21.03.2007

Der schmale Grat

Teil 1 – Die vergessenen Helden

Ja, es ist ein Artikel, der sich mit Jermaine Jones befasst, in Eintrachtkreisen wieder und wieder durchgekaut, keine Beleidigung auslassend und am Ende nur noch durch naserümpfende Reizüberflutung gekennzeichnet.

Aber Hand aufs Herz: Wem entlockt dieses Thema nicht ein gewisses Interesse und wen aus den Reihen der Adlerträger in der Kurve trifft es trotz dieser Aussagen nicht so, als dass er leugnen würde, sich je damit befasst zu haben?

Die Antwort ist einfach. Keinen!

Doch fangen wir es etwas anders an. Dem gemeinen Frankfurter Publikum wird bescheinigt, sehr emotional aber auch sehr kritikfähig zu sein. Weiter werden sportliche Leistungen mit hohem Respekt anerkannt, auch wenn sie gegen die eigene Mannschaft errungen wurden oder werden. Das Dumme ist natürlich nur, dass es der oben genannte gemeine Hesse nie zugeben würde.

Was aber macht einen stillen Helden im Herzen eines Adlers aus, der für die Leidenschaft Fußball steht?

Nun, da bemühen wir einmal die Vergangenheit;

Mir kam hier ein Artikel der FAZ vom 14.08.2003 von Roland Zorn in den Sinn:

Helden der Herzen

Ein Mann, ein Tor: Helmut Rahn musste danach immer wieder den Moment seiner Karriere schildern, da aus dem Essener Rechtsaußen ein Held aus der Mitte des Volkes, später sogar eine Legende geworden war. Es schlug die 84. Minute des Endspiels um die Fußball-Weltmeisterschaft 1954, und es stand 2:2 zwischen dem Außenseiter Deutschland und dem Favoriten Ungarn, da rauschte Rahn heran.


Wie, das hat damals Herbert Zimmermann so einfach und eindringlich geschildert, dass die Reportage des Hörfunkreporters auch Jahrzehnte später ein Monument erlebter Zeitgeschichte geblieben ist: "Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt! Tor! Tor für Deutschland! Deutschland führt 3:2!" Und wird mit diesem Ergebnis Weltmeister.

Immer wieder die Frage: Wie war das mit dem Tor?

Geboren war das "Wunder von Bern", gefeiert wurden dessen Protagonisten. Vorneweg der "Boss" Helmut Rahn, der "Chef", Bundestrainer Seppl Herberger, und natürlich der Kapitän, Fritz Walter. Dieser im nachhinein funkelnde, am Sonntag der Entscheidung aber völlig verregnete 4. Juli 1954 gehört seitdem zu den wenigen deutschen Mythen der Nachkriegszeit. Und Helmut Rahn zu den Hauptfiguren eines Endspiels, das den Wiederaufstieg der Deutschen in den Kreis der weltweit respektierten Länder besser als jede andere Episode illustrierte.

Rahn selbst hat danach immer wieder in seinen Essener Stammkneipen erzählen müssen, wie er einen von den Ungarn abgewehrten Ball erlief, den Gegenspielern bei seinem Solo entlang des Strafraums davon stürmte und dann freie Schussbahn fand, um per Vollspann mit links "abziehen" und so den ungarischen Torhüter Grosics bezwingen zu können.

Eine Fußball-Ikone

Rahn spielte vierzigmal für Deutschland, schoss dabei 21 Tore - vier während der WM 1954, sechs bei der WM 1958 in Schweden -, verhalf seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen 1955 zur deutschen Meisterschaft und trug mit acht Treffern seinen Teil zum zweiten Platz des Meidericher SV im Gründerjahr der vierzig Jahre alten Bundesliga bei. Rahn gebührte zudem die zweifelhafte Ehre, als erster Bundesliga-Vertragsspieler am vierten Spieltag der Saison 1963/64 nach einem groben Foul vom Platz gestellt worden zu sein.

Eigentlich aber war der "Boss" ein liebenswertes Enfant terrible, einer, der nicht viel Aufhebens von sich machte. Dabei war oft genug er es, der seinen ungleich sensibleren Zimmergenossen in der Nationalmannschaft, Fritz Walter, immer wieder aufmunterte. Walters Geniestreiche bereitete Rahn so manches Mal mit seiner unkomplizierten Haltung - wo ist das Problem? - vor. Auch deshalb hatte Herberger einen Narren an dem Essener Solisten gefressen, der zu Beginn des WM-Turniers in der Schweiz noch im Schatten des mannschaftsdienlichen Schalker Balltechnikers Bernie Klodt gestanden hatte. Am Ende hatte sich der "Boss" so eindrucksvoll durchgesetzt, dass ihn der "Kaiser", Franz Beckenbauer, postum mit dem Satz würdigte: "Rahn hat eine ganze Epoche bestimmt zusammen mit Fritz Walter."

