Eintracht Frankfurt - FC Bayern München

Bundesliga 2019/2020 - 10. Spieltag

5:1 (2:1)

Termin: 02.11.2019, 15:30 Uhr
Zuschauer: 51.500
Schiedsrichter: Markus Schmidt (Stuttgart)
Tore: 1:0 Kostic (25.), 2:0 Sow (33.), 2:1 Lewandowski (37.), 3:1 Abraham (49.), 4:1 Hinteregger (61.), 5:1 Paciencia (85.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt
FC Bayern München

  • Rönnow
  • Abraham
  • Hinteregger
  • Ndicka
  • Fernandes
  • da Costa
  • Kostic
  • Sow
  • Rode
  • Paciencia
  • Dost

 


  • Neuer
  • Pavard
  • J. Boateng (9.)
  • Alaba
  • Davies
  • Kimmich
  • Thiago
  • T. Müller
  • Coutinho
  • Gnabry
  • Lewandowski

 

Wechsel
  • Kamada für Dost (64.)
  • Gacinovic für Rode (71.)
  • Silva für Fernandes (80.)
Wechsel
  • Coman für Coutinho (57.)
  • Javi Martinez für Müller (64.)
  • Goretzka für Gnabry (69.)
Trainer Trainer

Bayern-Torwart Ulreich erhält auf der Ersatzbank (51.)

 

Fußballfest im Stadtwald

Die Eintracht gewinnt gegen die Bayern in beeindruckender Manier mit 5:1 (2:1) und beendet damit eine Durststrecke von fast zehn Jahren ohne Heimsieg gegen den Meister.

Der FC Bayern München hatte zuletzt nicht den dominanten Fußball bester Zeiten gespielt, aber die Partien gewonnen – zumindest die letzten drei in allen Wettbewerben (Piräus 3:2, Union 2:1, Bochum 2:1). Die Eintracht setzte sich am Mittwoch im DFB-Pokal mit 2:1 auf St. Pauli durch, am vergangenen Bundesliga-Spieltag hatte es ein 2:4 in Mönchengladbach gesetzt.

Personal: Dost und Paciencia beginnen

Makoto Hasebe wurde von Adi Hütter geschont und saß 90 Minuten auf der Bank. Die Dreierreihe bildeten somit Martin Hinteregger, David Abraham und Evan Ndicka. Auf dem Flügel war Filip Kostic rechtzeitig wieder fit geworden und ebenso dabei wie sein Gegenüber Danny da Costa. Im Sturm sollten wie auswärts bei St. Pauli Goncalo Paciencia und Bas Dost für Tore sorgen. Im Mittelfeld kehrte der unter der Woche geschonte Djibril Sow zurück, ihm zur Seite standen Sebastian Rode und Gelson Fernandes. André Silva kehrte in den Kader zurück und kam zu einem Kurzeinsatz - und ließ in einer Szene sogleich seine ganze Klasse aufblitzen.

Frühe Rote Karte gegen Boateng

Die Partie begann vor 51.500 Zuschauern mit viel Tempo auf beiden Seiten. Während die Bayern schon mal gefährlich im Strafraum auftauchten, entstand die erste entscheidende Szene durch einen Konter für die mit viel Leidenschaft auftretenden Frankfurter. Paciencia war auf die Reise geschickt worden, spielte dann Boateng aus und wurde aber von Selbigen gelegt (9.). Schiedsrichter Schmidt zeigte zunächst auf den Punkt und gab Gelb, schaute sich dann aber das Video an und entschied folgerichtig auf Freistoß und Rot gegen Boateng. Es war der zweitschnellste Platzverweis in der Bundesliga-Geschichte der Bayern. Paciencias Freistoß aus 17 Metern im Anschluss blieb in der Mauer hängen (11.). Kovac stellte um und zog Kimmich wieder aus dem Mittelfeld auf die Rechtsverteidigerposition. Die Eintracht blieb aggressiv, versuchte, früh zu stören und Ballgewinne zu erzwingen. Das gelang immer wieder, und wurde in der 25. Minute belohnt. Dost legte hinaus auf da Costa, der Sow in der Mitte fand. Der Schweizer zog ab, von Davies‘ Rücken prallte der Ball vor die Füße von Kostic, der das Leder über den Innenpfosten im Kasten versenkte – 1:0 und das erste Tor des Serben gegen die Bayern. Die Eintracht blieb am Drücker, die Bayern konnten sich kaum durchs Mittelfeld kombinieren. Dagegen auf der anderen Seite: Paciencia legte raus auf Kostic, dessen Hereingabe von Kimmich abgefälscht und von Sow direkt genommen wurde (33.). Das 2:0 war zu diesem Zeitpunkt hochverdient. In der Folge gab die Eintracht den Bayern etwas mehr Raum im Mittelfeld. Kimmich traf noch aus dem Abseits (36.), nur eine Minute später behauptete sich Lewandowski nach Davies‘ Anspiel willensstark gegen drei Mann und vollendete cool aus sechs Metern (37.). Bis zur Pause hielten die Bayern ihr optisches Übergewicht.

