Eintracht Frankfurt - Racing Club Strasbourg

EuropaLeague 2019/2020 - Play-Offs, Rückspiel

3:0 (1:0)

Termin: 29.08.2019, 20:30 Uhr
Zuschauer: 47.000
Schiedsrichter: Orel Grinfeld (Israel)
Tore: 1:0 Mitrovic (26., Eigentor), 2:0 Kostic (60.), 3:0 da Costa (66.)

 

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Eintracht Frankfurt
Racing Club Strasbourg

  • Trapp
  • Toure
  • Hasebe
  • Hinteregger
  • da Costa
  • Kohr
  • Rode
  • Kostic
  • Kamada
  • Paciencia
  • Rebic (44.)

 


  • Sels
  • L. Koné
  • S. Mitrovic
  • Djiku
  • Martin
  • Lienard (55.)
  • Lala
  • Carole
  • Thomasson
  • Zohi
  • Ajorque

 

Wechsel
  • Fernandes für Kohr (75.)
  • Gacinovic für Paciencia (84.)
  • Joveljic für Rode (90.)
Wechsel
  • N. da Costa für Koné (69.)
  • Bellegarde für Thomasson (88.)
  • Mothiba für Ajorque (88.)
Trainer Trainer
  • Thierry Laurey

 

 

Gruppenphase kann kommen!

In einer rassigen Auseinandersetzung bekämpft die Eintracht alle Widerstände, spielt sich teilweise in einen Rausch und zwingt Strasbourg mit 3:0 in die Knie.

Schwarz-Weiß-Rot gibt wie die Zuschauer auf den Rängen von der ersten bis zur letzten Minute Vollgas und geht Mitte der ersten Halbzeit durch ein von Rebic erzwungenes Eigentor durch Mitrovic verdient in Führung (26.). Alles läuft nach Plan, ehe der Kroate eine fragwürdige Rote Karte erhält (44.). Die Gäste, in der ersten Halbzeit ohne Torchance, dezimieren sich nach dem Seitenwechsel ebenfalls selbst (55.) und können der Dynamik im Stadtwald nichts mehr entgegensetzen. Kostic (60.) und da Costa (66.) stellen die Weichen auf Gruppenphase.

Ausgangssituation: Zwei Niederlagen, aber Rückenwind

Während die Bundesligasaison noch in ihren Kinderschuhen steckt, stand die Eintracht im bereits neunten Pflicht- vor ihrem gefühlt ersten Endspiel. Mit der Ausnahme, dass es nicht bei Null losging. Angesichts des 0:1 im Hinspiel stand gegen Strasbourg der Balanceakt zwischen Trefferzwang und Torverhinderung bevor. Während die Hausherren nach dem trotz des 1:2 in Leipzig ansprechenden Auftritts laut Cheftrainer Adi Hütter „Rückenwind bekommen“ haben, trat Racing national nach dem 0:2 zuhause gegen Stade Rennes mit zwei Zählern auf der Stelle.

Personal: Beabsichtigte und ungewollte Wechsel

Während Kapitän David Abraham mit Oberschenkelproblemen ausfiel, war Ante Rebic rechtzeitig wiederhergestellt. Dafür wich Dejan Joveljic aus dem Doppelsturm, Almamy Toure spielte als rechter Innenverteidiger. Zudem ersetzten die in Leipzig geschonten Martin Hinteregger und Danny da Costa Evan Ndicka und Erik Durm. Taktisch blieb es beim 3-4-1-2.

Wucht mit Wirkung

Dank einer in vielen Phasen nahtlosen Abfolge von vertikalen Vorstößen, Gegenpressingmomenten und Ballgewinnen fand die Eintracht bald die berühmte goldene Mitte. Mit enormer Körperlichkeit kauften die Adler den für ihre Robustheit berüchtigten Elsässern den Schneid ab. Die Gäste stellten sich zwar nicht partout hinten rein, der Weg zum Tor war in der Regel aber doch zu lang. Anders bei den Hessen.