Fritz Walter, Helmut Rahn… Ja, das sind Legenden, aber hier frage ich: Wer kennt Bernd Trautmann?

Bernd („Bert“) Trautmann – mit gebrochenem Genick zum Pokalsieg – Jahrgang 1923

Während im Sommer 1954 Toni Turek in der Schweiz zum „Fußball-Gott“ avanciert, sitzt der wohl beste deutsche Torhüter dieser Zeit daheim vor dem Radio. Daheim, das ist im Falle von Bernd Carl „Bert“ Trautmann nicht Berlin, München, Hamburg oder sein Geburtsort Bremen, sondern die triste Arbeiterstadt Manchester im Norden Englands. Trautmann wird in seiner langen Karriere kein einziges Länderspiel bestreiten. „Legionäre“ haben es sehr schwer, Platz im berühmten Notizbuch von Sepp Herberger zu finden.
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Bei seinem Verein Manchester City erfährt Trautmann da mehr Wertschätzung. Als Deut¬scher und ehemaliger Kriegsgefangener zunächst kritisch beäugt und bei seinem ersten Ein¬satz für City 1949 gnadenlos ausgepfiffen, erarbeitet er sich nicht nur durch seine sportlichen Fähigkeiten, sondern auch durch sein vorbildliches Verhalten die Anerkennung der Briten. „Der Respekt, dem man ihm und durch seine Leistungen letztendlich auch Deutschland ent¬gegenbrachte, war vielleicht der Anfang jenes Heilungsprozesses, der die Kriegswunden ver¬schloss“, so der englische TV-Journalist Jimmy Hill über Trautmann.

1956 wird der erste deutsche Fußball Legionär beim Endspiel um den FA-Cup in London zur Legende: Bert Trautmann, Torwart von Manchester City, verletzt sich kurz vor Spielende bei einer waghalsigen Parade schwer am Hals. Obwohl er immer wieder zusammenbricht und sehr starke Schmerzen hat, spielt er weiter und sichert seiner Mannschaft den Pokalsieg.

2 Tage später kommt die Diagnose: Bernd Trautmann hatte sich beim Spiel das Genick gebrochen. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben war. Spätestens nach diesem tapferen Auftritt war er zum beliebtesten Torwart Englands geworden und wurde von Kollegen wie Stanley Matthews und Bobby Charlton sogar als "bester Torwart aller Zeiten" gelobt.

Die ganze Karriere des Deutschen auf der Insel gleicht einem Wunder. Nachdem er von einem deutschen Kriegsgericht als Saboteur verurteilt wurde, entkam der Fallschirmjäger in letzter Sekunde der Urteilsvollstreckung. Als Kriegsgefangener kommt er 1945 nach England, wo er im Lager Fußball spielt und entdeckt wird.

Der Erstligist Manchester City wagt es – nur 4 Jahre nach Kriegsende – den deutschen Soldaten als Torwart zu verpflichten. In der Stadt bricht ein wütender Proteststurm los. 40000 aufgebrachte Engländer gingen 1948 auf die Straße, um gegen seinen ersten Auftritt zu demonstrieren. Doch schon bald erobert Trautmann mit seinen Paraden das Herz der Briten. Beim ersten Auswärtsspiel in Fulham verabschiedeten ihn sogar die gegnerischen Spieler mit Applaus in die Kabine.

Als untadeliger Botschafter des Nachkriegsdeutschlands verdiente er sich höchsten Respekt in seinem Gastland, dem zuliebe er seinen Vornamen Bernd zum benutzerfreundlichen "Bert" verkürzte. 60000 Anhänger im überfüllten Stadion an der Maine Road verabschiedeten schließlich 1964 ein großes Fußball-Idol, das seine schwersten Kämpfe jenseits der Stadien bestreiten musste. Sein 5-jähriger Sohn verstarb bei einem Unfall, seine erste Ehe scheiterte und sein Engagement als Trainer bei unterklassigen Mannschaften blieb ohne Erfolg.

