Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Bundesliga 2010/2011 - 33. Spieltag

0:2 (0:1)

Termin: 07.05.2011, 15:30 Uhr
Zuschauer: 51.500
Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
Tore: 0:1 Adil Chihi (24.), 0:2 Lukas Podolski (90., Foulelfmeter)

 

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Eintracht Frankfurt 1. FC Köln

 


  • Michael Rensing
  • Miso Brecko
  • Pedro Geromel
  • Youssef Mohamad
  • Christian Eichner
  • Kevin Pezzoni
  • Petit
  • Adil Chihi
  • Mato Jajalo
  • Lukas Podolski
  • Milivoje Novakovic

 

Wechsel
Wechsel
  • Andrezinho für Miso Brecko (71.)
  • Kevin McKenna für Petit (78.)
  • Wilfried Sanou für Milivoje Novakovic (86.)
Trainer Trainer
  • Volker Finke

 

Trauerspiel statt Abstiegskampf

“Man kann alles machen, man kann auch einen Kopfstand machen. Christoph Daum ist ein erfahrener Trainer, der weiß schon, was richtig ist“, meint Heribert Bruchhagen achselzuckend zu der Entscheidung, vor den beiden Abstiegsendspielen noch einmal ein Kurztrainingslager zu absolvieren. Eine Flucht sei dies nicht, denn entgegen der Darstellung in vielen Medien ist die Stimmung bei den Fans nach der angeblich geplanten Busblockade der Mainz-Heimkehrer und dem Schuss eines wohl überforderten Zivilbeamten nicht aufgeheizt, sondern gedrückt. Dennoch hält der Trainer den Aufenthalt in der Sportschule in Bitburg für geboten: “Dort können wir den Fokus alleine auf das Spiel lenken. Wir müssen all unsere Kräfte bündeln, das ist unsere letzte Chance."

Doch ausgerechnet in der Abgeschiedenheit von Bitburg, bei der es auch zu der bereits nach dem Mainz-Spiel versprochenen Aussprache mit einigen Fanclub-Vertretern kommt, platzt die nächste Bombe. "Patrick hat seinen Vertrag fristgemäß zum 30. April gekündigt. Er nutzte eine Klausel, die dies vorsah, wenn uns zuvor ein Angebot eines anderen Vereins über drei Millionen Euro vorliegt", bestätigt Heribert Bruchhagen, nachdem eine Wolfsburger Zeitung den Wechsel des Kapitäns zum VfL zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt veröffentlicht hatte. Ebenso wie der Vorstandsvorsitzende wiegelt auch Christoph Daum ab: "Patrick ist sich der schwierigen Situation bewusst, aber er wird alles für die Fans und den Verein geben."

Für das letzte entscheidende Heimspiel ist der Trainer ebenso zuversichtlich: “In Mainz hat sich die Mannschaft weit unter Wert verkauft. Ich habe aber Signale empfangen, dass wir die Herausforderung erfolgreich lösen werden.“ Und zwar mit gleich vier Änderungen gegenüber dem letzten Spiel, denn Clark ist nach seinem Muskelfaserriss noch nicht fit und Rode für das heutige Spiel gesperrt. So feiert der 18-Jährige Julian Dudda sein Debüt in der Innenverteidigung neben Jung, Russ und Köhler. Das Mittelfeld bilden Heller auf der rechten und Ochs auf der linken Außenbahn sowie Schwegler und Caio, so dass für Altintop und Meier nur die Ersatzbank bleibt. Im Sturm sollen Gekas und Fenin für die dringend benötigten Tore sorgen.

