Hans-Dieter 'Fips' Wacker

*28. 12. 1958 · † 03. 10. 1993

Jugendspieler bei SKV Büttelborn und der Eintracht, 1979 Sportinvalide, Spielertrainer SKV Büttelborn, 1988 bis 1991 Trainer bei TSV Wolfskehlen, Trainer bei Viktoria Griesheim, ab Sommer 1993 erneut Trainer beim TSV Wolfskehlen

Bundesliga
DFB-Pokal
Intertoto-
Runde
1977/78
-
-
-
-
2
-
1978/79
1
-
-
-
-
-
Gesamt:
1
-
-
-
2
-

Saison 1977/1978 Saison 1978/79 Saison 1978/1979

 

 

Kerstin Dingelein in ihrem Blog Rot und Schwarz:

Hans-Dieter "Fips" Wacker - Ein Fußballerleben

Für Tibor, der seinen
Vater nicht mehr
kennenlernen konnte
und dem die Erinnerung
an ihn so viel bedeutet.

Hans-Dieter Wacker wurde am 28. Dezember 1958 in Roßdorf geboren. Dort lebte er zunächst bei seinen Großeltern und dort wurde ihm der Fußball sozusagen in die Wiege gelegt. Oma und Opa lebten in der alten Schule und dort gab es – wie das so ist bei alten Schulen – einen großen Innenhof. Fips tat, was die meisten kleinen Jungs in seinem Alter getan hätten: Er nutzte den Hof zum Spielen, zum Fußball Spielen. Schon der kleine Bub war immer mit dem Ball unterwegs – Fußball, Fußball, Fußball – und so war es nur folgerichtig, dass er mit acht oder neun Jahren einem richtigen Verein bei trat – der SKV in Büttelborn. Schnell zeigte es sich, dass der Fibbes (wie er damals wegen seines ursprünglichen Nachnamens – Fiebig – genannt wurde), nicht nur gerne Fußball spielte, sondern Talent hatte. Also: Richtiges Talent, „keiner von denen, die heute schon als Jahrhunderttalent gelten, wenn sie unfallfrei einen Ball über drei Meter zupassen können“ – sondern ein wirklich überragendes Ausnahmetalent. „Der konnte ganze gegnerische Teams schwindelig spielen“, erinnert sich Uli Rein, Rekordtorhüter der SKV Büttelborn und in jungen Jahren Teamkollege von Fibbes. „Der konnte sich an der Mittellinie den Ball schnappen und nach einem Sololauf übers halbe Spielfeld den Ball im gegnerischen Tor versenken. Das war beeindruckend.“ „Eckbälle drehte Fips direkt ins Tor hinein – darin war er einmalig“, erinnert sich seine Frau.

Büttelborn ist ein kleiner, nicht besonders aufregender Ort im hessischen Ried, ländlich geprägt, trotz Nähe zur Kreisstadt Groß-Gerau und zu Opel in Rüsselsheim. Spargeläcker. Zuckerrüben. Reges Vereinsleben. Wie in vielen anderen kleinen Orten Anfang/Mitte der 7oer war das Leben von Fibbes, und den anderen Jungs in seinem Alter vom Fußball geprägt. Sie schwärmten für die Eintracht und für Jürgen Grabowski und standen bei Heimspielen im Waldstadion im Fanblock und feuerten ihre Eintracht an. Sie trainierten bei der SKV und wenn kein Training angesetzt war, zogen sie trotzdem jeden Nachmittag zum Sportplatz, um dort Fußball zu spielen. Stundenlang. „Das war das beste Training – für Fips und für uns alle.“

Fips muss ein Kämpfer gewesen sein, denn der Bub hatte bereits als Kind und Jugendlicher einiges zu verkraften. Im Alter von 9 bis 11 Jahren folgten hintereinander drei Operationen am Ohr, mit 13 überstand er eine schwere Hirnhautentzündung. Das war kurz nachdem er 1972 in Duisburg-Wedau bei den Landesverbandmeisterschaften der C-Jugend mit der hessischen Auswahl die Vizemeisterschaft geholt hatte und – unter den Augen des damaligen Bundestrainers Helmut Schön und des Gladbacher Trainers Hennes Weisweiler – zum besten Torschützen des Turniers gekürt worden war.