Schließlich schickte ihn der deutsche Fußball als Entwicklungshelfer in alle Welt als - nachträgliche Anerkennung seiner Ausnahmeleistungen. Denn da der Nationaltrainer Sepp Herberger damals den Einsatz von "Legionären" strikt ausschloss, blieb Trautmann sein großer Wunsch für Deutschland zu spielen, verwehrt.

2004 wurde Bert Trautmann von Queen Elisabeth II. in Anerkennung seiner Verdienste um die britisch-deutschen Beziehungen zum "Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire" ernannt.

(Quelle: FAZ und Die Zeit)

Was aber macht einen stillen Helden im Herzen eines Adlers aus, der für die Leidenschaft Fußball steht?

Das war die Eingangsfrage.

Und irgendwie sind wir im Kleinen bei der Gegenwart gelandet.

Es gibt jemanden aus Frankfurt Bonames, der sich ausschickt, der Fußballnation das Fürchten zu lehren.

Teil 2 - Der Aufstieg im Schatten des Adlers

Im ersten Teil unserer Geschichte ging es also zurück in das Jahr 1954 und den Helden von Bern. Das Jahr, in dessen Zusammenhang auch gerne die Metapher der inoffiziellen Gründung der jungen Bundesrepublik bemüht wird. Unbestritten hatte dieser unerwartete Erfolg erheblichen Einfluss auf ein neues "Wir"- Gefühl, aber sehen wir es nicht so politisch; der Fall Bernd Trautmann zeigt auf, dass man auch abseits des Rampenlichts mit großem Herz und Identifikation im Gedächtnis derer bleibt, die dieses Spiel lieben. Unser Spiel.

Sicher zählte der erste Weltmeisterschaftstitel mit zu den prägendsten Ereignissen der 50er Jahre, doch auch im Vereinsfußball wurden zu dieser Zeit große Geschichten geschrieben und hier zählte die Sportgemeinde Eintracht Frankfurt zu den besseren Adressen. Einer der damaligen Adlerträger war der 54er Weltmeister Alfred Pfaff. Zwar stand er in der bundesdeutschen Auswahl unter Sepp Herberger nur in der zweiten Reihe, doch bei der Eintracht wird er unvergessen bleiben. Hier errang er als Mannschaftskapitän im Jahre 1959 die bislang einzige nationale Meisterschaft und führte die damalige Elf als erste deutsche Mannschaft überhaupt in ein europäisches Pokalfinale.

Der Grundstein war gelegt und die Eintracht brachte im Laufe der Jahrzehnte weitere legendäre Spieler hervor. In den 70ern kamen die unvergessenen Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski zu Ehren und avancierten zu Idolen der hessischen Fußballfans. Die Erfolge dieser beiden Spieler, die sich in das Gedächtnis der Anhängerschaft gebrannt haben, würden Seiten füllen und es würde zu weit gehen, diese allesamt aufzuführen - so das denn überhaupt möglich wäre. Greifen wir nur einmal einige Beispiele heraus:

"Mr. Eintracht Frankfurt" Jürgen Grabowski kam nicht nur im Trikot der hessischen Adler, mit denen er 1974 und 1975 den DFB-Pokalsieg feiern konnte, zu besonderen Ehren, nein, auch mit der Nationalmannschaft erzielte er Triumphe, die auch heute noch den Kenner mit der Zunge schnalzen lassen. Zwar gekrönt mit dem WM-Titel 1974 bleibt doch ein anderes, besonderes Spiel stets in Erinnerung: Das Jahrhundertspiel 1970 im Halbfinale gegen Italien, in dem er kurz vor Schluss die Flanke gab, die "ausgerechnet Schnellinger" zum Ausgleich nutzen konnte.

Den Jüngeren hier sei gesagt, dass das in etwa so ist, als wenn Ochs in einem unerwarteten Moment eine Hereingabe wagt, die "ausgerechnet Preuß" mit einem spektakulären Fallrückzieher zu einem Siegtor gegen die Bayern verwandelt.

Seine Karriere endete leider zu früh. Ein junger Holzhacker namens Matthäus grätschte ihn unnötigerweise an der Eckfahne ab, woraufhin er verletzungsbedingt seine Profilaufbahn beenden musste. Der Erfolg 1980 im UEFA-Cup blieb ihm somit verwehrt. Untrennbar mit diesem Erfolg verbindet man aber den Namen seines langjährigen Spielpartners Bernd Hölzenbein, der durch sein Tor im Sitzen gegen Dinamo Bukarest den Weg in das Finale bereitete.

