Karl 'Micky' Kraus

*06. 09. 1921

ab 1933 Eintracht, Gastspieler SC Erfurt 1895 (1943?), Frankfurter Turnverein TV 1860

Gauliga
Tschammer-Pokal
Europapokal
1943/44
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Karl Kraus: Die Familie, der Beruf und die Eintracht

Karl Kraus wurde als 11-jähriger Junge im Frühjahr 1933 Mitglied der Eintracht. Während des zweiten Weltkriegs kam „Micki“, wie er von seinen Sportfreunden genannt wurde, zu zwei Einsätzen in der Ersten Mannschaft. Heute ist Kraus mit 89 Jahren eines der ältesten Mitglieder des Vereins.

Frankfurt. Ich bin gebürtiger Frankfurter, meine Eltern hatten in der Schäfergasse ein Hut- und Mützengeschäft. Und als Kinder haben wir natürlich immer Fußball gespielt. Unser Treffpunkt war die Grünanlage an der Peterskirche oder der Park am Scheffeleck, da war auch unter den Kindern das Verhältnis Eintracht – Fußballsportverein noch pari.

Als ich dann in die Schule kam, sah es schlecht aus. Ich bin katholisch, und die von uns aus nächste Mittelschule war die Bethmann- Mittelschule in der Seilerstraße; die war aber nur evangelisch. Ich musste also mit dem Fahrrad bis in die Bornheimer Mittelschule fahren. Wir waren in unserer Klasse 30 Schüler. Da waren 28 im Sportverein und nur zwei bei der Eintracht. Trotzdem bin ich bei der Eintracht gelandet. Warum? Wir haben immer mit dem Fritz Fleischer und dem Werner Beresheim zusammen gekickt. Und der Fritz Fleischer, der ein halbes Jahr älter war als ich, hat immer an mir rumgemacht und gesagt: „Komm, wir gehen zur Eintracht.“

Seine Schwester Tilly war ja schon lange im Verein, sie war bei den Olympischen Spielen 1932 dabei und gewann dann ja 1936 in Berlin die Goldmedaille im Speerwurf. Ich bin im März 1933 Mitglied bei der Eintracht geworden. Meine Eltern waren nicht sportinteressiert, mit Fußball hatten die nichts am Hut. Aber mein Onkel war eine große Stütze für mich, der hatte mich schon immer mit ins Stadion genommen.

Damals habe ich mich beim Jugendwart Willi Ewald angemeldet. Und dann bin ich zweimal die Woche zum Training an den alten Riederwald gefahren. Der lag noch nicht an der Stelle, wo der Riederwald heute ist. Der alte Riederwald lag direkt am Ratsweg, ungefähr da, wo heute der Großmarkt Metro ist. Ich habe bei den Schülern gespielt und manchmal hat uns sogar der spätere Meistertrainer Paul Oßwald trainiert.

1935 habe ich dann eine Ausbildung zum Kürschner begonnen, bei „Pelz-Heinrich“ in der Berger Straße. An Wochenenden war ich oft mit der Eintracht unterwegs, man kann fast sagen: Immer, wenn zwei Feiertage waren, haben wir irgendwo zwei, drei Spiele gespielt. Wir haben dann manchmal im Hotel übernachtet, manchmal auch bei den Spielerfamilien. Mein Lehrmeister war von der Fußballbegeisterung nicht so angetan. Wenn ich montags ins Geschäft gekommen bin und habe gehinkt, da war der sauer.

Mit Kriegsausbruch musste ich zum Militär. Zunächst war ich in Brest in Frankreich eingesetzt, als einziger Kürschner in der Einheit wurde ich zum Pelzberater für Generäle, Adjutanten, Divisionspfarrer und Offiziere. Da hatte ich noch ein schönes Leben, in der Kompaniemannschaft habe ich regelmäßig Fußball spielen können. Mit Beginn des Kriegs im Osten kam ich nach Russland, da wurde ich zweimal verwundet. Anfangs hatte man ja noch Urlaub, wenn ich dann nach Frankfurt kam, habe ich zuerst Verbindung aufgenommen mit dem Spielausschussvorsitzenden Willi Balles.

Wenn dann sonntags ein Spiel war, wurden alle zusammengetrommelt, die gerade in Frankfurt waren. So habe ich auch zwei Spiele in der ersten Mannschaft absolviert, in Wiesbaden und Offenbach. Nach meiner zweiten Verwundung kam ich in eine Genesungskompanie nach Wetzlar. Da hatte ich Glück, der Spieß war auch Fußballfan und hat unter den Verwundeten nach Fußballern gesucht. „Kraus, ich habe da was für Sie, da können Sie noch ein bisschen länger in der Heimat bleiben“, hat er gesagt, und mich auf einen Lehrgang nach Weimar geschickt. Das war aber nur aufgrund von persönlicher Sympathie und dem Fußball.

Wenn er mich da nicht hingeschickt hätte, wäre ich eine Woche später wieder an der Front gewesen. So erlebte ich das Kriegsende in Weimar, ich habe mich dann nach Frankfurt durchgeschlagen. Unser Haus und das Geschäft der Eltern waren zerstört. Ich habe mich später selbständig gemacht und war Geschäftsführer in Pelzgeschäften in Mainz, Darmstadt, Frankfurt und Bonn.

Die beiden Spiele in Wiesbaden und Offenbach während des Fronturlaubs sollten meine einzigen in der Ersten Mannschaft der Eintracht bleiben. Aber bis in die 1950er Jahre habe ich in der Mannschaft des Turnvereins 1860 gespielt. Bei der Eintracht konnten die vielen Spieler gar nicht untergebracht werden; so haben wir bei 1860 eine Art „Filiale“ aufgemacht. Selbst die Zeitungen haben damals von 1860 als der „kleinen Eintracht“ berichtet.

Schon 1945 habe ich meine Frau Anni geheiratet, bereits 1943 war unsere Tochter Karin geboren worden. Zu den Spielen der Eintracht bin ich aber natürlich immer gegangen. Ich war in Berlin 1959, meine Fahne von damals steht heute im Eintracht-Museum. Als wir die Meisterschaft gewonnen hatten, habe ich zu einem Freund gesagt „Wer weiß, ob wir das noch mal erleben.“

Ich war auch in Glasgow 1960 beim Europapokalfinale gegen Real Madrid und verfolge die Eintracht bis heute ganz intensiv. Ins Stadion gehe ich nicht mehr, aber am Fernsehen sehe ich alle Spiele. Außerdem interessiere ich mich für den spanischen Fußball. 1974 war ich zum ersten Mal im Urlaub in Spanien, später bin ich dann jedes Jahr nach Spanien gefahren. Und mein Lieblingsverein da ist natürlich der FC Barcelona.

In meinem Leben gab es für mich immer drei wichtige Sachen: Die Familie, der Beruf und die Eintracht. Und heute freue ich mich, wenn bei Festen bei mir vier Generationen im Wohnzimmer sitzen. Ich bin mittlerweile 89 Jahre, meine Urenkelin Leonie ist Acht. Und alle sind Eintracht-Fans. (aufgezeichnet von Matthias Thoma)

 


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