„Eines Tages hatte ich plötzlich Kopfschmerzen, ich konnte den Nacken nicht bewegen, meine Temperatur kletterte auf 40,2 Grad und nach einem Tag Bettruhe waren meine Beine gelähmt“, erzählt der damals 14-Jährige einer Regional-Zeitung, die über die hessische Schülerauswahl berichtet. Infektion mit Tetanus-Viren. 6 Wochen auf der Intensivstation im Rüsselsheimer Krankenhaus. Die größte Sorge des Jungen: „Vielleicht kann ich nie wieder Fußball spielen.“

Doch. Er kann und er kommt wieder. Nur 6 Wochen nachdem er das Training wieder aufgenommen hat, wird er von Karl-Heinz Heddergott, der damals für den DFB die Schülerauswahl betreute, bereits wieder zum jährlichen Schülerlager eingeladen. Ein Jahr später spielt er in der hessischen Schülerauswahl. Hans-Dieter Fiebig (im Bild links vorne) trägt die Nummer 10 und ist das Herzstück der Mannschaft. Ein Zeitungsbericht aus dieser Zeit bescheinigt ihm „energisches Nachsetzen“ und schwärmt von seiner „eleganten Ballführung“. „Kaum zu glauben“, heißt es weiter im Text, „dass dieser Bursche vom Tod gezeichnet war. – Ein vierzehnjähriger mit der Erfahrung eines reifen Mannes.“

In der Hessenauswahl bei Karoly Nemeth, dem ehemaligen ungarischen Nationalspieler und damaligen Trainer der Hessenauswahl, erhält Hans-Dieter dann seinen endgültigen Spitznamen . Aus dem eher hessisch angehauchten „Fibbes“ wurde „Fips“ – und dabei blieb es.

Auch auf Vereinsebene war Fips erfolgreich: Innerhalb kurzer Zeit hatte er sich zum überragenden Büttelborner Jugendspieler entwickelt, nicht nur in seiner eigenen Altersklasse, sondern auch bei den Größeren. Im Jahr 1973 mit noch nicht einmal 15 Jahren wurde er – gemeinsam mit dem Team um den zwei Jahre älteren Uli Rein –Kreis- und Bezirksligameister der A/B-Jugend. Das Team qualifizierte sich für die A-Jugendbezirksliga. Auch höherklassige Vereine wurden auf den talentierten Jungen aufmerksam. Im Laufe der Saison 73/74 wechselte Hans-Dieter Wacker - Fips hatte zwischenzeitlich den Namen seines Adoptivvaters angenommen - zur Eintracht. Er spielte in der Schülernationalmannschaft. Zum Saisonabschluss trug das Nachwuchsteam damals immer ein Länderspiel gegen England aus, das wechselnd in Berlin oder in London stattfand. Fips war dabei - mit der Nummer 10 auf dem Rücken stand er im Jahr 1974 im Wembley-Stadion vor über 60.000, meist jugendlichen Zuschauern auf dem Platz – und brachte sogar Bobby Charlton ins Schwärmen: „Das wird einer.“

„Das wird einer,“ dachte sich auch die Eintracht, Jürgen Grabowski sah in ihm seinen potenziellen Nachfolger – Fips schien mit 16 dem Ziel seiner Träume sehr, sehr nahe zu sein. Zusammen mit Martin Haskamp (Werder Bremen) und Klaus Santanius (Schalke 04) war er Held der Langzeitdokumentation „Der Rasen ihrer Träume“, jeweils im Drei-Jahresabstand wurde vom Karriereverlauf der Nachwuchsfußballer berichtet – am Ende eine Geschichte der Ernüchterung, wenn nicht gar der geplatzten Träume. Martin Haskamp schafft es bei Werder ebenso wenig sich durchzusetzen wie Klaus Santanius bei Schalke. Fips Wacker stand für den Dreh des dritten Teils im Jahr 1980 nicht mehr zur Verfügung.