Erst legte Goncalo Paciencia eine Flanke von Almamy Toure auf Diachi Kamada ab, dessen Schuss aufs kurze Eck aber Matz Sels parieren konnte (8.). Dann eroberte Hinteregger das Leder hinter der Mittellinie, trieb das Spielgerät unaufhaltsam durch die gegnerische Hälfte und verzog aus 20 Metern nur knapp (17.). Keine zehn Minuten später der verdiente Lohn: Rebic zog von der linken Außenbahn unwiderstehlich nach innen, feuerte aus eigentlich ungünstigem Winkel auf dem Kasten und Stefan Mitrovic verlängerte ohne zu wissen wie ihm geschah unabsichtlich über die Torlinie (26.). 1:0 und Ausgleich in der Gesamtabrechnung. Außerdem scheiterte Paciencia mit einem Kopfballaufsetzer an Sels (39.). Die schnelllebige, hochemotionale und hitzige Auseinandersetzung fand ihren unglücklichen Schlusspunkt vor der Halbzeit, als der auf Sels zusprintende Rebic beim Kampf um den Ball zu spät kam, was Schiedsrichter Orel Grinfeld zur Ungläubigkeit aller mit Rot ahndete (44.).

Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf

Es dauerte nicht lange, ehe auch die personellen Kräfteverhältnisse wieder ausgeglichen waren, als Dmitri Liénhard Dominik Kohr nach einem Zweikampf einen Wischer verpasste und ebenfalls vorzeitig duschen durfte (55.). Bereits in Unterzahl hatte der Gastgeber das Heft des Handelns in der Hand behalten und durch Kamada einen knapp rechts daneben gezielten Versuch von der Strafraumkante abgelassen (47.). Auf der anderen Seite verbuchte Lamine Koné durch einen haarscharf verfehlten Kopfball die bis dato größte Chance für die Franzosen (52.). Der Kessel namens Commerzbank-Arena drohte endgültig überzubrodeln, als Kostic nach einem an Kamada verursachten Freistoß über die Unterkante der Latte zum 2:0 schlenzte (60.). Die logische Folge der jüngsten Geschehnisse: Mehr Räume, mehr Risiko! Schon war Stefan Zohi über die linke Seite entwischt, doch der geistesgegenwärtig herausgeeilte bis dahin fast beschäftigungslose Kevin Trapp kam vor dem Torschützen des Hinspiels an den Ball (63.). In diesem Rhythmus ging es weiter.

Die Adler blieben in der gegnerischen Deckung hängen, ließen Racing aber nicht über die Mittellinie gewähren und stellten mit dem darauffolgenden Gegenstoß auf 3:0, indem Kamada im Strafraum die Strasbourger Hintermannschaft narrte und auf den einrückenden, einschiebenden da Costa querlegte (66.). Über jene Seite ging es munter weiter, Lattenkracher Kostic aus spitzem Winkel, fast das Vierte durch den Topscorer der Eintracht (70.), der wenig später außerdem in Sels seinen Meister fand (76.). Auf der anderen Seite gaben sich „Les Bleus“ längst nicht geschlagen und prüften Trapp in Person von Adrien Thomasson aus 15 Metern (73.).

Fazit: Mit Herz und Verstand

Den theoretischen Ansatz setzen die Adler von der ersten Sekunde in die Tat um und belohnen sich bald auch ergebnistechnisch. Selbst als mit dem Platzverweis Außerplanmäßiges geschieht, halten die Hausherren an ihrem forschen Spiel fest, erzielen die entscheidenden Treffer in den richtigen Augenblicken und kündigen sich spektakulär für die Gruppenphase der UEFA Europa League an.