Doch auch ein weiterer Eintrachtstern war zu dieser Zeit aufgegangen: Karl-Heinz Körbel. "Der treue Charly" brachte es während seiner Laufbahn von 1972 bis 1991 bei Eintracht Frankfurt auf 602 Bundesligaspiele, war an allen 4 Pokalsiegen beteiligt und wird den Status als Rekordspieler der Bundesliga, der sich auch durch Vereinstreue auszeichnete, wohl bis in die Ewigkeit halten.

Ohnehin stellte die Frankfurter Eintracht zum Ende der Karriere von Karl-Heinz Körbel Anfang der 90er eine Mannschaft, die Fußball zelebrierte, aber leider nie den Erfolg der Mannen um Alfred Pfaff aus dem Jahr 1959 wiederholen konnte. Unter anderem sei hier ein Mittelfeldspieler namens Andreas Möller erwähnt, auf den ich in anderem Zusammenhang im dritten Teil dieser Geschichte noch eingehen werde. Hier jedenfalls hat er nichts verloren.

Das Ende der 90er Jahre hingegen war geprägt durch den Niedergang der Eintracht und der Lancierung zu einer Fahrstuhlmannschaft. Doch auch zu diesen Zeiten prägten zwei Identifikationsfiguren das Bild unserer Elf: Uwe Bindewald und Alexander Schur.

Uwe Bindewald, der die großen Zeiten und den Fußball 2000 mitgestaltet hatte, rackerte auch in schlechten Zeiten für sein Team und war sich nicht zu schade, den bitteren Gang in Liga Zwei mitzumachen. 261 mal in der Bundesliga und 123 mal in der zweiten Liga trug er das Adlertrikot. Die Anhängerschaft liebte ihren unermüdlichen Kämpfer mit dem Spitznamen "Zico", den er in Anspielung an seine technische Raffinesse erhalten hatte. Seine Rückennummer 13 jedenfalls wird in der Kurve unvergessen bleiben. Bei seiner Verabschiedung, welche mit einer aufsehenerregenden Choreographie zelebriert wurde, wurde den Fans in Form einer Schwenkfahne symbolisch diese Nummer überreicht.

Zum Abschluss unserer kleinen Reise durch die Eintrachtgeschichte sollte natürlich noch Alexander Schur Erwähnung finden. Ein Spieler, der in den Herzen der Eintrachtfans nicht nur wegen seines Kopfballtreffers in der allerletzten Sekunde gegen den SSV Reutlingen zum Wiederaufstieg Geschichte geschrieben hat. Doch auch das würde den Rahmen hier sprengen...

Um es abzuschließen, möchte ich es mit den Worten der damaligen Radioreportage, die bei uns so legendär ist, wie die 54er Berichterstattung von Zimmermann, sagen: „Meine Freundin möge mir verzeihen. Das ist geiler als Sex.“ Eintracht Frankfurt.

Was nun Spieler wie die hier angesprochenen Alfred Pfaff, Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Karl-Heinz Körbel, Uwe Bindewald und Alexander Schur mit einem jungen Spieler aus Frankfurt-Bonames zu tun haben und warum hier Andreas Möller erwähnt wurde, das lesen wir im dritten Teil:

Teil 3 – Etablierung in der Belle Etage

Seit dem Weltmeisterschaftstriumph 1954 im Allgemeinen und seit dem nationalen Titelgewinn 1959 der Sportgemeinde Eintracht Frankfurt im Besonderen beginnt also für uns die Zeitrechnung des Fußballs, wie wir ihn alle lieben.

Stets begleiteten uns von Jahr zu Jahr Spieler, die wir aufgrund ihres außergewöhnlichen Könnens schätzen oder Spieler, die aufgrund ihrer ehrlichen grundsoliden Spielweise als Teil des Ganzen zum Kollektiv der Adlerträger gehörten. Natürlich gab es in all den Jahren Höhen und Tiefen, aber für uns ist das recht einfach zu erklären:

Es ist schlicht wie eine Ehe.

Wir stehen zum Verein in guten wie in schlechten Tagen. Das sich natürlich die guten und schlechten Tage in den letzten Jahren so rasant abwechselten, ja das scheint seltsamerweise typisch für uns und Eintracht Frankfurt geworden sein. Aber selbst das nehmen wir Hessen mit Humor, und sind wir einmal ehrlich, wenn es anders wäre, wäre es ja irgendwie langweilig - oder einfacher gesagt: es wäre wie bei den Bayern.