Aber zurück ins Jahr 1975. Fips Wacker spielt erfolgreich bei der A-Jugend der Eintracht . Zusammen mit Ronny Borchers bildet der technisch brilliante Mittelfeldregisseur eine Art Dreamteam. Am Rande eines Internationalen Jugendturniers in Zoetermeer, in der Nähe von Den-Haag, lernt er seine Freundin (und spätere Frau) Astrid kennen. Die Eintracht-Jugend setzt sich gegen Mannschaften wie Macabi Tel aviv, Paris St. Germain, Ajax Amsterdam durch und fährt als Turniersieger wieder zurück nach Frankfurt. Fips trainiert und spielt bei der Eintracht, aber – fußballverrückt wie er nun mal ist – schiebt er immer noch ein paar zusätzliche Trainingseinheiten bei seinem alten Verein, auf dem Sportplatz in Büttelborn, ein, macht Torschusstraining und ballert seinem früheren Mannschaftskollegen Uli Rein die Bälle um die Ohren. Im Herbst 1976 dann der Rückschlag: Eine schwere Knieverletzung nach einem A-Jugendspiel gegen Union Niederrad. Meniskus- und Bänderoperation bei Professor Heß. Rekonvaleszenz. Aufbautraining. Anschluss wieder geschafft. Ein Jahr später im Oberliga-Spiel gegen die SG Höchst wieder eine Verletzung. Das gleiche Knie, der Außenmeniskus. Erneute Operation. Fast sieht es so aus, als sei Fips Wacker bereits mit 18 Jahren auf dem Weg in die Invalidität. Aber er lässt sich nicht unterkriegen, kämpft sich wieder heran, auch dank der der geduldigen Unterstützung von Arda Vural, dem türkischen Konditionstrainer der Eintracht.

Seit der Saison 1977/78 gehört Fips Wacker zum Profi-Kader der Eintracht. Die Bilder aus dieser Zeit zeigen einen gut aussehenden jungen Mann, mit vielleicht ein wenig weichen Gesichtszügen, der ein wenig schüchtern in die Kamera lächelt. Während der - nach allgemeiner Einschätzung eigentlich weniger talentierte - Ronny Borchers in der ersten Mannschaft und auch in der Nationalmannschaft durchstartet, will Wacker der Durchbruch einfach nicht gelingen. Liegt es an den Verletzungen? Liegt es daran, dass – wie Bernd Hölzenbein später mutmaßte – da ja auch noch große Jürgen Grabowski vor ihm war? Er hadert mit Trainer Otto Knefler, versteht nicht, warum er bei anderen Klubs angepriesen, als mögliche Leihgabe in den höchsten Tönen gelobt wird und für die Eintracht nicht gut genug sein soll. Im Mai 1979 kommt er zu seinem ersten und einzigen Bundesligaeinsatz für die Eintracht – beim 0:0 gegen Nürnberg wird er in der 85. Minute für Wolfgang Kraus eingewechselt. Hans-Dieter Wacker plagen Selbstzweifel, er hat einfach kein Vertrauen mehr zu sich selbst, ist verzweifelt. Die Eintracht überlegt, ihn auszuleihen. Fips möchte der Entwicklung zuvorkommen und streckt seine Fühler aus.

