06.11.2006
Ich bin Dir nah auch in der Ferne Unterwegs von Holland zum Palermospiel wollte ich SGE_77 auslegen, wie ich als Holländer zur Eintracht gekommen bin. Ich musste weit ausholen und irgendwann sagte er: „Schreib` das mal alles auf, das gehört doch auch zur Fangeschichte.“ Eine meiner ersten Erinnerungen stammt aus dem Jahr 1960. Unsere Familie war im März 1959 von Berlin nach Frankfurt gezogen. Oft hörte ich Leute auf der Strasse rufen: “Frankfurt Helau, Offenbach Pfui”. Dass das etwas mit Fußball zu tun haben könnte, keine Ahnung. Eines Abends hörte ich Lärm aus der Wohnung unter uns. Das Radio unseres Nachbarn stand auf voller Lautstärke. Europapokalendspiel. Die Eintracht führte mit 1:0. Es wurde geprostet. Am nächsten Morgen las ich in der Zeitung, dass sie verloren hatten. Richtig ging es erst los, als mich mein Vater mit ins Stadion nahm. Da wir in Bornheim wohnten, liefen wir zum Riederwald, den Bornheimer Hang runter, am Stadion der “Anderen” vorbei. Welche Spiele ich dort genau gesehen habe, ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich noch gut an Richard Kress erinnern, seine Dribblings auf der rechten Seite und an Erwin Stein. Als die Eintracht Anfang der 60er Jahre im Frühling um die Meisterschaft spielte, stand ich morgens ganz früh auf. Ich wollte als Erster die Ergebnisse in der Zeitung lesen. Wir hatten kein Radio, geschweige denn einen Fernsehapparat. Und dann kam die Bundesliga. Am ersten Spieltag waren wir im Waldstadion dabei. Wir standen in der Westkurve hinter dem Tor. Der Gegner war Kaiserslautern. Das Spiel ging 1:1 aus. Jede der Mannschaften verwandelte einen Elfmeter. In den nächsten Jahren ging es öfter ins Waldstadion, anfangs gemeinsam mit meinem Vater und irgendwann alleine. Ich schwang mich am Samstag aufs Fahrrad oder nahm die „15“ zum Waldstadion. Jahre später dichtete ich hierzu:
Welche Spiele ich genau gesehen habe? Meine Erinnerung ist zu schwach. Beim 0:7 gegen den KSC (1964/1965) war ich zum Glück nicht im Stadion, sonst gab es aber auch schöne Siege zu feiern, z.B. zweimal ein 5:2 gegen München 1860. Das erste Pokalendspiel gegen die Löwen aus München am 13. Juni 1964 habe ich im Günthersburgpark an einem Transistorradio verfolgt. Leider verloren wir mit 2:0. Weiter gab es noch ein Intertotospiel gegen Feyenoord Rotterdam, diesmal wieder am Riederwald. Das muss am 2. Juli 1966 gewesen sein. Wir gingen hin, mein Vater war Rotterdamer. Das Einzige, an was ich mich von diesem Spiel noch erinnern kann, war, dass kurz nach Beginn eine der Mannschaften das Trikot gewechselt hat. Sie sahen einander zu ähnlich. Und den jungen Grabowski habe ich spielen gesehen, ein viel versprechendes Talent. In der Saison 1966/67 ging es um die Meisterschaft. Die Eintracht war nahe an der anderen Eintracht aus Braunschweig dran. Bis auf den letzten Tag hielt sie sich lange auf Platz 2 der Tabelle. In einem der letzten Spiele der Saison ging es nach der Partie hoch her. Einige Fans wollten dem Schiedsrichter ans Leder. 1970 hatte ich meine Schulausbildung abgeschlossen und verließ Frankfurt Richtung Holland.