Stimmen zum Spiel

Cheftrainer Adi Hütter: Wir haben in der Pause gesagt, dass wir die Emotionen umwandeln und aggressiv bleiben müssen. Das haben wir gemacht. Es ist wichtig, dass Eintracht Frankfurt morgen bei der Auslosung dabei ist. Ich bin froh, dass wir das aus eigener Kraft geschafft haben. Es ist nicht selbstverständlich, jedes Jahr international zu spielen. Die Entwicklung des Vereins in den vergangenen drei Jahren ist unglaublich. Riesen Kompliment an alle Verantwortlichen. Ich habe mich noch nicht mit der Auslosung oder den Gegnern beschäftigt und habe kein Wunschlos. Die Einheit zwischen den Fans, dem Trainerteam und den Spielern hat uns das Weiterkommen beschert. Filip hat eine top Leistung abgeliefert und gezeigt, wie wertvoll er ist. Auch Ante hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Daichi gilt es ebenso hervorzuheben.

Vorstandsmitglied Axel Hellmann: Wir haben heute Spektakel und Drama gesehen. Für Rebic hätte ich nicht Rot gegeben, bei Strasbourg dann aber auch nicht. Das Spiel war extrem aufgeheizt, die Pause kam zur rechten Zeit. Die Qualifikation hat sportliche und ökonomisch Auswirkungen. Die Atmosphäre hier ist besonders, die Spieler bekommen bei solch einer Stimmung die zweite Luft. Das ist mit der Bundesliga nur schwer zu vergleichen. Für die Gruppenphase würde ich mir Manchester United wünschen, das wäre ein Traum wie in der vergangenen Saison Chelsea.

Sebastian Rode: Es war einer dieser Donnerstage, wie wir sie im vergangenen Jahr erlebt haben. Wir waren sofort super im Spiel. Auch nach dem Platzverweis und den dazugehörenden Emotionen hatten wir bald wieder alles im Griff. Rot war für mich überzogen. Wir wollten unbedingt in die Gruppenphase einziehen, das haben alle von der ersten Minute an gezeigt. Die Zuschauer haben uns gepusht, es war unglaublich laut. Es kam uns zugute, dass wir deswegen nicht überdreht haben. Wir haben heute ein großes Ziel erreicht und richtig Bock auf die Gruppenphase.

Dominik Kohr: Es war ein unbeschreiblicher Abend. Die Stimmung hat den Gegner eingeschüchtert. Wir haben unser Spiel durchgezogen und uns das Weiterkommen verdient. Auch zu zehnt haben wir es super gemacht. Die Stimmung war Wahnsinn, im positiven Sinne verrückt. Das hilft uns auf dem Feld ungemein. Morgen müssen wir regenerieren, dann konzentrieren wir uns auf Düsseldorf.

Almamy Toure: Wir sind sehr, sehr glücklich. Unsere Fans haben ihren Teil zum Weiterkommen beigetragen. Alle sind bereit für Europa. Die erste Halbzeit war hitzig, doch wir sind bis zum Ende konzentriert geblieben und haben die Null gehalten.

Filip Kostic: Wir haben es tatsächlich geschafft, auch wenn es sehr schwer wer. Den Freistoß habe ich schon zuvor ein paar Mal geübt. Ich wusste, wenn ich den Ball gut treffe, hat der Torwart keine Chance. Wir hätten es auch ohne den zweiten Platzverweis gepackt, da bin ich sicher. Ich ziehe immer viel Mut aus dem Training, dort tanke ich Selbstvertrauen. Ante hat alles gegeben, die Aktion war allenfalls gelbwürdig. Die Fans sind für uns immer eine sehr große Unterstützung, quasi wie ein zwölfter Mann!

Es kann beginnen

Der Anhang kam komplett in Schwarz gehüllt, doch von Endzeitstimmung war keine Spur. Frankfurt feiert sich nach Europa.

Seit Donnerstag ist der Eintracht der nächste Rekord schon sicher: Wenn die Eintracht am 12. Dezember ihr letztes Gruppenspiel in der UEFA Europa League bestreitet, werden die Hessen 2019 20 Europapokalspiele absolviert haben – Höchstwert aller deutschen Vereine aller Zeiten! Oder um mit den Worten vom heutigen Geburtstagskind Dragoslav Stepanovic – Alles Gude an dieser Stelle! – zu sprechen: Europa geht weiter!