Abraham rettet und trifft

Die Pause kam für die Eintracht zum richtigen Zeitpunkt, denn nach nur wenigen Minuten stand es 3:1. Abraham eroberte gegen Gnabry das Leder – und stand wenige Sekunden später am langen Pfosten nach einer da Costa-Hereingabe von der anderen Seite goldrichtig! Der Argentinier drückte das Leder aus kurzer Distanz über die Linie (49.). Im Gegenzug hatte sich Lewandowski schon die Ecke ausgeguckt, doch sein Schuss wurde abgeblockt (51.). Die Partie nahm nun wieder richtig Fahrt auf. Alaba rettete gegen Paciencia (57.), Abraham war in letzter Sekunde vor Lewandowski am Ball (59.), Neuer parierte Dosts Direktabnahme (60.). Die nachfolgende Kostic-Ecke köpfte Hinteregger ins lange Eck – 4:1, die Arena bebte. Kostic hätte fast nachgelegt, Davies klärte kurz vor der Linie (64.) und Neuer hielt erneut gegen den Serben (67.). Drei Minuten später traf Davies den Pfosten (70.). Die Partie plätscherte nun vor sich hin - bis der eingewechselte Silva Alaba aussteigen ließ und von der Grundlinie auf Paciencia legte, der nur noch ins leere Tor einschieben brauchte (85.).

Fazit: Ein magischer Nachmittag

Leidenschaft, Wille, Aggressivität, Cleverness, Kampfeskraft - die Einstellung stimmte bei allen Adlerträgern von der ersten Minute an und war Grundstein für ein Fußballfest im Stadtwald. Ein weiterer Punkt war freilich die frühe Rote Karte gegen Boateng, die die Bayern nur in den letzten zehn Minuten vor der Pause kompensieren konnten. Die Halbzeit kam für die Eintracht im richtigen Moment, in den 20 Minuten danach sicherte die Eintracht durch die Treffer von Hinteregger und Abraham den ersten Heimerfolg gegen die Bayern seit März 2010. Paciencia legte dann sogar noch nach. Tsoumou und Fenin hatten vor fast zehn Jahren für die Eintracht getroffen, es war der bis dato letzte Sieg in der Bundesliga gegen die Münchner. Spielerisch war es die vielleicht beste Saisonleistung, außerdem baute die Eintracht die Führung in der Heimtabelle aus und bleibt im Stadtwald ungeschlagen. Interessant ist noch ein Blick auf die Statistik: die Eintracht hatte nur 42 Prozent der Ballaktionen und gewann auch weniger Zweikämpfe, schoss aber mehr als doppelt so oft aufs Tor (17:7). Für die Bayern war es die erste Auswärtsniederlage in dieser Saison.


Stimmen zum Spiel

Fredi Bobic: Vieles hat uns heute in die Karten gespielt. Wir haben es aber gut gemacht und verdient gewonnen. Wir genießen das und wissen, was das für alle bedeutet. Aber wir sind jetzt nicht weg vom Teppich. Es sind drei Punkte, die sind wichtig. Die Jungs haben es clever und sauber gespielt. So wie man eine Überzahl ausspielen muss. Das ist gar nicht so einfach. Die Fans können einen draufmachen. Sie sollen es genießen und von mir aus können sie drei Tage Party machen. Wir haben die nächste Aufgabe am Donnerstag in Lüttich. Und das wird ein sehr schwieriges und wichtiges Spiel.

