Anton "Toni" Hübler

*28. 04. 1929 · † 21. 09. 2016

Zeugwart bei der Eintracht von 1954 bis 1995

Saison 1984/1985 Saison 1989/1990 Saison 1990/1991 Saison 1992/1993 Saison 1993/1994 Saison 1994/1995

 

 

 

Die Geschichte(n) des Toni Hübler

Als Alfred Pfaff und Richard Kress am Riederwald mit dem Bällchen zaubern, als die Eintracht in Berlin die Deutsche Meisterschaft feiert, als der junge Grabowski erstmals für die Frankfurter seine Fußballschuhe schnürt, als die Eintracht zwischen 1974 und '81 insgesamt fünf Pokaltitel erringt, als Dietrich Weise und seine Bubis in letzter Sekunde den Abstieg verhindern, als die Eintracht nach Malta, Korea und in die USA reist, als Bein, Yeboah und Co. auf dem Rasen des Stadions den Fußball 2000 zelebrieren, als die Uhren in Frankfurt auf einmal anders gehen sollen, und als Köhler den Ball nach innen legt, damit Chris mit dem 2:0 den Heimsieg gegen Nürnberg sicherstellt - einer ist immer dabei: Anton Hübler, den alle nur Toni nennen.

Über Toni Hübler werden rund um die Eintracht viele Geschichten erzählt, doch noch viel mehr weiß er selbst zu erzählen. Geschichten, die kaum einer so erzählt wie er. Es sind Geschichten, in denen aus großen Triumphen und bitteren Niederlagen der Riederwälder persönliche Erlebnisse werden und aus bewunderten Fußballstars Menschen, die einem nach Tonis Erzählung so nahe stehen wie gute Freunde. Denn Toni erzählt diese Geschichten mit etwas, was in diesen Tagen, in denen Menschen wie nie zuvor öffentlich an den Pranger gestellt werden, selten geworden ist: Toni erzählt mit Herz.

Nie rückt er sich bei seinen Geschichten aus fünf Jahrzehnten Eintracht Frankfurt in den Vordergrund, nie erhebt er sich über andere, immer zeigt er bei seinen Erzählungen Verständnis für die Fehler und Schwächen anderer. Und wenn es selbst ihm schwerfällt, einen Eintrachtler in Schutz zu nehmen, winkt er mit einer Hand kurz ab, macht eine Pause und erzählt lieber eine andere Geschichte.

Die Odyssee zur Eintracht

Im Sommer des Weltmeisterjahres 1954 zieht es einen jungen Landschaftsgärtner, der bislang in Württemberg lebte, ins Hessische. Ziel ist die kleine, seinerzeit noch eigenständige Gemeinde Urberach im damaligen Landkreis Dieburg, in der bereits sein Vater wohnt. Die Gründe für den Umzug sind eher lapidar, wie Toni Hübler heute berichtet: "Ich war jung, gerade 25 geworden, und wollte einfach einmal einen Tapetenwechsel."

Kaum in der neuen Heimat, der er bis heute treu geblieben ist, angekommen, geht es für Toni auf Arbeitssuche. Erfolglos bleibt der Besuch des Arbeitsamts Langen, das er mit dem Tipp verlässt, es einmal in Frankfurt zu versuchen. Und dort muss Toni nicht lange warten, bis er eine Stelle angeboten bekommt. Denn er trifft vor Ort zwei Herren der Eintracht, die für den im August 1952 eingeweihten Riederwald einen jungen Landschaftsgärtner suchen. "Die haben mich regelrecht hofiert", so Toni, "haben den damaligen Spielausschussvorsitzenden Balles hinzugerufen, mich bewirtet und mit mir gleich einen Vorstellungstermin für den nächsten Tag am Riederwald ausgemacht, um die Einzelheiten zu besprechen."