“Wir müssen jetzt auswärts mal wieder punkten. Dann könnten wir gut gelaunt nach Hause fahren“, meint unterdessen Kölns Sportdirektor Volker Finke, der sich nach dem dubiosen Rücktritt von Frank Schäfer kurzerhand selbst zum Interimstrainer ernannt hat, was die skandalgewöhnten Kölner Anhänger mit großem Unmut quittierten. Immerhin schaffte der Interimstrainer nach drei Niederlagen in Folge mit einem 2:0-Sieg gegen Leverkusen die Wende, die nun in Frankfurt fortgesetzt werden soll, auch wenn der FC in dieser Saison auswärts erst einen Sieg und drei Unentschieden einfahren konnte. Für dieses Ziel vertraut Volker Finke auf die gleiche Elf wie in der Vorwoche, so dass Novakovic und Podolski den Sturm vor den beiden Außen Jajalo und Chihi sowie Pezzoni und Petit vor der Abwehr bilden.

“Der Funke Hoffnung.“ Mit diesem Transparent und einigen bengalischen Feuern wird die Mannschaft von der Nordwestkurve begrüßt und gleichzeitig gezeigt, was viele Fans, die sich bereits am Morgen auf dem Römerberg getroffen hatten, von der Pressemitteilung der AG nach dem Mainz-Spiel und den verschärften Sicherheitskonzept der Polizei halten. Ob die Aufkündigung der Absprache, im eigenen Stadion keine Pryro zu zünden, Konsequenzen haben wird, wird sich noch zeigen. Immerhin scheint die Spieler diese Anfeuerung zu inspirieren, denn vom Anpfiff weg drängen sie die Kölner in die eigene Hälfte. Doch das Selbstbewusstsein der Vorrunde ist lange weg, vieles bleibt Stückwerk. Unbeholfene Einzelaktionen und ungenaue Abspiele prägen die Drangphase der Eintracht.

Viel Einsatz, aber keine Torchance. Köln registriert die schreiende Harmlosigkeit der Frankfurter und spielt nun selbst nach vorne. Es läuft die 16. Spielminute, Jajalo hat viel Platz im Halbfeld, sprintet ein paar Meter und passt flach zu Chihi auf halbrechts, der einfach zwischen Köhler und Dudda nach vorne sprintet, aber mit seinem Schuss von der Strafraumgrenze am rechten Knie von Torhüter Fährmann scheitert. Nach wie vor hat die Eintracht mehr Ballbesitz, ohne daraus jedoch irgendetwas Konstruktives zu machen, während Wolfsburg mit 1:0 gegen Kaiserslautern in Führung geht.

So fasst sich wenigstens Caio nach Zuspiel von Fenin ein Herz und zieht aus rund 30 Metern ab, was jedoch nur für ein Raunen, nicht aber für Gefahr sorgt (23.). Beim folgenden Abstoß schlägt Torhüter Rensing das Leder weit nach vorne. Jung will klären, tritt jedoch über den Ball, so dass Novakovic freie Bahn hat. Er sprintet zum linken Strafraumeck, um unter den staunenden Blicken von Jung einen Doppelpass mit Podolski zu spielen und das Leder in die Mitte zu flanken. Dort steht Köhler gegen Petit und Chihi allein auf weiter Flur, so dass Chihi Maß nehmen und die Kugel gegen Fährmanns Laufrichtung zum 1:0 für Köln ins linke Toreck köpfen kann (24.).

Was jetzt folgt, ist die konsequente Fortführung der Leistung gegen Mainz. Mutlos, kopflos und ohne Herz fügen sich die Spieler scheinbar in ihr Schicksal, während der FC die Räume einfach eng macht. Dann vielleicht mit einem Freistoß, den es nach einem Foul von Mohammad an Gekas gibt. Caio schnappt sich das Leder, haut es aber aus knapp 30 Metern weit über die Latte (36.). Zwei Minuten später marschiert der schwache Ochs endlich einmal beherzt in Richtung Strafraum, wird jedoch von Chihi von den Beinen geholt. Den fälligen Freistoß köpft Russ gut zwei Meter neben den rechten Pfosten.