Dass es eben nicht wie bei den Bayern ist, zeigt uns ein Blick in die jüngere Vergangenheit: In der Saison 2001/2002 dümpelte man nach dem 2. Abstieg in der Bedeutungslosigkeit, sprich im Mittelfeld der zweiten Bundesliga herum. Zu dieser Zeit setzte sich ein junger Bursche aus Frankfurt-Bonames in der Profimannschaft der Eintracht durch und avancierte zum Stammspieler.

Sportlich gibt es über diese Saison nichts Nennenswertes zu berichten, hinter den Kulissen allerdings brodelte es, was im drohenden Lizenzentzug zu gipfeln drohte. Dem für die Spielzeit 2002/2003 neu verpflichteten Übungsleiter Willi Reimann waren bezüglich Neuverpflichtungen die Hände gebunden, da nicht klar war, wohin der Weg des Traditionsvereins hingehen würde. Die Lizenz wurde zwar durch eine Bürgschaft in letzter Minute gesichert, doch die bunt zusammengewürfelte Truppe, die in die neue Saison gehen sollte, glich eher einem Überraschungsei und große Erwartungen in einen positiven Saisonverlauf bestanden nicht. Aber eigentlich war es wie immer mit unserem Verein. Wann läuft es mal so, wie man es erwartet hat?

Am 25. Mai 2003 wurde wieder einmal Eintrachtgeschichte geschrieben: In einem denkwürdigen Spiel, in dem uns Jermaine Jones nach einem Eckball in Führung geschossen hatte, bezwang man in letzter Sekunde den SSV Reutlingen mit 6:3 und stieg aufgrund der um ein Tor besseren Tordifferenz gegenüber dem FSV Mainz 05 endlich wieder in die Bundesliga auf. das goldene Tor hatte ausgerechnet der Frankfurter Bub Alexander Schur erzielt

Der Jubel war frenetisch und anlässlich der Aufstiegsfeierlichkeiten versprach der Schütze zum 1:0 auf dem Balkon des Römers alles zu tun, um die Eintracht in den Europapokal zu schießen. Nun ja, er machte 2003/2004 noch 5 Spiele für die Eintracht in der Bundesliga und verabschiedete sich nach Leverkusen. Gut, der Frankfurter, der so gerne im UEFA-Cup spielen wollte, sah seine Zukunft eben dort, einig mit Leverkusen wäre er ja zur darauf folgenden Spielzeit ohnehin gewesen... Hoppla, da war ja was, von wegen langfristig mit anderen Vereinen bereits einig zu sein, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Zur Saison 2003/2004 der Eintracht und zu Jermaine Jones' Engagement in Leverkusen gibt es wenig zu sagen. Debakel würde es wohl am ehesten beschreiben. Die Eintracht fand sich auf einem Abstiegsplatz in der Bundesliga und Jermaine Jones auf einem Tribünenplatz in Leverkusen wieder.

Aufreger der Saison gab es dennoch: Mit dem begnadeten Rhetoriker Andy Möller kam kurzzeitig ein Frankfurter zurück. Für die, die ihn nur vom Hörensagen kennen - was sicher auch besser ist: Das ist die Person, die der Eintracht Treue geschworen hatte, um dann mit dem Spruch "Ob Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien" nach Turin zu verschwinden. Zum Glück sollte es so etwas nicht wieder geben. Oder täusche mich ich da?

Zur Saison 2004/2005 wurde mit Fridolin Funkel ein Übungsleiter für den Wiederaufstieg geholt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger für diese Mission bestand glücklicherweise mehr Planungssicherheit. Als es in der Winterpause anstand, die Mannschaft nochmals zu verstärken, holte man den verlorenen Sohn von der Leverkusener Tribüne zurück in den Profikader der Lizenzspielerabteilung von Eintracht Frankfurt. Derjenige, der auszog der Bundesliga das Fürchten zu lehren, war also wieder zu Hause. Quasi als gescheiterter Bundesligaprofi. Gut, in der Rückrunde stand er wieder als Stammspieler auf dem Platz und aufgrund guter Leistungen wurde ihm die Eskapade verziehen und man stieg gemeinsam recht unspektakulär wieder in die Bundesliga auf – wobei hier ein Durchmarsch von Platz 8 auf 3 zu erwähnen wäre.