Wie später in all den Jahren bis heute versetzt die Eintracht Toni Hübler in Aufregung. Mit 3 Mark in der Tasche steigt er in den Zug gen Hauptbahnhof, vergisst jedoch, sich eine Fahrkarte zu besorgen und muss nachlösen. 1,50 Mark hätte die einfache Fahrt gekostet, weitere 1,50 kostet die Strafe; kurzum Toni ist zwar in Frankfurt, hat aber keinen Pfennig mehr in seinen Taschen. Auf Schusters Rappen geht es kreuz und quer durch die unbekannte Stadt, am Schauspielhaus weist ihm ein freundlicher Herr den Weg ins Stadion.

Dort im Glauben angekommen, sein Ziel erreicht zu haben, wird er schnell eines Besseren belehrt. Denn als er nach der Eintracht fragt, wird er belehrt: "Ach du lieber Gott, die is grad uff de annern Seit." Weiter geht es also auf Schusters Rappen, zurück in die Innenstadt und bis zum Riederwald. Mittags um 2 Uhr ist Toni endlich am Ziel, um 10 Uhr hatte man sich verabredet.

Zum Glück für Toni scheint die Sonne an diesem Tag nicht nur für ihn, sondern auch für Fritz Becker, der das schöne Wetter nutzt, um am Riederwald 'Überstunden' in Form eines Sonnenbades zu schieben. Becker ist nicht nur der erste Nationalspieler der Frankfurter als Stürmer der Frankfurt Kickers und der erste Torschütze einer DFB-Elf im ersten Länderspiel gegen die Schweiz anno 1908, sondern aktuell auch der Vorsitzende des Platzausschusses. Toni erzählt Becker die Geschichte seiner Odyssee und erntet dafür von Becker nicht nur ein Lachen, sondern auch einen Probevertrag und geliehene 10 Mark, damit er wieder nach Hause kommt.

Sumpfbrache Riederwald

Acht Wochen sollte Toni ursprünglich auf Probe werkeln, doch bereits nach sechs Wochen ist für die Eintracht klar: Mit diesem jungen Gärtner haben wir den Richtigen gefunden. Toni erhält einen festen Arbeitsvertrag und damit eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn der neue Riederwald ist zu dieser Zeit zwar eines der modernsten Stadien in Deutschland, die gesamte Sportanlage präsentiert sich allerdings noch als sumpfiges Brachland mit hohem Grundwasserspiegel und niedrigem Freizeitwert. "Da stand kein einziger Baum, kein Strauch, kein gar nichts", erinnert sich Toni.

Mit Gartenbaurat Vollmer, der fast täglich vorbeischaut und als Verantwortlicher des Sport- und Badeamtes der Stadt für die Planungen zuständig ist, gewinnt der ehrgeizige und selbstbewusste Toni einen einflussreichen Verbündeten. "Er mochte mich und fragte, ob ich mir vorstellen könne, den Riederwald zu bepflanzen, was ich natürlich bejaht habe". Zusammen mit zwei Hilfskräften nimmt Toni die Arbeit in Angriff: "Wenn du mal in einer Gärtnerei gearbeitet und das Eintönige dort kennengelernt hast, bist du für so eine Aufgabe sehr dankbar." So finden unter anderem die Pappeln, für Jahrzehnte quasi ein Wahrzeichen des Riederwalds, ihren Weg aufs Sportgelände. Toni pflanzt sie, um das Grundwasser zu senken und so die Tribüne vor Hochwasser zu schützen.

Ein Letzter Wille

Mit seiner Arbeit als Gärtner rückt für den ehemaligen Handballer Hübler, der seine aktive Zeit aufgrund einer Schulterverletzung beenden musste, nun der Fußball in den Fokus. Denn am Riederwald trainiert die Oberligamannschaft der Eintracht, zu der unter anderem Egon Loy, Adolf Bechtold, Ernst Kudrass, 'Ali' Remlein, Hans Weilbächer, Richard Kreß, Alfred Pfaff und Hermann Höfer zählen. Spieler, die für lange Jahre einen gemeinsamen Weg mit Toni gehen und die teilweise noch heute in freundschaftlichem Kontakt mit ihrem 'Gärtner' stehen.

