31.05.1914
Zuschauer:
Schiedsrichter:
Tore: 1:0, 1:1, 1:2, 1:3, 1:4, 1:5, 1:6 - u.a. 4x Jakob Dornbusch
Borussia Erfurt | Frankfurter Fußball-Verein |
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Pfingstreise der 1. Mannschaft. Um es gleich vorweg zu sagen, die diesjährige Pfingstreise der 1. Mannschaft nach Erfurt-Leipzig war wohl eine der schönsten, die der Verein je gemacht hat. Unserem Mittelläufer Jockel wird es, ferne von uns, sicher manchmal in den Ohren geklungen haben bei all den begeisterten Hipp Hipp Hurrahs, die an diesen beiden Tagen ausgebracht wurden. Ein Teil der Mannschaft fuhr am Nachmittag um 3 Uhr und langte wohlbehalten um 1/2 10 Uhr in Erfurt an. In dem ersten Hotel in Erfurt, dem „Erfurter Hof", wird Quartier genommen. Bei dem anschließenden Bummel wird gleich in die erste Restauration eingekehrt. Sie sah von außen nicht sehr vorteilhaft aus, aber im Erker prankte ein großes Plakat: F.F.V., der Bradford-Sieger kommt! und das genügte für uns. Wir hatten einen guten Griff getan, denn das Essen und Trinken war vorzüglich gewesen. Wir waren noch keine 10 Minuten drinnen, als auch schon von einem Nebentisch der Ruf ertönte: „Prost, ihr Äppelweinbrüder!" — ein biederer Offenbacher 99er hatte uns erkannt. Um 11 Uhr verließen uns dann die drei Landpomeranzen, die auf ein Nachbardorf zu Willys Tante zum fürchterlichen Abkochen fuhren. Die andern müssen dann die schreckliche Wahrnehmung machen, daß in Erfurt ja gar nichts los ist. Resigniert ergeben sie sich in ihr Schicksal und wandeln den heimatlichen Penaten zu. Frühmorgens um 5 Uhr gab es dann den ersten Schlager, die Nachzügler kamen an. Sie mußten eine lustige Fahrt gemacht haben, denn die Stimmung war hoch. Mit dem Eintreffen von Neppach, Claus, Schneider und Dornbusch auf unserem Korridor ertönten auch bald die Rufe: Was fällt Ihnen denn ein, wer ist denn an meiner Türe, ich schelle nach dem Portier u. dergl. mehr. Das erste Hipp Hipp Hurrah! erschallt und mit ihm erscheint auch der Portier und der Oberkellner, aber zu spät, schon ist Ruhe und die Zimmer sind verschlossen. Am anderen Morgen werden wir von unserem früheren Mitglied Tycrinzky, dem jetzigen Torwächter unseres Erfurter Gegners, abgeholt und durch die Stadt geleitet. Um 1 Uhr sind wir dann glücklich alle beieinander, auch die Langschläfer, die in der Nacht angekommen waren. Die Elektrische bringt uns dann in die Gegend des Platzes. Der F.F.V. bleibt seiner Gewohnheit treu. Hoch zu Wagen will er auf dem Sportplatz ankommen. Diesmal ist es so im wahren Sinne des Wortes, denn nicht im üblichen Auto kutschieren wir, sondern ein zweispänniger Landauer, der sonst höchstens 8 Personen faßt, wird als Vehikel benutzt. Unter den Klangen des „Tyroler Landes" ziehen wir unter Neppachs Führung in das Erfurter Stadion. Unsere Mannschaft spielte in folgender Aufstellung: Neppach, Pfeiffer, Claus, Schneider, Becker, Braun, Köllisch, Martin, Schlüter. Dornbusch, Caesar. Wir gewinnen mit überlegenem Spiele 6:1. Unser Gegner macht das erste Tor. Es dauert längere Zeit, bis wir ausgleichen können, denn in unserer Stürmerreihe war mit der Redelust die Spielfertigkeit in entsprechendem Maße gesunken. Bei Halbzeit steht es dann 4:1 und bei Schluß haben wir 6:1 gewonnen. In der Stürmerreihe konnte Dornbusch 4 Tore