2005/2006 sollte das Jahr der Eintracht werden: Der Klassenerhalt war das Ziel, welches nach zähem Ringen auch erreicht wurde. Als Überflieger präsentierte sich das Team jedoch im DFB-Pokal. Viel zu sagen gibt es an dieser Stelle nicht. Es weiß hier jeder und es wird auch keiner so schnell vergessen, so das denn überhaupt möglich ist.

Jermaine Jones hatte es übrigens auch geschafft. Im defensiven Mittelfeld setzte er sich mit dem Vertrauen der Kapitänsbinde ausgestattet im Rahmen seiner Möglichkeiten - sprich auf dem Niveau einer abstiegsbedrohten Mannschaft - endlich durch. Doch sein robustes Spiel forderte seinen Tribut. Er kam zwar auf 22 Ligaeinsätze, aber seine Krankenakte wurde ebenso dicker und dicker. Das Pokalfinale und den Zufallssieg der Bayern jedenfalls verpasste krankheitsbedingt.

Es bleibt festzuhalten, dass er eine solide Saison spielte, aber bis zur Pforte des Fußballolymps war noch ein weiter Weg zurückzulegen. Dort reihen sich unter anderen die in Teil 2 genannten Eintrachtspieler ein.

Im vierten Teil erwartet uns nun ein Einblick in den Genesungsprozess eines Langzeitverletzten:

Teil 4 - Jermaine entdeckt das Internet – 1. Kapitel

Jetzt wird’s schmutzig. So heißt ein absolut scharfer Porno mit Gina Wil…..
Scheiße, Mist, Tor für Celta Vigo. (Auch das aus der UEFA-Cup-Saison).
Welch Fauxpas. Da habe ich wohl etwas verwechselt, also noch einmal:
Nichts als die Wahrheit. (NadW)

So heißt die Dieter Bohlen-Biographie, aber auch der jüngste Thread des Jermaine Jones. Mit diesem Thread schoss dieser Spieler das zweite Eigentor in dieser Saison, aber nähern wir uns dieser Geschichte einmal aus einer anderen Richtung und bedienen uns der Vergangenheit und hier könnte das „Jetzt wird’s schmutzig“ durchaus passen:

Der Einzug in das Pokalfinale überschattete vieles. Novum in der Saison 2006/2007 war, dass das Finale wegen der anstehenden Fußballweltmeisterschaft noch während der laufenden Saison ausgetragen wurde. Die Eintracht fuhr zwar nach Berlin, die Fans träumten von alten, glorreichen Zeiten, doch im laufenden Spielbetrieb steckte man bis zum Halse im Abstiegskampf. Dennoch kannte die Euphorie keine Grenzen und das Olympiastadion wurde förmlich zu einem Schmelztiegel der Emotionen. Was war man ausgedurstet. Die lange Leidenszeit in der Tristesse war endlich vorbei oder zumindest durch dieses Ereignis verdrängt worden.

Vielleicht hätte man zu dieser Zeit hellhöriger oder scharfsinniger sein sollen. Der in dieser Saison gut aufspielende Jermaine Jones stand nicht im Finalkader. Sicherlich wird ihm keiner etwas Schlechtes unterstellen wollen, aber Fakt wäre auch gewesen, dass er uns bei einem Abstieg nicht mit in Liga 2 gefolgt wäre. Kritische Pressestimmen schlussfolgerten zumindest, dass aufgrund einer besseren Verhandlungsposition gegenüber möglichen neuen Arbeitgebern die notwendigen chirurgischen Eingriffe zu Lasten des Pokalfinales vorgezogen wurden.

Höchst brisant und eine hammerharte Unterstellung. Ich behaupte einmal, dass wir, die ja doch zu weit davon entfernt sind, dieses besser unkommentiert lassen sollten, aber im Hinterkopf kann man es angesichts der weiteren Geschichte ja einmal behalten.

Der weitere Saisonverlauf ist bekannt. Nach einer Ecke stützte sich Pizzaro bei Ochs auf, eine Notbremse gegen Köhler wurde nicht geahndet und kurz vor Abpfiff zeigte Oliver Kahn in einem lichten Moment noch einmal, warum er einmal Deutschlands Nummer 1 gewesen war… In der Liga wurde der Klassenerhalt perfekt gemacht und man konnte getrost auf die WM und die neue Saison 2006/2007 zugehen.

Jermaine Jones stand nach wie vor im Kader. Die Nummer 13 von Uwe Bindewald sollte es sein, doch - wie schon geschrieben - wann läuft es einmal bei der Eintracht so, wie man es sich denkt. Der Heilungsprozess des Jermaine Jones wurde durch Komplikationen und neuerliche Operationen stets unterbrochen. Nichts lag zu Saisonbeginn ferner als die Rückkehr des etatmäßigen Spielers auf der 6er Position.