Neben den Aktiven tritt auch noch ein weiterer Eintrachtler in Tonis Leben; ein kleiner Mann, meist mit dicker Zigarre im Mund: Karl Schildger. Das 'Karlchen' ist nicht nur ein echtes Unikat und das Maskottchen der Eintracht, er sorgt auch seit vielen Jahren dafür, dass die Schuhe der Spieler in Ordnung gehalten und die Trikots gewaschen werden. "Wir hatten ja nur drei oder vier Satz Trikots. Die Trainingskleidung haben die Spieler bis 1957 mit nach Hause genommen und gewaschen", erinnert sich Toni. "Erst 1957, als Trainer Patek kam, hat die Eintracht mit Karl Krause einen Schuhmacher eingestellt und einen Schuhraum am Riederwald eingerichtet. Krauses Frau hat dann das Waschen der Trikots übernommen."

Mit Karl Schildger verbindet Toni einer seiner bewegendsten Erinnerungen an den Riederwald: "An einem Herbstabend im Jahr 1960 ist Karl zu mir gekommen. Eigentlich hatte ich ja schon alles abgeschlossen, wir sind dann aber doch noch in mein kleines Büro gegangen. Karlchen hat immer gesagt, er möchte am Riederwald sterben. An diesem Abend saßen wir da, auf einmal sagt Karl: 'Anton ...' und rutscht vom Stuhl. Ich habe natürlich gleich Notarzt und Krankenhaus verständigt, doch es war zu spät, er war in meinen Armen gestorben. Es war ein sehr trauriger Moment, aber für Karl ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen."

Rote und weiße Begonien

Schon in den ersten Jahren bei der Eintracht erlebt Toni, dass sein Arbeitgeber nicht nur ein Sportverein, sondern auch eine Diva ist. Eindringlich klar wird dies in den letzten Spielen der Saison 57/58. Vier Partien vor Rundenende hat die Eintracht die Tabellenführung durch einen eindrucksvollen 5:3-Sieg beim Tabellenzweiten aus Nürnberg verteidigt und anschließend auch das nächste Heimspiel mit 2:0 gegen Schweinfurt 05 gewonnen. Die Presse feiert die Riederwälder bereits als neuen Süddeutschen Meister, doch nach einem unglücklichen 1:2 gegen die SpVgg Fürth wird die Entscheidung auf den letzten Spieltag vertagt. An diesem führt der Weg der Adlerträger zum Jahn nach Regensburg, der bereits als Absteiger feststeht und daher mit zahlreichen Spielern aus der zweiten Reihe antritt. Doch statt des erwarteten Sieges gibt es ein 0:1, bei dem Pfaff einen Elfmeter verschießt. "Die waren sich einfach zu sicher, dass sie gewinnen. Der Schuss ging nach hinten los", so Toni.

Im Anschluss an dieses Desaster findet ein Personalwechsel statt, der zu den wohl wichtigsten in der Historie der Eintracht zählt: Paul Osswald kommt zum dritten Mal in seiner Trainerkarriere als Übungsleiter an den Riederwald. Toni möchte den kommenden Erfolg aber nicht nur Osswald zuschreiben, sondern macht ihn maßgeblich auch am Namen Ivica Horvat fest: "Mit Ivica haben wir auf einmal regelmäßig zu Null gespielt, er war hinten wie eine Wand. Dabei hatten wir Glück, dass er überhaupt zu uns gekommen ist. Ursprünglich wollte er ja zum FSV, der aber hat sich mit seinem jugoslawischen Trainer Bodgan Cuvaj entzweit und so wechselte Horvat, der sich eigentlich mit den Bernemern schon einig war, nicht an den Hang, sondern zu uns." Auch an das tragische Ende der aktiven Karriere Horvats erinnert sich Toni: "Er hat die gesamte Oberligarunde hinten dicht gemacht, wir haben in 30 Spielen gerade mal 25 Gegentore kassiert und sind Süddeutscher Meister geworden. Doch dann, während der Spiele der Endrunde, ist er schwer erkrankt."

