06.06.2006

Mein persönliches Rostock-Trauma

Am 16. 5. 1992 war ich mit meiner Frau am Nachmittag mit dem Auto in Köln unterwegs. Obwohl damals kein großer Fußballfan, freute ich mich tierisch auf die für mich unumstößlich feststehende Meisterschaft der SGE. Das Spiel beim praktisch feststehenden Absteiger Rostock schien wegen des glänzenden Torverhältnisses der Eintracht nur noch reine Formsache zu sein.

Wir waren, glaube ich, auf dem Weg nach Frankfurt. Wir pendelten damals aus privaten Gründen häufig zwischen Köln und Frankfurt. Meine Frau hatte damals (wie heute) kaum einen Bezug zum Fußball – ihr reichte es, wenn der Verein ihres geliebten Köln, der FC, möglichst häufig gewann. Nebenbei hatten wir das Autoradio laufen. Mit halbem Ohr hörte ich der Bundesliga-Konferenz zu. Zur Halbzeit steht es 0:0 in Rostock – irgendwie bekommt man mit, dass die "Fussball 2000"-Kicker von der Eintracht sämtlich nur ein Schatten ihrer selbst sind und offensichtlich mit angezogener Handbremse spielen. Yeboah, Bein – die gesamte Kreativabteilung offenbar nur ein Schatten ihrer selbst. In Duisburg steht es derweil 1:0 für den BVB und in Leverkusen 1:1 zwischen Leverkusen und Stuttgart. Was ist nur wieder los mit der Eintracht? Machtse wieder die Diva, die sich den Avancen der Meisterschale im entscheidenden Augenblick hochmütig versagt, oder was ist los? Oder hat sich wieder irgendeine Mafia verschworen? Inzwischen tickt die Zeit unnachgiebig weiter.

Als das 1:0 für Rostock fällt, kann ich nicht mehr. Kurz vor der Auffahrt auf die Autobahn Richtung Frankfurt – Köln-Klettenberg liegt schon hinter uns – halte ich es nicht mehr aus und fahre an den Straßenrand und halte an einer Art Waldwiese an. Inzwischen ist meine Frau auch ein wenig von meinen fiebrig erregten Stammeleien erfasst, wenigstens sieht sie ein, dass ich in diesem Zustand keinen Meter weiterfahren kann. "Mensch Yeboah, haste Blei in de Füß…der Bein scheint rumzustehn wie’n Schluck Wasser" etc.

Der schnelle Ausgleich durch Kruse lässt wieder Hoffnung schöpfen – noch 23 Minuten. Dann die 76. Minute: Weber wird im Strafraum umgenietet. Doch was ist das – kein Elfmeter "Diese gekaufte xxxxxx!!!!", schrei' ich erregt. So Sätze wie der von meiner Frau "Nun beruhige dich doch, es ist doch nur ein Spiel" kommen dann bei solcher Gelegenheit äußerst passend…

Noch eine knappe viertel Stunde…wie steht's bei den anderen – in Lev weiter 1:1 und in Duisburg nach wie vor 0:1 zugunsten BVB, die Hoffnung ist noch nicht ganz weg! Wenn wir schon nicht Meister werden, dann aber auf keinen Fall die Emporkömmlinge aus Stuttgart, die konnte ich damals am wenigsten leiden… diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, auf der Suche nach Wegen, die offenbar bevorstehende Wahnsinns-Enttäuschung erträglicher zu gestalten.

Dann auch das noch: 86. Minute in Lev: Sch…. 2:1 für den VfB durch Buchwald…. Und schließlich noch die endgültige Demütigung in der 89. in Rostock. Ich kam mir vor, als sei ich ein schwer angeschlagener Boxer, der zusätzlich noch öffentlich verhöhnt wird….dann war alles aus, und ein beschissener Abend begann. Meine Frau hat uns dann nach Frankfurt gefahren, während ich tief versunken über die Schlechtigkeit der Welt im Allgemeinen und der Schiedsrichtergilde im Besonderen nachhing…

Da wir inzwischen in Bonn leben und oft in Köln sind, kommen wir auch gelegentlich an der Stelle vorbei, an der ich damals das Drama miterlebte. Es ist uns dann beiden jeweils wieder so gegenwärtig als wäre es gestern gewesen.

carolus aus Bonn


 

© text, artwork & code by fg