Am Ende der Saison 78/79 sieht es so aus als ob die Wege von Eintracht Frankfurt und Hans-Dieter Wacker sich trennen. Statt des geplanten Leihgeschäfts steht ein Wechsel zum MSV Duisburg unmittelbar bevor. Hans-Dieter Wacker will bei einem anderen Verein noch einmal einen ganz neuen Anlauf nehmen. „Hier bei der Eintracht bleibe ich doch für immer der Fips.“ Die sportmedizinische Untersuchung beim MSV verläuft positiv, der Vertrag ist unterschrieben, die Koffer sind bereits gepackt. Vor dem Umzug unterzieht sich Hans-Dieter Wacker noch einmal einer kleinen Operation, die bereits seit einem halben Jahr immer wieder verschoben wurde – nichts aufregendes, ein kleines Geschwulst am Schlüsselbein, wohl infolge des Krafttrainings nach der Verletzung. Bereits einen Tag nach der OP verlässt Fips Wacker das Krankenhaus – und erhält am folgenden Tag, dem 18. Juni 1979, die Hiobsbotschaft, die sein Leben verändert: Die Geschwulst, die entfernt wurde, war nicht harmlos. Morbus Hodgin heißt die Diagnose. „Der Wacker hat Krebs“, hört er im Stadion einen Fan rufen und sagt, dass das der Moment gewesen sei, in dem ihm selbst erst die ganze Tragweite der Situation bewusst geworden sei. Ja, es ist Krebs, Lymphdrüsenkrebs, aber zum Glück: Heilbar. Nicht streuend, keine Metastasen. Hans-Dieter Wacker hat gute Chancen die Krankheit zu überleben – aber Profisport wird er nie wieder betreiben können.

Die Milz wird ihm entfernt, Bestrahlungen, Chemotherapie – auch jetzt zeigt er sich als Kämpfer. Er will die Krankheit besiegen. In Phasen, in denen es ihm besser geht, wälzt er dicke Bücher, um zu verstehen, was die Krankheit mit ihm macht und wie er den Heilungsprozess am besten unterstützen kann. Es ist weiß Gott keine einfache Zeit für ihn und seine Freundin. Er schafft es. Nach einigen Monaten geht es ihm besser, nach einem Jahr gilt er als geheilt. Den Traum von Profifußballer, von der großen Karriere bei und mit der Eintracht hat er abgehakt, will nicht jammern und konzentriert sich stattdessen darauf sein neues Leben in Angriff zu nehmen. Ist das tatsächlich erst ein paar Monate her, dass er am Riederwald trainierte? Bei der Eintracht scheint er schnell in Vergessenheit zu geraten. Es gibt kaum noch Kontakt, keine Nachfragen oder offiziellen Genesungswünsche, ein Weihnachtsgeschenk der Eintracht-Amateure und eine Weihnachtskarte der Lizenzspielermannschaft von einer Auslandsreise in Ungarn – das war’s.

Während seine ehemaligen Mannschaftskollegen bei der Eintracht in ein Jahr aufbrechen, in dem sie einen der größten Erfolge der Vereinsgeschichte erreichen, den UEFA-Cup nach Frankfurt holen werden, kehrt Fips Wacker im Januar 1980 zurück zur SKV Büttelborn, zu dem Verein, zu dem Sportplatz, von dem aus er so hoffnungsvoll in die große weite Welt des Fußballs aufgebrochen war. Er ist gerade mal 21 Jahre alt. Und auch, wenn es mit dem Hochleistungssport auf Profiebene vorbei ist – Fußball kann und will er weiterspielen. Es gibt Hickhack mit der Eintracht um die Herausgabe des Spielerpasses, überflüssig. Nicht schön. „Keine Freunde in der Not“ heißt die Überschrift eines großen Berichts über Hans-Dieter Wacker, der im März 1980 im Kicker erscheint.

Auch beruflich muss Hans-Dieter Wacker sich neu orientieren – er hat Reisebürokaufmann gelernt und kehrt jetzt in diesen Beruf zurück. Manchmal fährt er ins Waldstadion, nicht auf Einladung der Eintracht – er zahlt seine Karte selbst, will gar nicht auf die Haupttribüne oder in eine VIP-Lounge und sitzt oder steht lieber auf der Gegengeraden – dort, wo die stehen, die wenigstens Ahnung vom Fußball haben. Er trainiert die A-Jugend der SKV, bereits am 16. Januar 1980 bestreitet er sein erstes Spiel nach der Genesung für die SKV-Reserve, Anfang Februar steht er bereits wieder für die erste Mannschaft auf dem Platz. Im August 1980 dann die Hochzeit mit seiner Freundin Astrid – die A-Jugend der SKV Büttelborn steht Spalier.