Weiter geht das Elend. Nachdem Eichner einfach den Ball nach vorne schlägt, werden sich Russ und Fährmann nicht einig, so dass Novakovic der lachende Dritte ist, sich aber zum Glück das Leder so weit vorlegt, dass dieses ins Toraus trudelt (42.). Dann die 45. Minute, nach einem Freistoß von Köhler von der rechten Außenbahn haut Novakovic im eigenen Strafraum einen tollen Querschläger, der von Heller zu Gekas prallt. Gekas zieht aus spitzem Winkel ab und trifft Geromel, von dem der Ball gegen Rensing und von diesem hinter die Linie springt. Tor! Doch Schiedsrichter Dr. Brych will bei dem Abpraller keine neue Spielsituation gesehen haben und entscheidet auf Abseits. Dann ist Halbzeit und es besteht trotz allem noch Hoffnung. Denn Kaiserslautern führt inzwischen in Wolfsburg mit 2:1 und in Mönchengladbach steht es noch 0:0. Doch dafür müssen die Frankfurter endlich etwas leisten.

Ohne Wechsel geht es in die zweite Halbzeit, in der die Eintracht “sich bemüht zeigt“, jedoch weiterhin nicht für Gefahr vor dem Tor von Rensing sorgen kann, während die Kölner nur noch auf Konter lauern. So wie in der 52. Spielminute, als Novakovic nach einem langen Ball in den Strafraum Dudda mit einer schnellen Drehung düpiert, aber an Fährmann scheitert. Das Leder springt jedoch nach vorne und wieder kann Dudda nicht klären, so dass Novakovic aus halblinker Position noch einmal abzieht, die Kugel aber über den Kasten drischt. Nur eine Minute später wird erneut ein Frankfurter Angriffsversuch locker abgefangen, Podolski ist zwar schneller als Dudda, doch sein kläglicher Lupfer landet in den Armen von Torhüter Fährmann (53.).

Quälend langsam verrinnen die Minuten, während die Eintracht weiterhin erfolglos probiert, Fußball zu spielen und sich eine Chance zu erarbeiten. Auf den Rängen wird es unruhig, Amanatidis wird gefordert und der regungslos sitzende Trainer reagiert endlich. Doch statt ihn als dritten Stürmer zu bringen, wechselt er Fenin aus, was zu einem weiteren Pfeifkonzert der maßlos enttäuschten Zuschauer führt (75.). Auch die Hoffnung Amanatidis verpufft jedoch schnell, nichts erinnert mehr an seinen unbändigen Willen, seinen Einsatz und seine Schnelligkeit. Er ist ein Schatten seiner selbst, fügt sich damit aber harmonisch in das Gesamtbild “Eintracht 2011“ ein. So macht sich nach 80 Spielminuten eisiges Schweigen im Waldstadion breit. Fassungslosigkeit über das auf dem Rasen gebotene, während die Kölner es tölpelhaft versäumen, aus ihren Kontern durch Chihi (87.), den eingewechselten Sanou (89.) und Podolski (90.) weiteres Kapital zu schlagen.

Auch die angekündigte Nachspielzeit wird genauso mit Schweigen quittiert wie die nächste Konterchance, die Sanou verdaddelt, als er völlig freistehend seinen Pass auf Podolski verzieht. Doch der setzt nach, passt zurück auf Chihi, der ihm den Ball wieder zurück spielt, während die Frankfurter Abwehr noch immer völlig vogelwild durch die Gegend trabt. So muss Fährmann eingreifen und holt Podolski von den Beinen – Elfmeter. Podolski schnappt sich den Ball und haut ihn flach ins rechte Toreck zum 2:0 für Köln in der 93. Spielminute, während auf den Rängen die Stimmung urplötzlich kippt.