Nichtsdestotrotz wurden international große Schlachten geschlagen. Eine glanzvolle Rückkehr mit einem 4:0 gegen Brøndby IF auf der internationalen Bühne und aus Fansicht auch das wohl stimmungstechnisch gigantische Spiel, das grandiose 2:2 im Rückspiel, in dem wir das Stadion dort wortwörtlich zum Beben brachten.

In der Liga hingegen lief es so lala. Zwar war der erneute Klassenerhalt das Ziel und man war auf Kurs, doch machte man sich auch im Winter Gedanken um mögliche Verstärkungen. Diese wurden jedoch abgelehnt, weil man auf die Rückkehrer der Langzeitverletzten Chris, Preuß und eben Jones setzte.

Ja, eben Jones und da beginnt das Dilemma. Sein Vertrag läuft zum Ende der Spielzeit aus. Während seiner anhaltenden Verletzungsphase bekommt er jedoch ein neues Vertragsangebot von Seiten der Frankfurter Eintracht. Das Ergebnis ist bekannt. Es wird zunächst nicht angenommen und als Begründung der Reha-Prozess vorgeschoben. Es geht sogar soweit, dass sich Jermaine Jones zur Rechtfertigung dieser Entscheidung im Internetforum seines Arbeitgebers gegenüber den Fans dazu äußert und um Verständnis bittet.

JermaineJuniorJones, so sein Forumsname. Aber das ist eine ganz eigene Geschichte… Freuen wir uns also auf Kapitel 2 des 4. Aktes:

Teil 4 - Jermaine entdeckt das Internet – 2. Kapitel

Als JermaineJuniorJones war er also unerwartet im Netz erschienen. Er stellte sich den kritischen Massen und konnte aufgrund seiner authentischen Äußerungen Pluspunkte für sich verbuchen. Die ersten Kritiken waren verstummt, zumal er schrieb, dass er sich nicht gegen Eintracht Frankfurt entscheiden werde. Aber jede Münze hat bekanntermaßen zweierlei Seiten. (Wie wir aus Offenbach wissen, haben die sogar einmal versucht, eigene Münzen zu prägen und das war eine Totgeburt.)

An dieser Stelle sei ein Einwurf angebracht, der die Charaktereigenschaften des typischen Eintrachtfans beschreibt: Der Eintrachtfan an sich ist ehrlich, leidenschaftlich, begeisterungsfähig, ja sogar emotional und vor allem leidensfähig. Vor allem ist der Otto-Normal-Eintrachtfan kritisch. Allerdings liegt letzteres in der Natur des Hessen, dessen größtes Lob ja bekanntermaßen ein „Net schlecht“ ist. Eins aber ist dem Eintrachtfan zuwider und da kocht ihm die Galle hoch: Er lässt sich höchst ungern verarschen.

Leidenschaftlich und emotional wurde die Rückkehr des lange vermissten Sohnes beim Pokalspiel gegen Köln gefeiert. Jubelstürme brachen im Waldstadion aus. Bei der Einwechslung floss so die eine oder andere Träne auch dem härtesten Kerl in der Kurve die Wange herunter. Ähnliches war zu erleben, als Alexander Schur zum Ende seiner Vertragslaufzeit nochmals im Kader auf der Ersatzbank stand und die Kurve die Mannschaftsaufstellung zelebrierte... Ja, wir Eintrachtfans lieben unsere Helden und Identifikationsfiguren. Peinlich ist uns das nicht, nein, wir sind sogar stolz darauf.

Aber zurück zum Thema. Die Ungereimtheiten um die mögliche Vertragsverlängerung fangen an, sich zu häufen. Die Bravo-Sport, wirklich nicht als Fachblatt bekannt, benennt zum ersten mal eine schon lange bestehende Einigung mit Schalke 04. (Bitter könnte hier aufstoßen, was im Zusammenhang mit der OP und dem Pokalfinale schon an anderer Stelle spekuliert wurde.) Feststehende Termine zwecks Vertragsgesprächen werden zunächst verschoben, dann abgesagt.

Es sickert durch, dass, ob „UEFA-CUP oder weg„ hin oder her, zufälligerweise Schalke ein möglicher neuer Partner wäre. Nebenbei werden auch andere Vereine ins Spiel gebracht, um die Vertragspokerrunde auszuweiten. Schalke dementierte nicht. Von anderen Topadressen hingegen war sonderbarerweise rein gar nichts zu lesen.