erzielen, teils durch guten Schuß, teils auch durch gute Vorlage von Schlüter. Caesar flankte oft hinter das Tor, während Köllisch angenehm enttäuschte als Rechtsaußen. In der Läuferreihe gab der Mittelläufer nur ab und zu Proben seines Könnens, die in gewaltigen, wirklich guten Schüssen bestanden. Sonst machte er sich die Sache ziemlich leicht. Die Außenläufer waren gut. Der beste Teil der Mannschaft war die Verteidigung. In ihr zeigte Claus zum Abschied hervorragendes Spiel, umsomehr, als er einen wirklich erstklassigen Flügelstürmer gegen sich hatte. Letzterer nahm zuletzt seine Zuflucht zum Holzen, wofür aber der Unparteiische keinen Sinn hatte, denn er stellte ihn einfach heraus. Pfeiffer war gut, im Reden und im Spielen. Neppach konnte nur vereinzelt Proben seines großen Könnens zeigen. Nach dem Spiel gings dann wieder mit unserem vornehmen Fuhrwerk ins Erfurter Lokal. Dort werden zuerst die Würste von Willys Tante verzehrt. Nachdem alles gespeist hat, wird dann die Stimmung gehobener. (Unser Goalkeaper hatte die Speisekarte durchgegessen.) Der offizielle Teil der Feier beginnt dann, als der Ober verschiedene Flaschen Wein bringt. Seitens des Kassierers erfolgt dann eine herzliche Abschiedsrede für unseren scheidenden Fred. Er bringt darin zum Ausdruck, daß uns mit dem heutigen Tage ein glänzender Spieler, ein guter Freund und ein trefflicher Kapitän verläßt. In das Schluß-Hipp Hipp Hurrah stimmen die Mannschaft sowohl wie die Erfurter Damen und Herren begeistert ein. Fred dankt mit Worten, in denen er ausdrückt, daß er nie seine Freunde in der 1. Mannschaft, im F.F.V. vergessen wird, daß die Zeit in Frankfurt für ihn die schönste seines Lebens bleiben wird. Zum Schlusse wünscht er der Mannschaft weitere Erfolge, basierend auf ihre Kameradschaft und Freundschaftsbündnisse untereinander. Dumpf klingen die Gläser aneinander zum Abschiedsprost. Nach den etwas verspäteten Begrüßungsworten des Erfurter Vorsitzenden tritt dann die allgemeine Fidelitas ein. Die einen tanzen, die anderen promenieren mit ihrem Stern auf der Straße, wieder andere trinken — um ihren Kapitän geschart — immer weitere Abschiedsflaschen und der linke Läufer trinkt mit seinem Kollegen am Büffet Nord mit Gewehr über. Und schon naht die Abschiedsstunde. 9:34 Uhr geht der Zug nach Leipzig, es ist schon spät. Autos bestellen! Glücklich sind wir dann in den Fuhrwerken drin, als der Chauffeur des einen Wagens entdeckt, daß 7 Personen drin sind und daß er nur 5 befördern darf. Auf unsere eindringliche Bitte, uns doch mitzunehmen, reagiert er nicht und schon ertönt der Ruf „Alles raus, wir müssen da bleiben, es ist zu spät!" — (Schluß folgt.) (aus der Vereinszeitung des Frankfurter Fußball-Vereins vom 13.06.1914) Pfingstreise der 1. Mannschaft. (Schluß.) Und nun wird's bunt. Die Chauffeure sind mitten drin und werden alles nur nicht freundlich behandelt, alles ruft und schreit, sämtliche Erfurter sind mittlerweile aus dem Saale gekommen. Schon schickt man sich an, den Chauffeuren den Betrag für das Warten der Wagen in nicht mißzuverstehender Weise auszuzahlen, als ein blanker Helm in der Menge erscheint: „Ruhe! Was ist hier los?" — Und schon erstreckt sich das ganze Wohlwollen auf den Neuangekommenen. Herr Konstabler, Herr Sergeant, Herr Hauptmann, schlechter Schmier und mehr muß