Wofür es viele Gründe gibt, die Adi Hütter im Nachgang treffend zusammenfasste: „Die Einheit zwischen den Fans, dem Trainerteam und den Spielern hat uns das Weiterkommen beschert.“ Und auch der Umstand, dass die Hausherren mit dem kochenden Hexenkessel effektiver umzugehen wussten als die Elsässer. „Die Zuschauer haben uns gepusht, es war unglaublich laut. Es kam uns zugute, dass wir deswegen nicht überdreht haben“, bestätigte Sebastian Rode die Erfolgsformel à la „Mit heißen Herz und kühlem Kopf“. Der Mittelfeldmotor betätigte wie bereits in Leipzig an der Seite von Dominik Kohr den Maschinenraum in der Frankfurter Zentrale, die keine Pause kannte, den Rhythmus von der ersten Sekunde an hochhielt und gnadenlose Impulse in Richtung gegnerisches Gehäuse setzte. Dass am Ende die Flügelzange in Persona Filip Kostic und Danny da Costa gegen Strasbourg die Siegerstraße pflasterte, machte das Gesamtkunstwerk perfekt. „Den Freistoß habe ich schon zuvor ein paar Mal geübt“, verriet der Serbe hinterher, wie es zum ersten „sauberen“ Frankfurter Freistoßtreffer seit Bastian Oczipkas Führungstor im Mai 2015 gegen Hoffenheim kam. Der Serbe hat auch das 1:0 gegen Hoffenheim im März diesen Jahres zugesprochen bekommen, allerdings gab Rebics Kopf dem Ball eine entscheidende Richtungsänderung.

Diva in Black

Eingeleitet hatte die Europokalparty Mitte der ersten Halbzeit der wiedergenesene Ante Rebic, der mit seiner strammen Hereingabe Stefan Mitrovic gewissermaßen keine andere Wahl ließ, als das Leder in das eigene Gehäuse zu bugsieren. Mindestens genauso große Aufmerksamkeit erhielt kurz vor der Pause Rebics zweiter ungewollter Wirkungstreffer, als er beim Kampf um den Ball mit Matz Sels zusammenrasselte, die fragwürdigen Folgen sind bekannt. Dass dem Platzverweis gegen die Frankfurter Nummer Vier tags darauf die Präsentation des vierten Trikots, eigens für die UEFA Europa League entworfen, folgte, lag nicht zuletzt daran, dass sich der Gastgeber alles andere als unterzählig präsentierte, getreu der Devise: Dann jetzt anstatt zwölf gegen elf eben elf gegen elf…

Weil sich Kohr & Co. auch nach dem Seitenwechsel von der veränderten Situation unbeirrt ins Getümmel stürzten, war bald Strasbourg nach einem Affekt Dmitri Liénhards dezimiert. Auch wenn Kostic befand, „wir hätten es auch ohne den zweiten Platzverweis gepackt“, gereichte die rasche Gleichzahl sicher nicht zum Nachteil. Ebenso darf die gestrige „Diva in Black“ von sich behaupten, mit der zweiten Europapokalteilnahme in Folge, was letztmals 1995 gelang (damals allerdings mit dem Aus im UI-Cup-Achtelfinale), eine eindeutige Bereicherung für den Wettbewerb darzustellen. Dafür warb allein die einmal mehr beeindruckende Choreographie, die alles auf Schwarz setzte, aber mit Glücksspiel nichts zu tun hatte.

So hieß es denn nach über 90 schweißtreibenden Minuten anstatt „rien ne va plus“ (nichts geht mehr), „Adieu Strasbourg“ und „Gude Europa“. Sebastian Rode schwärmte: „Es war einer dieser Donnerstage, wie wir sie im vergangenen Jahr erlebt haben.“ Und vermutlich noch erleben werden. Es kann beginnen.

 

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Bericht und Fotos von www.eintracht.de








 

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