29.05.2006

Es war der 25.05.2003...

Es war der 25.05.2003, etwa um 07:00 Uhr morgens, als ich voller Panik aufwachte und mit Freuden erkannte das es sich nur um einen Traum gehandelt hatte. In eben diesem Traum führte Mainz mit 0:4 in Braunschweig .......

Den ganzen Tag war ich so nervös, das ich nichts richtig sinnvolles tun konnte, ich meine mich zu erinnern sogar die Spülmaschine ausgeräumt zu haben.

Leider hatte ich mich zu spät um eine Karte für das Spiel gekümmert und musste somit zuhause Premiere schauen. Als es dann endlich 15:00 Uhr war, saß ich auf meinem Fernsehsessel und harrte der Dinge die da kommen sollten.

Der erste Schrei kam nach 5 Minuten, als der gute Jermaine Jones das 1:0 schoss. Da dachte ich mir gut, aber das wird wohl nicht reichen. Ich glaube, es war nur Sekunden später, als in Braunschweig ein Tor gegen Mainz fiel, welches dann allerdings nicht gegeben wurde. Da kam der Ruf "Tor in Frankfurt!!". Ich dachte nur "oh super 2:0", aber weit gefehlt, Frommer köpfte das 1:1, konnte sich aber wohl nicht richtig darüber freuen. Ich persönlich halte ihm das Tor charakterlich zugute. Na ja, bis jetzt schien noch nix verloren, da auch die Mainzer Probleme hatten. Aber nur bis zu dem Moment als wieder ein Tor aus Braunschweig vermeldet wurde, diesmal war es der Auer mit 0:1 für die Mannen von der "Ebsch Seid" (was so viel heißt wie: motzige (Rhein)-Seite). Damit war Meenz zu diesem Zeitpunkt in der Bundesliga (was wollen die da nur?). Kurze Zeit später fiel dann auch noch das 0:2; langsam schien mein (Alb-)Traum Wirklichkeit zu werden. Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber irgendwann schoss Alexander Schur das 2:1 für die Eintracht. Jetzt sah die Welt schon wieder besser aus. Als sich dann noch Ervin Skela den Ball zu einem Freistoß hinlegte und diesen wunderschön in das Reutlinger Tor schoss, war meine Fußballwelt wieder in Ordnung. An dieser Stelle muss ich mal anmerken, dass es schon schön ist, auch mal wieder direkte Freistoßtore zu sehen. Das Letzte vor Skela war, glaube ich, von Ralf Weber und das ist ja auch schon ne Ecke her.

Aufregen konnte/durfte/musste ich mich dann nochmal als der ehrenwerte Herr Strampe einen klaren Elfmeter an Henning Bürger nicht gab, nu ja, wer weiß, wofür es gut war. Zur Halbzeit sah es mit 3:1 für die Eintracht (die aus Frankfurt natürlich) und 0:2 für Mainz eigentlich nicht zu schlecht aus, wenn da nicht mein Traum gewesen wäre...

Ok, Halbzeit für Toilette und sonstiges genutzt, und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Mainz führte 0:4 (mein schlimmer Traum wurde also wahr) und die Reutlinger wehrten sich wie verrückt und machten das 3:3. Was diesem Moment folgte, lässt sich nur sehr schwer in Worte fassen. Es war der Tiefpunkt, die absolute Leere, ich wollte irgendwas kaputt machen, besann mich dann aber und schmiss mich aufs Bett. Meine Frau fragte mich, ob sie mir den irgendwie helfen könne, aber in so einem Moment kann einem niemand helfen. Was hätte sie denn schon sagen sollen? Dass ich nur geträumt hatte? Dass auf wundersame Weise doch noch alles gut wird? Nein, ich hatte mit dem Aufstieg abgeschlossen und wusste nicht, was ich jetzt machen sollte. Nun bemerkte ich auch den Regen draußen, sollten das die Tränen der Frankfurter sein, die dort vom grauen Himmel über Hessen fielen?

Irgend etwas musste ich machen, ich konnte schließlich nicht den ganzen Tag auf dem Bett liegen bleiben. Also setzte ich mich nach gut 5 Minuten an meinen PC und begann ziellos im Internet zu surfen, und mir Gedanken zu machen, welche Antworten ich am nächsten Tag auf die ganzen dummen Sprüche (z.B. 'Die Mainzer waren noch nie in der 1. Liga, die haben das auch mal verdient' oder 'Na und, immer noch zweite Liga?') geben sollte.

Glücklicherweise steht bei uns der PC im Wohnzimmer, also im selben Raum wie der Fernseher und die D-Box. Im Hintergrund lief also weiterhin die Konferenz. Ich konnte und wollte nicht mehr richtig zuhören, aber irgendwie drangen die Worte "Tor in Braunschweig" an meine Ohren. Mein erster Gedanke war: "Toll, der Auer hat also sein 5. Tor gemacht!", aber irgendwie lag der Ball im Mainzer Tor. Gerade als ich berechnet hatte, dass die Eintracht nun 6:3 gewinnen müsste und dies wohl innerhalb von 10 Minuten nicht zu schaffen sei, hörte ich die Worte, nach denen ich mich so sehr gesehnt aber vor denen ich auch Angst hatte: "Toooor in Frankfurt". In Frankfurt angekommen sah ich wie Diakité samt Ball nebst Reutlinger im Tor lag. Plötzlich begann ich wieder zu Träumen, sollte es doch möglich sein...