Böller werden gezündet und ein Fluchttor in der Nordwestkurve aufgedrückt, nachdem das Spiel beendet ist. Rund 150 Fans rennen auf den Rasen und die Spieler flüchten in die Kabinen. Chaos macht sich breit, Fans sinken fassungslos zu Boden, Werbebanden und eine Spezialkamera gehen zu Bruch, während die Polizei die Fans mit einer Hundertschaft zurück drängt. Präsident Fischer geht vor den Block der wütend Enttäuschten und redet auf sie ein: “Lasst uns gemeinsam: Wir sind alles Frankfurter Jungs singen“ und schreit ihnen entgegen: "Dann schlagen wir eben den Scheiß-BvB."

Tatsächlich schafft er es, die Fans dazu zu bewegen, Ruhe zu bewahren. Auch die Polizei zieht sich jetzt zurück, so dass knapp eine dreiviertel Stunde später die Spieler wieder den Platz betreten und viele Fans auf den Rasen strömen dürfen, um je nach Stimmung die Spieler zu beschimpfen, mit ihnen zu reden oder sie zu trösten. Er wolle “nichts beschönigen“, sagt Heribert Bruchhagen am nächsten Tag, “aber es sah martialischer aus, als es war“, während der DFB Zeter und Mordio keift und nach härteren Strafen schreit. Ob die Eintracht eine Strafe erhält, wird vom DFB erst nach Ende der Saison entschieden werden. Dabei ist die Tabelle Strafe genug. Da Mönchengladbach mit 2:0 gegen Freiburg gewinnt, rutscht die Eintracht auf Rang 17 und muss nun in Dortmund gewinnen oder zumindest einen Punkt holen und gleichzeitig auf Patzer der Borussia oder Wolfsburg hoffen, um überhaupt noch eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. (tr)


Stimmen zum Spiel

Christoph Daum: “Ich will noch keine Glückwünsche schicken, aber guckt Euch die Aufgaben von Gladbach und Wolfsburg an. Ich glaube nicht, dass die sich das nehmen lassen. Es sieht so aus, dass wir abgestiegen sind. Bei mir stellt sich Realismus ein, ich will auch keine Durchhalteparolen mehr ausgeben. Man sollte sich jetzt auch nicht selbst etwas vormachen.“

Heribert Bruchhagen: "Das ist eine bittere Stunde für Eintracht Frankfurt, ein Abstieg wirft uns um Jahre zurück. Wir befinden uns jetzt natürlich in einer äußerst schwierigen Situation, aber bei einem Punkt Rückstand haben wir noch eine Resthoffnung, die sensationelle Wende zu schaffen."

Benjamin Köhler: “Vielen sind die Tränen gekommen, da sieht man, dass es uns nicht egal ist. Auch wenn es auf dem Feld vielleicht so aussah. Wir waren immer perfekt vorbereitet, aber wenn wir auf dem Platz waren, ging nix mehr.“

Pirmin Schwegler: “Ich mache mir selbst größte Vorwürfe. Wir haben es bis jetzt verbockt. Ich bin auch mitverantwortlich, und ich würde mich gerne stellen, um den Fehler wieder auszubügeln. Mein Vertrag gilt auch für die zweite Liga.“

Aufsichtsratschef Wilhelm Bender zur nahen Zukunft: “Wir haben im Aufsichtsrat die Debatten begonnen über die verschiedenen Alternativen, aber noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Das halte ich auch für richtig, solange noch eine kleine Chance besteht. Heribert Bruchhagen hat ja schon von sich aus angekündigt, dass er auch für die Zweite Liga zur Verfügung stünde. Jetzt muss man sehen, ob das auch eine mehrheitsfähige Meinung im Aufsichtsrat ist. Wir müssen das ausschließliche Ziel haben, dass wir sofort wieder aufsteigen. Das muss der Anspruch dieses Traditionsvereins sein. Dem hat sich alles unterzuordnen.“

Aufsichtsratsmitglied Axel Hellmann: “Ein Weiter so wie bisher wird es nicht geben. Die damalige Entscheidung, dass Heribert Bruchhagen auch den Sport-Direktor in Personalunion macht, ist sicherlich keine Entscheidung, die auf Dauer gelten muss.“

 

 

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