Auch ohne Horvat gelingt der Eintracht der souveräne Einzug ins Finale, bei dem Toni natürlich nicht fehlt. Vor seinem Abflug am Donnerstag - er ist unter anderem in Berlin, um Istvan Sztanis Vater zu betreuen, der seinen Sohn davon überzeugen soll, wieder nach Ungarn zurückzukehren - ist Toni noch konspirativ tätig: "In der Woche vor dem Endspiel habe ich in der Markthalle fast 2.000 rote und weiße Begonien gekauft. Damit habe ich auf den Beeten vor der Tribüne den Schriftzug 'Eintracht Frankfurt - Deutscher Meister' angelegt und gleich abgedeckt. Direkt nach dem 5:3 habe ich dann meinen Mitarbeiter Otto angerufen, damit er die Blumen aufdeckt. Leider hat das niemand fotografiert."

Beszèlek magyarul

Der Auftrag, Sztanis Vater zu betreuen, war den Sprachkenntnissen Tonis geschuldet, der im ungarischen Pécs (Fünfkirchen) geboren ist. So gehören die 1957 aus Ungarn geflüchteten und zur Eintracht gewechselten Nachwuchsspieler Janos Hanek, Tibor Lörinc und Istvan Sztani zu seinen ersten 'Ziehkindern' bei der Eintracht, auf die im Laufe seiner Karriere noch viele folgen sollten.

Auch in späteren Jahren sind die Übersetzungsfertigkeiten Tonis gefragt. So gehört er zusammen mit Geschäftsführer Röder und Schatzmeister Knispel zu einer Delegation der Eintracht, die zu Verhandlungen nach Ungarn fliegt, um unter strengster Geheimhaltung den Wechsel von Detari an den Main voranzutreiben. Tonis Rolle ist dabei eine besondere, denn keiner verrät den Gesprächspartnern, dass er Ungarisch spricht, und so kann Toni das ein oder andere wichtige Detail aus den internen Gesprächen der Ungarn erfahren. Der konspirative Auftrag wäre allerdings beinahe gescheitert, als er sich zum Mittagessen Rotwein wünscht und ein hoher Offizier den Wunsch als "Der Alte will Roten" an die Bediensteten weitergibt. "Da hätte ich mich fast verraten".

Nach dem erfolgreichen Detari-Transfer wird Toni dann quasi zum Chefdolmetscher, was auch anderen auffällt. So wird er vom Journalisten Hartmut Scherzer gefragt: "Du machst jetzt den Dolmetscher für Detari, wirst du dafür auch extra bezahlt?" Tonis Antwort ist legendär: "Der Lajos und ich verdienen ganz gut zusammen." Die Beziehungen zu den Detaris haben auch nach dessen Wechsel nach Griechenland Bestand. So besucht Toni einige Jahre später Detaris Vater, der als hochrangiger Offizier ein Revier sein eigen nennt, um seiner großen Leidenschaft, der Jagd, zu frönen.

Toni wird Profi

Zurück in die 60er. Mit dem Start der Bundesliga 1963 verliert der Riederwald seine Stellung als Heimspielstätte, fortan wird die Eintracht ihre Ligaspiele im Stadion austragen. Um seinen Arbeitsplatz bei der Eintracht muss Toni aber nicht fürchten, denn Präsident Rudolf Gramlich teilt ihm mit: "Du bist ab jetzt Profi. Du wirst als Zeugwart die Eintracht in der Bundesliga betreuen." Im Riederwaldstadion, das jetzt nicht mehr zu Spielen der Ersten genutzt wird, entsteht ein großes Lager, ein Duschraum wird zur Heimat dreier neuer Waschmaschinen, die "der treuen" Seele Frau Schneider, die fortan die Wäsche macht, unterstellt sind.