Das waren noch Zeiten ohne Internet, in denen man sich nicht überall auf der Welt an Diskussionen in irgendwelchen Foren beteiligen konnte und ohne zig Fernsehkanäle. Damals war ich froh, wenn an Montagen die Ergebnisse der Bundesliga in niederländischen Zeitungen standen. Als ich dann in den 80ern in Berlin wohnte, war es einfacher über deutsche Medien (Sportschau, Zeitungen) an Informationen heranzukommen. Die Hertha saß in diesen Jahren in einem Tief, d.h. sie spielte jahrelang Zweite Bundesliga, also gab es auch keine Möglichkeit, die Eintracht im Olympiastadion zu begrüßen. Den 5:0 Sieg im Relegationsspiel gegen Duisburg (1984) habe ich in der
Zusammenfassung im Fernsehen gesehen. Es war eine große Erleichterung,
dass die Eintracht erstklassig blieb. Höhepunkt meiner Berliner Jahre war das Pokalendspiel 1988. Das letzte Mal, das ich mit meinem Vater gemeinsam im Stadion war. Wir standen in einem neutralen Block in der Kurve, wo 18 Jahre später wieder die Eintrachtfans stehen sollten. Hoch flog der Freistoss von Detari an der anderen Seite des Feldes in den Kasten. Ich habe es zwei Umständen zu verdanken, dass ich meinen Weg wieder zurück in Stadien, in denen die Eintracht spielt, gefunden habe. Zum einen meinem Umzug in die Niederlande Mitte der Neunziger Jahre, wodurch westdeutsche Stadien innerhalb von 2 Autostunden erreichbar wurden, zum anderen der Tatsache, dass ich meinen ältesten Sohn mit dem Eintracht-Bazillus infiziert hatte. Wir spielten im langen Flur unserer Berliner Wohnung mit einem Tennisball Fußball und wir gingen gemeinsam auf den Bolzplatz. Meine Aufregung, wenn ich Samstag der Schlusskonferenz im Radio zuhörte und litt oder jubelte, muss sich irgendwie auf ihn übertragen haben. Wir fingen an, Spiele der Eintracht zu besuchen. Ich muss Euch ehrlich bekennen: Es war ein Leidensweg. Es dauerte bis zum 8. Spiel ehe wir erlebten, dass die Eintracht einen Sieg einfuhr. Sonst nur Unentschieden, aber vor allem Niederlagen. Eines unserer ersten Erlebnisse war die 6:1 Pokalschlappe gegen Meppen am 31. August 1995. Wir kamen auf dem letzten Drücker an und standen mitten in einem Meppenblock. Pausenlos hagelte es “Autoschieber, Autoschieber” Rufe gegen Gaudino. Bei jedem Tor von Meppen wurde von den oberen Reihen Bier über uns ausgegossen. Auch die 4:0 Niederlage im alten Parkstadion gegen Schalke am 14. Oktober 2000 tat weh. Verzweifelt rief mein Sohn öfter in diesen Jahren aus: “Warum hast Du mich ausgerechnet zum Fan von diesem Verein gemacht?” Er hat die Treue aber bis heute gehalten und hat es nicht bereut. Und endlich kam der Tag des ersten Auswärtssieges. Das war am 18.
Mai 2003 gegen Rot-Weiß Oberhausen. Ergebnis: 0:2. Wie im Rausch
fuhren wir heim. Dies war ein uns unbekanntes Gefühl. Hiervon wollten
wir mehr haben. Eine Woche später war das Herzschlagfinale gegen
Reutlingen. In der Saison 2005/2006 ging es dann erst richtig los. Bis auf Leverkusen und Bielefeld waren wir bei jedem Auswärtsspiel in NRW dabei. Diesmal war es weniger schön im neuen Stadion in Mönchengladbach, dafür aber umso schöner in Dortmund, wo der Abstieg endgültig verhindert wurde. Weil wir alle noch lange nach dem Spiel auf den Rängen standen und jubelten, konnten wir direkt vom Parkplatz vor dem Stadion heimwärts fahren. Die Strasse war frei. Beim Pokalendspiel in Berlin mussten wir auch dabei sein: Wir saßen neben der Pressetribüne und konnten die wunderbare Choreo bestens sehen und genießen. Da wir immer mit meinem Wagen mit niederländischen Kennzeichen unterwegs sind, erleben wir manchmal lustige Situationen. Vor der WM 2002 wurde mein Wagen von Eintracht Fans beim Auswärtsspiel in Bochum umringt. Sie sangen laut: „Ohne Holland fahren wir zur WM“. Zuerst denken Eintrachtfans immer, wir seien Schalke- oder Bochumfans, weil bei diesen Vereinen heute oder in der Vergangenheit Niederländer spielen oder spielten. Sie stutzen, wenn wir unseren Eintrachtschal aus dem Fenster raushängen. Während unserer Jahre mit Arie gab es natürlich weniger Erklärungsbedarf. Als wir letztes Mal nach Schalke wollten, fuhr ein Bus mit belgischen Schalkefans neben uns. Trotzig öffneten wir das Fenster und drehten unsere Eintracht-CD auf volle Lautstärke. Ich glaube, die kapierten nichts. Also, meinen höchsten Respekt vor Leuten, die Eintrachtfan sind und mit einem O(hne)F(ührerschein)-Kennzeichen herumfahren müssen! Und jetzt? Auswärts dabei reicht nicht mehr: Gegen Brøndby waren wir im Waldstadion und gegen Palermo auch. Die Karten für Newcastle liegen daheim auf dem Schreibtisch schon bereit. Wir hoffen natürlich auf mehr. Wenn nicht dieses Jahr, vielleicht in einem der nächsten Jahre. Es war, es ist, es bleibt:
Autor Attila_NL alias Johan Meijer wohnt in Amersfoort/Niederlande
und ist Eintrachtfan seit 1961. |
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