Es kommt zum offenen Bruch mit Bruchhagen, es wird sich herausgeredet und die Schuld bei anderen gesucht. Die Schlinge zieht sich weiter zu und dann, ja dann werden wieder die Fans bemüht. Aus Jones´ „Nichts als die Wahrheit“ entwickelt sich aber dummerweise ein Thread nach dem Motto „Jetzt wird’s schmutzig“.

Warum? Ganz einfach. Wir sind treu, wir tragen den Adler im Herzen, wir sind leidensfähig, wir haben Geduld und Verständnis, aber – wie gesagt - verarschen lassen wir uns nicht.

Im 5. und letzten Teil wird der weite Bogen zum Kreis geschlossen und auch wir hier sollten uns hinterfragen:

Teil 5 – Der schmale Grat

Wie anfangs erwähnt, Hand aufs Herz, wen interessiert es nicht?

Nun, mich schon, wir machen uns zur Zeit recht viele Gedanken um diese Personalie namens Jermaine Jones. Wir machen uns Gedanken über die Zukunft unserer Frankfurter Eintracht. Es ist ja auch völlig legitim und auch erstrebenswert. Er war und ist ein Teil unserer Eintrachthistorie, die auch wir Fans mitgestaltet haben. Und eben diese Eintrachthistorie ist so facettenreich, dass selbst Hunderte Erzählungen unterschiedlichster Menschen nicht ausreichen würden, um auch nur ein Buchkapitel eines Saisonjahres füllen zu können.

„Nichts als die Wahrheit“ ist der Thread schlechthin im Abstiegskampf, nur geht es sonderbarerweise lediglich um eine Person. Ehrliche Frage: Hätten wir nichts wichtigeres zu tun?

Herrje, was hatte ich weit ausgeholt und sogar Trautmann hervorgekramt.

Kommen wir zum Thema: Der schmale Grat;

Ich versprach, der Kreis würde sich ob meines weiten Bogens schließen.

Wir lernten viele Namen kennen oder kannten sie bereits.

Das Problem, welches wir nun haben, ist, dass wir aufgrund unserer jüngeren Geschichte (Teil 3) nach einer Identifikationsfigur hungern, die eigentlich immer da war (einem Jermaine Jones trauten wir diese Rolle zu), doch – um es einfach zu sagen - er hat es geschafft 8-eckig aus unseren Herzen herausgeschmissen zu werden. Und warum? Weil er dumm und beeinflussbar war.

Die Tür ist zu.

Aber wie schmal ist der angesprochene Grat?

Aus der 54er-Elf bleiben uns viele als Helden unvergessen.

Hätten sie seinerzeit gegen Ungarn verloren, würden wir heute darüber reden können? Ich glaube, nein.

Der schmale Grat.

Bernd Trautmann

Ein Mann, der im Schatten stand, weil er ja ein Söldner war und seine Lage akzeptieren musste. Ein Mann, der sich nie über Vereinsinteressen stellte und der durch sportliche Leistungen alle Herzen eroberte.

Er stellte sich in den Dienst der Mannschaft und war stets ehrlich. Wie hätte es zu dieser Zeit als Kriegsgefangener alternativ laufen können?

Der schmale Grat.

Die von mir aufgezählten Eintrachthelden, bei denen viele unerwähnt blieben:
Würden wir über sie noch immer reden, hätte es die Erfolge oder diese Vereinstreue nicht gegeben?

Der schmale Grat.

Die Eintrachtstory als Fahrstuhlmannschaft. Hier ist der Aufstieg des Jermaine Jones exklusiv erwähnt.

Was wäre gewesen, hätte sich die SGE nicht so entwickelt?

Der schmale Grat.

Mir kam unlängst der Wahlspruch unseres UEFA-Cup-Gegners der ersten Runde aus Dänemark in den Sinn.

Supra Societatem Nemo (deutsch: Niemand steht über der Gemeinschaft).

Also, beschränken wir es nicht auf eine Person, die ohnehin entbehrlich ist, sondern konzentrieren uns auf das hier und jetzt.

Nach wie vor gilt es sich in der Liga zu etablieren.

An dieser Stelle liegt es wieder an uns, denn wir sind Eintracht Frankfurt.

The End oder mal auf hessisch: Ferddisch!

Karsten

 

 

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