"In meinem Arbeitsvertrag war festgelegt, dass ich nur Präsidenten Gramlich unterstellt bin. Und er hat wirklich jedem erzählt, ich sei sein bester Mitarbeiter", berichtet Toni von seiner Anfangszeit als Zeugwart. Zum Präsidenten der Eintracht, der in den 20er und 30er Jahren selbst erfolgreich für die Eintracht und in der Nationalelf spielte, pflegt er ein gutes Verhältnis: "Gramlich war ein respekteinflößender Mensch - vor ihm haben alle gezittert. Für mich war er aber ein guter Präsident und ein Freund." Bereits 1957 zeigt sich dies, als der Frankfurter Oberbürgermeister Werner Bockelmann seinen 50. Geburtstag im Römer feiert und Gramlich eingeladen ist. Alleine mag der Präsident allerdings nicht gehen, und verdingt kurzerhand Toni als Begleitung. "Die ganzen Bonzen aus der Stadt waren da, die SPD-Spitze mit Wehner", erinnert sich dieser. "Ich war recht leger angezogen, da ich zuvor nicht wusste, wo es hingeht, und ein wenig nervös. Da hat mich Bockelmann zur Seite genommen, und gesagt: 'Wissen Sie, Sie sind mir auch ohne Krawatte lieber, als zwei Drittel der ganzen anderen, die hier sind".

Die Ära Gramlich bringt Toni übrigens einen weiteren Job bei der Eintracht: den als Fahrer. "Ich habe Gramlich nämlich in seinem aus den USA importierten Lincoln chauffiert. Auf Uhr- und Arbeitszeiten hat dabei keiner geachtet. Einmal ging es nachts direkt nach einer Generalversammlung zur Europapokalauslosung nach Genf. Los sind wir um Mitternacht, um 5 Uhr morgens waren wir da. Und als Entschädigung für meine Überstunden hat Gramlich dann zu mir gesagt: 'Toni, jetzt machen wir erst mal zwei Tage Urlaub, die sollen in Frankfurt machen, was sie wollen.'"

Sie kamen und sie gingen ...

23 Trainer erlebt Toni bei der Eintracht am Spielfeldrand, in der Kabine, beim Training und auch privat. Und mit fast allen hat er ein gutes, mit vielen ein herzliches und freundschaftliches Verhältnis: "Da waren lustige dabei wie Friedel Rausch oder auch Senekowitsch mit seinem Wiener Schmäh, ernsthafte wie Jörg Berger. Und Otto Knefler hat mir das 'Du' angeboten, als er gesehen hat, was ich alles leiste. Das war bei einem solch distinguierten Menschen etwas Besonderes."

Fast alle Trainer sehen in Toni nicht nur den Mann für Trikots und Schuhe, sondern wissen um seine Nähe zur Mannschaft und seine Bereitschaft, für die Eintracht alles zu tun. So wird er von Erich Ribbeck beauftragt, bei den in Gravenbruch wohnenden Spieler zu kontrollieren, ob sie die vorgeschriebene Ausgangssperre ab 23 Uhr auch einhalten - ein Auftrag, den Toni zwar nicht ablehnt, in der Umsetzung aber nach eigenen Regeln interpretiert: "Ich habe da nie jemanden angeschwärzt, bei mir waren sie immer alle daheim." Ribbeck selbst wird einmal sogar selbst Opfer seiner angeordneten Kontrollen, als er Thommy Rohrbach ins Visier nimmt, den er ob des fehlenden Autos vor der Tür seiner Wohnung am Palmengarten aushäusig wähnt. Fazit: Das Auto parkte um die Ecke, Rohrbach war zuhause, Ribbeck wartete bis halb vier morgens, bis er klingelte. Spieler und Trainer waren gleichermaßen verdutzt. "Von da ab ist nicht mehr kontrolliert worden", weiß Toni.

Auch seiner selbstauferlegten Fürsorgepflicht bei Rohrbachs Spezi Trinklein kommt Toni auf besondere Weise nach: "Die beiden kamen selbst im tiefsten Winter mit dem offenen Buggy an, Gert immer in zerrissenen Jeans und Cowboystiefeln. Die hat er so schief gelaufen, dass ich sie ihm heimlich weggenommen und zum Schuhmacher gebracht habe. Gert hatte dann zwar ein Paar reparierte Stiefel, an dem Tag musste er aber in Badeschlappen durch den Schnee nach Hause."

Überhaupt kümmert sich Toni gerne um andere, übernimmt Verantwortung. So ist Toni da und hilft, als Jürgen Pahl und Norbert Nachtweih 1976 die Flucht aus der DDR gelingt, Gemeinsam mit Jürgen Gerhardt holt er sie im Auffanglager Gießen ab, später bringt er sie zum Einkleiden nach Herzogenaurach, holt sie zum Training ab und fährt sie auch wieder nach Hause.