Das tragische Karriereende von Jürgen Grabowski, der Gewinn des UEFA-Cups – dramatische, aufwühlende, begeisternde Wochen für die Eintracht - in Büttelborn bei Fips Wacker fängt das Leben im Laufe des Jahres 1980 an, in ruhigeren Bahnen zu laufen und wieder eine Kontur zu bekommen. Und dann zeigt es sich, dass er bei der Eintracht doch noch nicht ganz vergessen ist. Es ist Jürgen Grabowski, der ein Benefizspiel der Eintracht gegen die SKV anregt. Ein guter Gedanke, der dann leider nicht sehr glücklich umgesetzt wird. Viel zu früh geistert durch die Presse, dass die Eintracht bereit sei nach Büttelborn zu kommen. Als es dann darum geht einen Termin festzulegen, erweist sich das Vorhaben zunehmend als schwierig. Der Termin wird festgelegt, nach hinten verschoben, kann am neuen Termin dann trotzdem nicht stattfinden, weil die Eintracht in diesen Tagen ohnehin ein Mammutprogramm absolviert und just für diesen Zeitpunkt bereits eine Reise nach Ägypten geplant ist.

Nach mehreren Gesprächen dann die Entscheidung: Also doch der ursprünglich geplante Termin am Mittwoch, dem 8. Oktober. Auch nicht gerade günstig, denn die Eintracht bestreitet am Tag vorher in Brüssel ein Spiel gegen die belgische Nationalmannschaft. Nach 6 Stunden Fahrt kommt der Bus mit den Eintracht-Spielern eine Stunde vor Anpfiff in Büttelborn an. Jürgen Grabowski ist mit angereist und freut sich, dass Fips so gut aussieht („Mann Fips, du siehst ja blendend aus.“), besucht ihn in der Umkleide und gibt alle guten Wünsche mit auf den weiteren Weg. Bernd Hölzenbein ist der herausragende Spieler in einer ansonsten müden Eintracht-Truppe. Beim SKV überzeugen insbesondere Linksaußen Hirsch und Torhüter Uli Rein. Charly Körbel hätte Fips den Ehrentreffer für die SKV gegönnt – leider, klappt nicht – das Spiel endet mit 7:0 nach nur 70 Minuten. Die Dunkelheit ist hereingebrochen und der SKV-Sportplatz hat kein Flutlicht.

Obwohl das Leben von Hans-Dieter Wacker in den kommenden Jahren fern des großen Fußballs verläuft, bleibt es ein Fußballerleben. Ohne Fußball – für einen Fußballverrückten wie ihn nicht denkbar. Im März 1982 erwirbt er seine A-Trainer-Lizenz und betreut – zusammen mit Torwarttrainer Werner Geibel - 1982 und 1983 die B-Jugend des TSV Pfungstadt. Vom 1983 bis 1988 übernimmt Fips die Funktion des Spielertrainers bei der SKV Büttelborn, für die er von 1980 bis 1988 insgesamt 353 Aktivenspiele (Punkt-, Freundschafts- und Pokalspiele) bestritt und dabei 169 Tore erzielte. Die SKV schaffte es in dieser Zeit bis in die Bezirksliga. Auch wenn er physisch nicht mehr ganz so belastbar war wie vor seiner Krankheit, war er dank seiner überlegenen Technik einer der herausragenden Akteure seines Teams.