Adi Hütter: Ich bin stolz auf das Ergebnis und die Leistung. Man hat auch nach dem 2:0 noch die enorme Qualität der Bayern gesehen. Nach den Toren im zweiten Durchgang haben wir mehr Selbstvertrauen bekommen, dann lief auch der Ball sicherer. Es bringt uns aber nichts, dass wir nur zu Hause die stärkste Mannschaft der Liga sind. Auch auswärts müssen wir Punkte holen, wenn wir oben dabei bleiben wollen. Ich weiß auch, wie ich den Sieg einzuschätzen habe, denn wir haben die Bayern erwischt, wie es selten möglich ist. Viele Verletzte, dazu die frühe Rote Karte. In den ersten drei Duellen unter meiner Leitung gab es 1:13 Tore gegen Bayern. Ich weiß also wie sich so etwas anfühlt. Natürlich war das heute dennoch ein besonderer Tag und ein besonderer Sieg. Nichtsdestotrotz müssen wir die Kirche im Dorf lassen, denn die Saison ist noch lang und es kann noch viel passieren.

Niko Kovac (Trainer FC Bayern München): Das Spiel lief heute genau so, wie es nicht sein sollte. Nach der frühen Roten Karte war es schwer. Trotz Unterzahl darf man aber nicht 1:5 verlieren, auch wenn es hier immer schwer ist. Nach dem 0:2 haben wir eine gute Reaktion gezeigt, das dritte Tor der Eintracht war der Knackpunkt. Der Eintracht kann man heute nur gratulieren, sie hat ein tolles Spiel gemacht und letztlich verdient gewonnen. Dennoch dürfen wir hier so nicht verlieren. Diese Niederlage müssen wir jetzt abschütteln und versuchen, das Spiel schnell zu vergessen. Dieses Spiel muss raus aus den Köpfen. Aktuell machen wir zu viele Fehler, obwohl wir im Training intensiv arbeiten. Heute sind wir erst mal enttäuscht. Ich gebe nie auf und wir hatten auch in der Vorsaison eine schwierige Phase.

Frederik Rönnow: Der Sieg gibt uns Rückenwind, denn wir haben in Mönchengladbach verloren und hatten gehen St. Pauli auch nicht das beste Spiel. Diese Leistung gibt uns natürlich Selbstvertrauen. Ich genieße natürlich jede Partie, die ich absolvieren darf. Aber heute war schon etwas besonderes. Auch wegen der unglaublichen Stimmung im Stadion. Wir mussten gegen die Bayern früh pressen, denn wir wissen um ihre unglaubliche Stärke. Wenn man sie machen lässt, kriegt man sie kaum mehr zu fassen. Die Leistung war heute unglaublich, so ein Spiel erlebt man vielleicht nur ein Mal im Leben. Jetzt spielen wir gegen Lüttich, das Spiel nehmen wir jetzt sicher nicht auf die leichte Schulter. Auch da müssen wir wieder hellwach sein.

Sebastian Rode: Bayern war auch in Unterzahl sehr gefährlich. Nach dem 3:1 und dem 4:1 bekamen wir natürlich noch mal richtig Selbstvertrauen. Trotzdem muss man weiter Respekt vor ihnen haben, denn ihre Qualität ist extrem hoch und sie können immer noch eine Schippe zulegen. Wir sind enorm heimstark, mit diesen Fans ist alles möglich. Dennoch muss man immer 100 Prozent geben, egal wer der Gegner ist. Der Sieg gibt Selbstvertrauen. Wir fahren mit breiter Brust nach Lüttich.

Filip Kostic: Wir haben heute fast jede Chance genutzt, was gegen Bayern besonders ist. Wenn wir so wie heute auftreten, müssen wir uns hier zuhause gegen niemanden verstecken. Man sieht, dass die Sicherheit der Mannschaft immer mehr steigt, selbst wenn wir am Anfang der Saison noch unsere Probleme hatten. Gefühlt ist das Team diese Saison noch spielstärker als im vergangenes Jahr. Der Trainerstab macht einen wirklich guten Job, ihnen haben wir diesen Sieg zu verdanken. Und natürlich den Fans, die heute wieder unglaublich waren. In der Europa League stehen die Chancen auf das Weiterkommen gut. Wir wollen da möglichst früh versuchen, den Sack zu zu machen.

An Tagen wie diesen

Es war der erste Sieg gegen die Bayern abseits des DFB-Pokals seit fast zehn Jahren, und auch die Höhe ist historisch. Doch die Blicke gehen schnell nach vorne.

