25.07.2007

Essen in Bielefeld

Gut, wir wissen es jetzt, Bielefeld gibt es doch! Leider. Ich wusste es bereits zuvor, ich habe hier zehn Jahre gearbeitet, obwohl ich den Begriff " Bielefeldverschwörung " kannte. Früh schon war ich gezwungen, meine Heimat zu verlassen (Beruf) und das Schicksal hat mich dann nach Ostwestfalen verschlagen (Ehefrau). Seither lebe ich weit entfernt vom Waldstadion, denke manchmal an die alten Zeiten im G-Block und habe zu jedem Heimspiel ca. 300 km Anfahrt.

Einmal im Jahr aber spielt die Eintracht fast vor meiner Haustür. Schön, dass gerade jetzt mein Vater im Rhein-Main-Gebiet Geburtstag feiert und ich ihn natürlich besuche. So bleibt es am Samstag bei dem gewohnten Rhythmus und ich habe wieder 300 km Anfahrt.

Aber jetzt zu Bielefeld. Einiges ist hier merkwürdig, zum Beispiel weiß hier niemand so ganz genau, warum die Arminia ihren Namen trägt. Selbst die Homepage des DSC Arminia Bielefeld und das heutige Stadionprogramm warten nur mit diffusen Theorien um Hermann (=Arminius) den Cherusker auf, der hier irgendwo in der Region den Gästen aus Rom eine schwere Auswärtsniederlage beigebracht hat. DSC übrigens bedeutet " Deutscher Sport-Club ", wobei wiederum niemandem klar ist, weswegen damals das Nationale so betont wurde.

Und warum "Bielefelder Alm"? Als der Verein in den zwanziger Jahren einen neuen Sportplatz anlegte, wurden Erdwälle für die Zuschauerränge aufgeschüttet. Ein Vereinsmitglied soll dann angesichts der ergrünten Hänge bemerkt haben, hier sähe es aus, wie auf der Alm. Der Name blieb dann hängen...

Na ja. Das heutige Stadion muss den erschütternden Namen "Schüco-Arena" tragen; mir kommt dabei immer das Wort "Schuhkarton" in den Sinn. Seit dem 100jährigen Jubiläum hat der Verein im Emblem einen Lorbeerkranz. Diesen Ehrenkranz hat sich der Verein selbst verliehen; sonst wäre wohl auch niemand auf die Idee gekommen.

Leicht haben es die Arminen hier nicht: im näheren Umfeld aufmüpfige Lokalkonkurrenten, derer man sich durch die Jahre erwehren musste (Herford, Gütersloh, aktuell Paderborn), im eigentlichen Hinterland spielt Handball (Lemgo, Minden, Nettelstedt) eine große Rolle und im weiteren Umfeld gibt es gegen Dortmund und Schalke keine Schnitte.

Eine dürre Weide also, die in früheren Jahren auch schon mal zu der Überlegung geführt hat, dem ausbleibenden Erfolg könne man durch Zahlungen an richtiger Stelle etwas nachhelfen (1970/71). Die damalige Aktion hatte prägende Wirkung, warf den Verein schwer zurück und kostete ihn bis heute nahezu eine ganze Fangeneration.

Stolz sind die Anhänger hier inzwischen trotzdem auf ihre Arminia und ich meine, aktuell auch zu Recht, denn einen kleinen Boom haben sie schon geschafft und mit etwas Werbeaufwand werden sie bald Mitglied Nr. 9000 begrüßen können.

Zu dem heutigen Spiel haben wir (Vater und Tochter) etwas Ungewöhnliches im Gepäck: VIP-Tickets. Einladung von einem Unternehmen, das die Arminia sponsert und zu jedem Heimspiel ein paar Einladungen zu Haupttribüne und Lounge ausspricht. Uns widerfährt solche Wohltat zum ersten Mal und so betreten wir auf der Haupttribüne (G-Block!) ungewohntes Terrain. Erst mal gibt´s ein gelbes Bändchen für das Handgelenk. Gut, dass ich ein Hemd mit langen Ärmeln trage. Dann wird allerlei geboten: warmes und kaltes Büfett, Kuchen, Getränke - all inclusive. Vater und Tochter mit klassischem schwarz-rotem und schwarz-weißem Schal wirken etwas deplatziert - auch im Konsumverhalten. Während ringsum Kalorien gebunkert werden, beschränken wir uns auf eine Tasse Kaffee und eine Cola light. Außerdem sind wir seit Cottbus noch ganz ohne Energie und angesichts der schwarz-blauen Übermacht ein bisschen mutlos.