Im Mai 1988 dann der Bruch mit der SKV. Missverständnisse. Unstimmigkeiten. Persönliche Gründe. Hans-Dieter Wacker bricht den Kontakt ab und arbeitet schon ab Juni bei den Landesligisten TSV Wolfskehlen und Viktoria Griesheim, kehrte nach dem Abstieg der Wolfskehler wieder zurück, um sie zurück in die Landesliga zu führen. In dieser Zeit festigte er seinen Ruf als einer der fähigsten Trainer Hessens, der insbesondere ein Händchen für junge Spieler hatte. Nicht selten kamen die Jungs mit ihren Problemen auch zu ihm nach Hause. Fips konnte zuhören, und wo er helfen konnte, half er – so wie er generell eher einer war, der seine Hilfe anbot als dass er selbst Hilfe von anderen in Anspruch genommen hätte. Ein eher ruhiger, familiärer Typ, der für seine kleine Familie lebte, seinen Hund, die Katze Urmel und die Natur liebte. Zuverlässig, korrekt, freundlich, aber sehr zielstrebig und engagiert. Ein liebevoller Mensch, mit viel Respekt vor Älteren. Keiner der sich in den Vordergrund rückte oder gar auf seine „Bekanntheit“ setzte. Ein Fußballverrückter, der – so die Stimme eines Wegbegleiters – dem Fußballbetrieb zunehmend mit einer gewissen Skepsis gegenüber gestanden habe.

Anfang der 90er dann sein letztes Spiel als aktiver Fußballer. Er bestreitet es für die Alte-Herren-Mannschaft des SV Klein-Gerau, bei dem er zuletzt als Spieler aktiv und dem er freundschaftlich verbunden war.

Alles gut. Bis zu jenem Wochenende im Oktober 1993, vor nun über 17 Jahren. Hans-Dieter Wacker trainierte damals den TSV Wolfskehlen. Es war das Kerbewochenende. Er hatte nachmittags noch das Training geleitet, sogar noch ein Sondertraining mit Rainer Poth, dem damaligen Torwart der Wolfskehler, absolviert. Aber es ging es ihm nicht so gut, nachts bekam er Fieber und fuhr deshalb nicht mit zum Auswärtsspiel des TSV nach Einhausen und erfuhr zu Hause vom Sieg seiner Mannschaft. Nachmittags wurde ein Arzt herbeigerufen, der einen Infekt feststellte. Im Laufe des Nachmittags verschlechterte sich sein Zustand, seine Frau rief in den frühen Abendstunden einen Krankenwagen und fuhr mit ihm ins Kreiskrankenhaus nach Groß-Gerau. Dort dann die niederschmetternde Nachricht: „Wir können nichts mehr für Ihren Mann tun.“ Hans-Dieter „Fips“ Wacker starb am 3. Oktober 1993, nachmittags um 14.29 Uhr. Es war ein Sonntag. Er war 34 Jahre alt und und hinterließ Frau und vier Kinder – die älteste Tochter war damals 8 Jahre, das jüngste Kind - ein Sohn - gerade 5 Monate alt.

Schnell verbreitete sich die Nachricht seines Todes und sorgte in der gesamten Fußballregion Südhessen für Erschütterung. Eine Spätfolge der Krankheit von damals wurde kolportiert – nein, der plötzliche Tod stand in keinem Zusammenhang mit der früheren Krebserkrankung. Die von seiner Frau veranlasste Obduktion ergab: Es handelte sich um einen Septischen Schock, das so genannte Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, das häufig bei Menschen auftritt, denen die Milz entfernt wurde. Umso tragischer, weil eigentlich vermeidbar - durch eine Spritze, die nach einer Milz-Operation heute automatisch verabreicht wird. Nicht damals und nicht bei Hans-Dieter Wacker.