er über sich ergehen lassen. Aber er ist ein vernünftiger Mann. Nach zwei Minuten ist alles erledigt. Die Chauffeure bekommen ihr Geld, die Menge begibt sich herein und der Herr Sergeant mit Aloys und den anderen Uniformierten ans Büffet zum Kümmel. Und nun geht's weiter. Es wird getanzt, getrunken, geredet und am Büffet gestanden, jeder hat ein Klümpchen für sich, in dem er wirklich frohe Stunden verbringt. Und dann schlägt endgültig die Abschiedsstunde. Kurz vorher wird noch eine Aufstellung Frankfurter Typen veranstaltet. In der Mitte des Saales sitzt der Erfurter Goalkeeper; er hat sich den Kanal so volllaufen lassen, daß er jetzt nur noch lallt „F.F.-V. Hurra" und wupp liegt er um. Neben ihm sitzt der Ersatzkapitain. Er redet nichts, der Kopf ist auf die linke Schulter gesunken, die Augen scheinen auf Stengeln zu sitzen: so bildet er ein Bild voller Kraft und Antialkoholismus. Der Nachbar zur Rechten von Tycrinsky will scheint's von der Außenwelt nichts mehr wissen, er hat sich von innen betrachtet, sein Antlitz ist gebleicht, die Augen sind geschlossen, sicher will er den Schuß nicht sehen, den er gemacht hat, denn er ist doch an der Stange vorbei. Diese Ausstellung hatte den ungeteilten Beifall der Besucher gefunden, es war aber auch ein Bild zum Schießen. Und nun gings wieder ins Hotel. Im Vestibül geht der letzte Abschied von Fred vor sich. Wie süße, kleine Mädchen, so fallen die Leute nacheinander ihrem scheidenden Kapitain um den Hals, Tränen sieht man rollen, Lagerbier aus den Augen fließen, aber trotzdem, es war ein erhebender Anblick, ein Anblick, so recht bezeichnend für das, was die Leute mit ihrem Kapitain verband, Freundschaft und immer wieder Freundschaft. „Auf Wiedersehen in Altona", das war der letzte Ruf und unser lieber Fred war fort von uns. Nun gehts ins Bett. Die üblichen Tänze auf dem Korridor sind bald vorbei und Ruhe scheint überall einzutreten. Aber bald wird sie unterbrochen. Die Ursache hierzu war eine höchst komische. Verschiedene Leute hatten nicht in dem angewiesenen Zimmer, sondern, in dem einzigen Bedürfnis nach Schlaf und Ruhe, einfach da ihr Lager aufgeschlagen, wo Platz und Betten waren. Und so kommt es, daß ein Ehepaar mit einem kleinen Kinde, das des Nachts heimkommt, sein Zimmer besetzt findet. Die Entrüstung des Ehemanns löst die Antwort des Mittelstürmers aus: „Geh fort und laß uns schschllaafen, geh nächstens früher haam!" — Gleich darauf erscheinen Portiers, Hausburschen, Zimmermädchen und Oberkellner, um die Sache zu regeln. Das Ehepaar will ja ein anderes Zimmer nehmen, aber das Kinderbett muß doch raus, sie haben es ja extra mitgebracht. Und so muß denn der Mann aus Eschersheim in dem Kinderbett geweckt und ihm klar gemacht werden, daß er ausziehen muß. Das Kinderbett wird rausgeschafft und damit ist die Geschichte in Frieden erledigt. Das Schlußbild, wie Freund Caesar mit dem kurzen Hemdchen in der Mitte, vorn und hinten ein Portier, durch die Menge defiliert und ein anderes Zimmer bezieht, war einfach zum wälzen. Zufrieden zieht dann das Ehepaar lachend ab mit den Worten: „Gottseidank, daß ich aus diesem Zimmer raus bin, denn da drin ist es ja unheimlich." [...] (aus der Vereinszeitung des Frankfurter Fußball-Vereins vom 01.07.1914)
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