"Meine jungen Spieler habe ich mir immer 'erzogen', für viele war ich derjenige, dem man seine Probleme erzählen konnte. So habe ich dem Ralf Falkenmayer, der zwar ein Riesentalent, aber auch sehr schüchtern war, dabei geholfen, einen Vorschuss zu bekommen, damit er sich eine eigene Wohnung anmieten konnte. Ralf kam vorher zu mir und ich habe für ihn Schatzmeister Jakobi angerufen."

Thymian und Davidoff

Eine besondere Marke unter den Trainern setzt Gyula Lorant, der mit den Funktionsträgern der Eintracht im Dauerclinch liegt, Toni aber ins Herz geschlossen hat. Anlässlich des UEFA-Pokalspiels 1977 in Malta gegen die Sliema Wanderers zeigt Gyula Lorant nicht nur seine Wertschätzung für Toni, er lässt auch die Chance nicht ungenutzt, dem damaligen Präsidenten Achaz von Thümen - von ihm konsequent 'Thymian' genannt -, eins auszuwischen, wie Toni berichtet: "Abends war ein gemeinschaftliches Bankett beider Vereine. Und als es ans Verteilen der Präsente ging, stellte mich Gyula allen Versammelten als Präsident der Eintracht vor. Das gab ein Riesengelächter unter denen, die es besser wussten, und Gyula hat sich mächtig gefreut."

Gyula ist auch in anderen Dingen eigen. So muss Vereinsarzt Degenhardt stets der Mannschaft nachreisen, da Lorant seine Anwesenheit nicht wünschte. Nur der Masseur und Toni dürfen mit der Mannschaft und Lorant fahren, selbst Co-Trainer Csernai wird verbannt. "Doktor, Friedhof und Krankenhaus sind tabu, damit will ich nichts zu tun haben", zitiert ihn Toni.

Umso mehr zu tun haben, will der ungarische Trainer allerdings mit den schönen Dingen des Lebens. Der gepflegte Cognac - "nur einen" - für ihn direkt vor einem Spiel gehört genau so dazu wie die Davidoff-Zigarre zu 18 Mark, die er ausschließlich raucht. Am gepflegten Genuss lässt er auch seine Spieler teilhaben. So überrascht er die Mannschaft während eines Trainingslagers mit einer riesigen Käsetafel samt des obligatorischen Rotweins zum Abendessen. Auch führt er die Tasse Kaffee vor dem Spiel ein. "Die Gegner sind teilweise fast verrückt geworden, als ich den Spielern direkt vor dem Einlaufen noch einen Kaffee gereicht habe", freut sich Toni heute noch. Wohl am meisten aus der Fassung gebracht haben dürfte Lorant dabei die Mannschaft des FC Bayern München. Hier gab es nicht nur die Tasse Kaffee für die Eintracht-Kicker, zusätzlich war im Gang zum Spielfeld eine Kuchentafel aufgebaut.

Nahe am Herzinfarkt

Zu den Trainern, zu denen Toni ein besonders vertrauliches Verhältnis pflegt, zählt Dietrich Weise. Allerdings muss er sich von Weise auch einen Rüffel gefallen lassen: "Ich will das gar nicht wissen, das machen Sie bei mir bitte nicht." Anlass für diese Bemerkung ist die Beichte Tonis, warum die Eintracht seinerzeit auf angefrorenem Boden auf dem Betzenberg gegen die von Weise trainierten Lauterer einen Auswärtssieg einfahren konnte. "Ich hatte da so meine besondere Art, die Schuhe für vereisten Boden zu präparieren", berichtet Toni. "Ich habe die Lederummantlung der Stollen längs eingeschnitten und den Schnitt mit einer Paste gefüllt, so dass er bei der Schuhkontrolle durch das Schiedsrichterteam nicht auffiel. Während des Spiels hat sich dann sehr schnell das Leder gelöst und es ragte nur noch die Nägel aus der Sohle. Mit diesen Spikes hatten wir natürlich viel mehr Standfestigkeit als unsere Gegner."