Eine Szene mit Symbolcharakter für die Partie zwischen der Eintracht und den Bayern spielte sich bereits nach fünf Minuten ab. Gelson Fernandes, bekannt für seine Lauffreude und Zweikampfführung am Limit, luchste Philippe Coutinho das Leder im Mittelfeld geschickt ab. Es war so etwas wie das Startsignal für einen historischen Nachmittag im Stadtwald, denn bis dato hatten die Gäste die Anfangsphase bestimmt und hätten mit etwas mehr Präzision schon früh in Führung gehen können. Coutinho verlor an diesem Nachmittag gleich zehn Bälle – ein Grund, warum die Eintracht immer wieder durch Ballgewinne schnell umschalten und daraus gefährliche Angriffe produzieren konnte.

Dass der frühe Platzverweis gegen Jerome Boateng Auswirkungen auf den Spielverlauf hatte, steht außer Frage. Bayern-Trainer Niko Kovac und Kapitän Manuel Neuer waren sich jedoch einig, dass man dennoch nicht mit 1:5 in Frankfurt verlieren dürfe. Kovacs Matchplan war früh dahin, er zog Kimmich umgehend wieder aus dem Mittelfeld in die Viererkette. Später beorderte er durch die Einwechslung von Martinez den deutschen Nationalspieler wieder zurück an seine alte Wirkungsstätte, da hatte aber die Eintracht schon die Weichen auf Sieg gestellt.

Kostic erstmals an drei Toren beteiligt

Maßgeblichen Anteil daran hatte unter anderem Filip Kostic. Der Serbe traf erstmals in seiner Karriere gegen die Bayern und war ebenso erstmals in einem Bundesliga-Spiel an drei Toren beteiligt. Denn er netzte nicht nur nach 25 Minuten selbst zur Führung ein, sondern legte auch die Treffer von Sow etwas glücklich (weil abgefälscht) und Hinteregger gekonnt (Ecke auf den kurzen Pfosten) auf.

Premieren und bemerkenswerte Fakten gab es an einem magischen Nachmittag wie diesem freilich reichlich. Bayern verlor erstmals in dieser Saison auswärts, nach 16 Bundesliga-Partien ohne Erfolg gegen die Münchner klappte es für die Eintracht erstmals wieder nach dem 20. März 2010, höher gewannen die Adlerträger in 56 Jahren Bundesliga-Geschichte nur im November 1975 beim 6:0, und David Abraham hatte zuletzt vor über drei Jahren in der Liga eingenetzt. Warum der Innenverteidiger überhaupt bei einem „normalen“ Angriff plötzlich im Fünfmeterraum auftauchte? Der Argentinier hatte sich das Leder gegen Gnabry erkämpft und war dann durchgelaufen.

Selbstvertrauen für Partie in Lüttich

Beachtlich war auch die Entstehung des fünften Tores. André Silva hatte vier Wochen wegen Achillessehnenproblemen gefehlt, bekam nun nach 80 Minuten wieder Spielpraxis – und legte sogleich für seinen Landsmann Goncalo Paciencia mustergültig auf, nachdem er Alaba hatte aussteigen lassen. Paciencia wiederum baute seine Serie an Toren mit dem Fuß aus, es war sein sechstes in Folge. Auffällig, weil er seine ersten sechs Pflichtspieltreffer für die Eintracht allesamt mit dem Kopf erzielt hatte.

Adi Hütter, nach drei Pleiten mit 1:13 Toren gegen die Bayern erstmals als Trainer siegreich, blieb auch nach dieser beeindruckenden Leistung bescheiden, ging auf der Pressekonferenz auch cool mit der indirekten Frage nach Meisterschaftsambitionen um und bemerkte, dass „es auch für diesen Sieg nur drei Punkte gibt“. Im Hinterkopf hatte der Österreicher freilich, dass schon am Donnerstag das nächste schwere und wichtige Spiel bei Royal Standard de Liège in Lüttich ansteht. Selbstvertrauen hat die Eintracht zweifelsohne für diese Partie getankt, in der der Einzig in die K.o.-Runde der Europa League unter Dach und Fach gebracht werden kann. Mittelfeld-Staubsauger Gelson Fernandes hat sicherlich nichts dagegen, wieder das Startsignal zu geben.

 

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Bericht und Fotos von www.eintracht.de








 

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