Von nun an hatte der Fernseher wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich hoffte auf ein 2. Tor der Braunschweiger, denn wer sollte noch 2 Tore für die Eintracht schießen? Denn Beierle, Jones und Toppmöller waren nicht mehr dabei. Die Zeit wurde immer knapper. Die Eintracht kam auch noch zu Chancen, nutzte sie aber nicht. Die Braunschweiger schossen ebenso wenig ein Tor. Als sich Streit plötzlich über rechts durchzusetzen versuchte und auf der Nase landete. Was folgte war gelb/rot für den Reutlinger Rehm. Wieder ging mein Blick auf die Uhr, es war die 90. Minute. Die Frage war: Kann man(n) jetzt noch 2 Tore schießen??

Man(n), genauer gesagt Diakité, kann. Wieder war es Skela, der sich hervorragend im Strafraum der Reutlinger durchsetzte und den Ball zu Diakité schob. Der zog ab und die Pille war im Tor. Jetzt war aus der vorsichtigen Träumerei wieder Hoffnung geworden.

Zwischenzeitlich fielen noch anderswo Tore, die aber keinen interessierten, folglich blieb Premiere in Frankfurt. Nun schaltete man um nach Braunschweig, denn dort würde in Kürze abgepfiffen. So war es auch. Die Mainzer wollten jubeln, aber Trainer Klopp mahnte zur Ruhe, denn der Eintracht fehlte nur ein Tor.

Okay, schnell zurück ins Waldstadion. Hier lag der Ball im Reutlinger Tor, mitten im einsetzenden Torjubel aber kam die Erkentniss "es zählt nicht". Egal, weiter jetzt, ich schrie Diakité an, er solle gefälligst spielen und nicht mit dem Schiri über das nicht gegebene Tor diskutieren.

Ich erwartete jede Sekunde den Schlusspfiff. Allerdings wusste ich nicht, dass Strampe 3 Minuten Nachspielen angezeigt hatte. Als Streit dann über das Tor schoss, dachte ich zum zweiten Mal an diesem Tag "alles vorbei". Ich rechnete fest mit dem Abpfiff nach dem Abschlag vom Reutlinger Tor.

Doch die Eintracht kam nochmal, wir hatten mittlerweile die 92. Minute, ich glaube es war wieder Diakité der schoss, und der Ball wurde zu Ecke abgefälscht. Das war die letzte Möglichkeit, die letzte Chance auf den Aufstieg, der ultimative Angriff. Ausnahmsweise führte Keller die Ecke aus, kurz auf Bürger, der flankt vors Tor auf den langen Pfosten. Totenstille überall, man könnte eine Nadel fallen hören, tausendstel Sekunden werden zu Jahren, ich glaubte mein Herz würde aussetzen, alles läuft in Zeitlupe ab,..... Alexander Schur kommt an den Ball, köpft ihn ins Tooooooooooor und setzt zu einem Jubellauf übers halbe Spielfeld an.

Bei uns im Wohnzimmer gab es einen ein Jubelschrei den man wahrscheinlich bis Mainz gehört hat. Meine Frau kam und wollte wissen, wer der Torschütze sei, ich konnte nur noch schreien der Schur war's, der Schur war's.
Ich wusste nicht, pfeift Schiri Strampe noch mal an oder nicht. Er pfiff, allerdings nur für wenige Sekunden, dann kam der erlösende Schlusspfiff.

Was nun folgte, lässt sich nicht beschreiben, wir schrien, sprangen und hüpften durch die Wohnung. Es war die Freude in ihrer puristischsten Form. Es war unglaublich. Die Eintracht war dem Tod von der Schippe gesprungen. Ich glaube so etwas gibt’s nur in Frankfurt. Ich dachte immer das 5:1 gegen K'lautern sei nicht zu toppen, aber ich wurde eines besseren belehrt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wenn man so etwas erzählt, glaubt einem das keiner. Es war einfach anfassbar. Am nächsten Tag war ich heiser.....

Noch Tage danach habe ich mir die letzten 10 Minuten der Konferenz immer und immer wieder angesehen und bekomme heute noch eine Gänsehaut wenn Alex Schur seine Rübe an den Ball bringt, selbiger (der Ball) im Tor landet und gleichzeitig der Reporter seinen Tooooooooooor-Schrei loslässt. Die Radiokonferenz habe ich auf CD im Auto, auch das löst immer wieder eine Gänsehaut bei mir aus.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass mir die Mainzer wirklich leid tun. Das ist, glaube ich, das schlimmste was einem im Fußball passieren kann. Auch ziehe ich den Hut vor Trainer Klopp, der in der Stunde seiner größten Niederlage der Eintracht gratuliert und sagte, die Eintracht habe den Aufstieg verdient. Aber Mainz hat den Aufstieg nicht an diesem denkwürdigen Sonntag im Mai verspielt, sondern bei der 4:3 Niederlage in Ahlen.

'Nemo' ist Thorsten aus Wiesbaden

 

© text, artwork & code by fg