Frühzeitig verlassen wir das Schlaraffenland und begeben uns noch zwei Treppen höher auf unsere Plätze im Stadion. Wir wollen doch Oka begrüßen, wenn er mit dem Menger zum Warmmachen erscheint. Wunderbare Plätze in Höhe der Mittellinie - um uns herum nur gähnende Leere. Drei Reihen hinter uns der Alexander Kolz, der gleich den Live-Ticker für die Eintracht-Seite schreiben wird, zehn Meter weiter begibt sich Werner Hansch auf seinen Arena-Arbeitsplatz.

Linker Hand, weit ab von uns, die Jungs auf der niedrigen Bielefelder Stehtribüne und hinter dem Tor die Sitzplatztribüne der Gäste in praller Sonne. Auch dort halten langsam die Eintrachtler Einzug und singen sich in der Hitze allmählich warm. Deutlich zu sehen, wie dort die Bekleidung immer leichter wird und bald ins Hautfarbene übergeht.

Bei uns bleibt es bis unmittelbar vor Anpfiff weitgehend leer, so dass wir vollkonzentriert den geistreichen Platzmoderator der Arminia verfolgen können, der holprig eine Menge Blödsinn von sich gibt, bis ihn verdienterweise der Strahl des Rasensprengers erwischt und vom Spielfeld vertreibt.

Bis zur 5. Spielminute strömen nun die Besucher aus der Lounge auf ihre Plätze, - gut für uns, so können wir noch ungestraft ein wenig stehen bleiben und uns am Spiel erfreuen, bis uns auch gleich Amanatidis die Angst vertreibt. Daran ändert auch der Ausgleich der Arminia wenig und beim erneuten Führungstreffer der Eintracht können wir noch einmal das Gefühl genießen, inmitten einer erstaunten und gleich darauf etwas verärgerten Menschenmenge ganz alleine aufzuspringen und zu jubeln. Pünktlich zum Halbzeitpfiff haben wir schon wieder ziemlich viel Platz im Block: Bielefeld ist schon zu Tisch.

Als die Treppe leer ist, gehen wir auch auf eine zweite Cola. Ganz in der Nähe das halbe Mundstuhl-Duo, ordentlich gekleidet im schwarz-roten Trikot. Dann schnell wieder zurück auf die Plätze, wir wollen nichts verpassen. Unser Umfeld denkt offenbar nicht so und kehrt erst zurück, als Amanatidis nach seinem Elfmetertor jubelnd abdreht.

Als Mitte der zweiten Halbzeit die erwähnte Hautfarbe im Eintrachtblock leicht ins rötliche übergeht, kommt ein alter Bekannter zu Besuch: Die Angst. Kann das noch schief gehen? Die Bielefelder glauben "Ja" und bekräftigen dies durch ihr Anschlusstor.

Im Spiel zu diesem Zeitpunkt bereits der Bielefelder Jonas Kamper, Filmheld eines Videoclips, den die Arminen vor Spielbeginn aus lauter Begeisterung gleich mehrfach laufen ließen. Im Western-Style durfte er dabei einen Ball in die Luft schießen, woraufhin ein Plüschadler vom Himmel fiel. Der lustig gemeinte Film konnte uns aber nicht beeindrucken, denn wir wissen: Im Teutoburger Wald gibt es zwar ein paar vereinzelte Adler, aber keine Dänen, die irgendetwas treffen können. Purer Quatsch also.

Unsinn auch die weiteren Bemühungen der Bielefelder Kicker. So sehen dies auch meine Nachbarn und erheben sich fünf Minuten vor Schluss, schließlich gilt es, Prioritäten zu setzen. Treppe runter und noch einen kleinen Nachtisch vor der Heimfahrt. Marcel Heller erledigt den Rest - obwohl er natürlich hätte abspielen müssen.

Wir freuen uns noch am Jubel der Sieger in der Eintrachtkurve, obwohl wir lieber mittendrin, als nur dabei gewesen wären. Werner Hansch spricht übrigens immer noch in sein Mikrofon, sein Spiel dauert weitaus länger als bloß 90 Minuten. Auch wir lassen uns noch Zeit an dem schönen Ort, bis die Spieler verschwunden sind. Dann schließlich verlassen zwei fröhliche VIPs den Block und holen sich noch ein Würstchen an der Bude, bevor sie durch den Oetker-Park zum Auto schlendern.

18.30 Uhr zu Hause. Schnell noch vor die Sportschau - gleich kommt die Eintracht.

owladler hört auch auf den Namen Andreas und hält die Eintracht-Enklave in Paderborn.

 

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