In die zweite Ära Weise fällt aber auch ein Erlebnis, das Toni fast einen Herzinfarkt bereitet hätte: "Ich habe es oft nicht am Spielfeldrand ausgehalten und bin sehr früh in die Kabine, zum Beispiel bei der Relegation in Saarbrücken. Den größten Schreck habe ich aber dabei 1984 erlebt." Und zwar genau am 25. Februar 1984.

Es ist der 23. Spieltag, die Eintracht seit September '83 ohne Bundesligasieg. Auch unter dem neuen Trainer Weise reichte es in neun Spielen bei drei Niederlagen lediglich zu sechs Unentschieden, regelmäßig hängt Toni am Montag zum Training eine Rote Laterne an die Kabinentür, um die Spieler auf die prekäre Situation hinzuweisen. Und nun steht das Derby gegen den Vizemeister von 1959 an. Zur Halbzeit liegt die Eintracht durch ein Eigentor von Kutzop kurz vor der Pause, der hierfür vom Frankfurter Anhang in der gesamten Pause frenetisch gefeiert wird, mit 1:0 in Führung. Toni ist das alles zu viel - er bleibt nach der Halbzeit in der Kabine, dreht die Duschen auf, um nichts vom Stadionlärm zu hören. Plötzlich erscheint Sziedat, allein, wie in der Vorrunde vorzeitig des Feldes verwiesen - mit letztem Einsatz hat er den Konter zum möglichen 1:1 verhindert und dafür mit dem vorzeitigen Abgang bezahlt. 10 Mann kämpfen da draußen, Tonis Buben, seine Jungs und es steht immer noch 1:0 ... Doch 20 Minuten später wird Toni erlöst und sein treues Herz belohnt: Die Eintracht, die Toni so sehr liebt, dass er es kaum noch aushält, siegt in Unterzahl mit 3:0.

Bazillus Eintracht

1995 nimmt Toni Abschied, sein Nachfolger wird Friedel Lutz. Es ist jedoch lediglich ein Abschied vom Arbeitsplatz, seiner Diva vom Main bleibt Toni treu. Heute noch hat er regelmäßigen Kontakt zu Spielern, für die er am Riederwald und im Stadion immer die gute Seele und ein Ansprechpartner mit stets offenem Ohr war. Die Stars der 60er, 70er und 80er wie Hölzenbein, Kunter oder Nickel schauen regelmäßig bei ihm in Urberach vorbei, treffen sich mit ihm im Stadion, oder man telefoniert miteinander. Der alte Haudegen Ernst Kudrass, der zwischen 1948 bis 1962 in 231 Spielen den eisenharten Verteidiger in der Oberligamannschaft der Eintracht gab, wohnt in unmittelbarer Nähe von Toni. Regelmäßig zu Gast bei ihm und seiner Frau Christel ist zudem der Eintracht-Fanclub Kommando Anton Hübler. "Das sind meine Mädels und Jungs", zeigt er sich schon ein wenig stolz darüber, dass er auch für viele Jüngere zu denen gehört, die das Wort 'Eintracht' mit Leben füllen.

Auch im Stadion trifft man Toni regelmäßig. Es macht ihm Spaß, den sportlichen Weg seiner Eintracht zu verfolgen: "Ich gehe praktisch zu allen Heimspielen und freue mich heute über das Publikum. Kein Spieler spielt gerne einen Fehlpass, macht gerne einen Fehler. Früher wurden sie dann gleich ausgepfiffen, das ist heute nicht mehr so. Heute haben wir mehr als 40.000 Zuschauer statt 10.000 früher, und die Spieler werden aufgemuntert und nicht ausgepfiffen. Und der Fanblock ist eine einmalige Geschichte, was zum Beispiel an Arbeit in den Choreografien steckt ... Das macht die Spieler von früher schon ein wenig neidisch. Erschrocken war ich allerdings beim Spiel gegen den HSV. Die aktuelle Mannschaft gibt das, was sie können. Darum haben sie auch keine Pfiffe verdient."

Frank Gotta


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