Rund 500 Freunde und Wegbegleiter erweisen Hans-Dieter Wacker bei der Beisetzung auf dem Friedhof in Klein-Gerau die letzte Ehre. Auch die Eintracht hilft dieses Mal schnell und unbürokratisch. Bereits wenige Wochen später, am 17. November 1993 – es war der Buß- und Bettag – fand an der Sandkaute, dem Stadion des TSV Wolfskehlen, ein Benefizspiel für die Familie von Fips Wacker statt. Die komplette Profimannschaft der Eintracht, die damals von Klaus Toppmöller trainiert wurde, reiste an – lediglich Maurizio Gaudino, der bei der Nationalmannschaft war, und die verletzten Manni Binz, Ralf Weber und Tony Yeboah fehlten. Auch Eintracht Vize-Präsident Bernd Hölzenbein beobachtete das Spiel gegen eine Auswahl von Spielern des TSV Wolfskehlen, Viktoria Griesheim und der SKV Büttelborn vom Seitenrand. Es ging um den guten Zweck. Aber dieses Spiel, so betonte Holz, sei auch und vor allem eine Würdigung des Fußballers Hans-Dieter Wacker. Das sahen auch viele andere so: 3.000 Zuschauer waren im völlig überfüllten Wolfskehler Stadion zusammengekommen. Die Eintracht gewann das Spiel mit 4:1, Torschützen für die Eintracht waren Radmilo Mihajlovic und Jörn Andersen, der drei Mal traf.

* * *

Die Eltern von Fips Wacker leben noch heute in Büttelborn und sind der SKV Büttelborn eng verbunden. Fips (Stief)-Vater, der ihn schon als Jungen und Jugendlichen bei allen Spielen begleitete, besucht auch heute noch regelmäßig die Spiele der ersten Mannschaft, seine Mutter wäscht an jedem Wochenende die Trikots der ersten und der zweiten Mannschaft.

Was ist aus Fips Familie, seiner Frau, seinen Kindern geworden? Der plötzliche und viel zu frühe Tod von Hans-Dieter Wacker war ein tiefer Einschnitt für alle Angehörigen, aber in besonderem Maße für seine Frau Astrid, die mit vier, noch kleinen Kindern zurückblieb. Doch was für Fips galt, gilt auch für Astrid: Sie ist eine Kämpferin und fand die Kraft für ein neues Leben, in dem das, was war, seinen festen Platz hat. „Fips war nicht nur ein außergewöhnlicher Fußballer, er war auch als Vater und Ehemann etwas ganz Besonderes", sagt sie heute. Die Erinnerung an den viel zu früh verstorbenen Mann und Vater begleitet die Familie. Die drei Töchter haben selbst noch eigene Erinnerungen an ihn, erinnern sich daran, wie sie fast bei jedem Heimspiel, dass der Fußballpapa beim TSV Wolfskehlen und bei Viktoria Griesheim als Spieler oder Trainer bestritt, dabei waren. Aus den Kindern sind gute Sportler geworden – die drei Töchter haben beim TSV Pfungstadt Handball gespielt, zwei schafften es sogar bis in die Bezirksauswahl. Eine der Töchter ist heute bereits verheiratet und hat selbst zwei kleine Jungs - Fips wäre heute also bereits Opa.

Tibor, Fips einziger Sohn, ist mit Leib und Seele Eintracht-Fan. Und er spielt selbst Fußball – kein Mittelfeldspieler wie Fips, sondern ein Stürmer ist aus ihm geworden. Nein, er hat nicht das Riesentalent seines Vaters geerbt, aber er ist ebenso fußballverrückt. Das mag auch damit zusammenhängen, wie er den Fußball kennen und lieben lernte: Als Baby, auf dem Arm seines Vaters, der mit ihm durch den Garten tobte und ihm seine Tricks zeigte. Sehr schade, dass den Beiden nicht mehr Zeit miteinander vergönnt war.

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Ganz herzlichen Dank an Ulrich Rein von der SKV Büttelborn für die umfangreiche und nette Unterstützung bei der Erstellung des Textes. Und an Astrid, die Frau von Fips Wacker und Tibor, seinen Sohn, die mich an ihren persönlichen Erinnerungen Teil haben lassen und den Text um so viele weitere, liebevolle Details bereichert haben. Vielen Dank für euer Vertrauen!


 

 


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