DSC Arminia Bielefeld - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 2006/07 - 29. Spieltag

2:4 (1:2)

Termin: Sa 14.04.2007, 15:30 Uhr
Zuschauer: 24.350
Schiedsrichter: Dr. Helmut Fleischer (Sigmertshausen)
Tore: 0:1 Ioannis Amanatidis (10.), 1:1 Artur Wichniarek (28.), 1:2 Aleksandar Vasoski (33.), 1:3 Ioannis Amanatidis (47., Foulelfmeter), 2:3 Christian Eigler (81.), 2:4 Marcel Heller (90.)

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DSC Arminia Bielefeld
Eintracht Frankfurt

  • Mathias Hain
  • Bernd Korzynietz
  • Heiko Westermann
  • Petr Gabriel
  • Markus Schuler
  • Rüdiger Kauf
  • Sibusiso Zuma
  • Radim Kucera
  • Jörg Böhme
  • David Kobylik
  • Artur Wichniarek

 


 

Wechsel
  • Jonas Kamper für Petr Gabriel (60.)
  • Ioannis Masmanidis für David Kobylik (69.)
  • Christian Eigler für Artur Wichniarek (71.)
Wechsel
Trainer
  • Ernst Middendorp
Trainer

Funkel pokert und seine Adler gewinnen

Nach der unglücklichen Heimniederlage gegen Cottbus wird Trainer Funkel teilweise von der Presse und den Fans nicht nur kritisiert sondern bereits wieder in Frage gestellt. Die Heftigkeit des Gegenwindes ist mit der unerwarteten Niederlage gegen die Lausitzer allein nicht zu erklären. Immerhin können Funkel und seine Mannen bis zur Heimniederlage auf eine Serie mit fünf ungeschlagenen Spielen sowie das Erreichen des DFB-Pokal-Halbfinales verweisen, doch selbst der Heimsieg gegen Bayern München wird von interessierter Seite nun als Zufallserfolg abgetan.

Neben der - laut Heribert Bruchhagen - „zum Teil nachvollziehbaren Kritik“ lanciert der Boulevard Spekulationen um eine bevorstehende Trennung von Trainer Friedhelm Funkel. Dass ist nun selbst dem ansonsten alles andere als redseligen Vorstandsvorsitzenden Bruchhagen („Ich bin doch nicht dazu da, um Fensterreden zu halten!“) zu viel. Vor dem Auswärtsspiel gegen Bielefeld nimmt er erstmals in dieser Saison an einer routinemäßigen Pressekonferenz teil.

Bruchhagen, der nach eigenem Bekunden seine Aufgabe nicht darin sieht, auf Medienberichte zu reagieren, ist über die Trennungsgerüchte verärgert: „Die konkreten Unterstellungen der vergangenen Tage haben mich überrascht und enttäuscht. So etwas können wir nicht gebrauchen. In den Vereinen, bei denen ich gearbeitet habe, herrschte stets Kontinuität. Das bleibt so.“ Dann wird Bruchhagen ungewohnt deutlich: Die auf dem Boulevard ausgebreitete Geschichte einer Ablösung Funkels bei einer Niederlag gegen Hannover durch Benno Möhlmann bzw. nach Saisonende durch von Heesen oder van Marwijk sei "schlichtweg nicht richtig" und „frei erfunden" und somit „Schwachsinn".

Beenden kann Bruchhagen die Diskussionen um den von ihm verpflichteten Trainer damit natürlich nicht. Funkel und er wissen: Vorübergehende Ruhe bringt nur ein Punktgewinn, besser noch ein Sieg in Bielefeld. Keine leichte Aufgabe: Bei zehn Auftritten der Adler auf der Alm, die sich mittlerweile „Schüco-Arena“ nennt, sprang ein einziger Sieg heraus - 4:3 am 23. Oktober 1971.

Zudem hat Bielefeld unter Ernst Middendorp, dem dritten Trainer der Arminia in dieser Saison, mit einem neuen Spielsystem (4-1-4-1) zu alter Heimstärke zurück gefunden. Die letzten beiden Heimspiele konnte Bielefeld für sich entscheiden. Nach dem Unentschieden bei der Hertha vertraut Middendorp derselben Startformation wie zuletzt, lediglich der wiedergenesene Gabriel kommt für Tesche ins Team.

Trainer Funkel, der weiterhin auf die Dauerverletzten Pröll und Jones verzichten muss, ist dagegen gezwungen, wieder einmal verletzungsbedingte Umstellungen vorzunehmen. Die verletzten Ochs und Preuß werden durch Rehmer und Huggel ersetzt. Den erkrankten Kyrgiakos soll Russ vertreten.

Doch Trainer Funkel geht noch weiter. Vor dem Spiel streicht er aus Leistungsgründen, wie er sagt, überraschend Thurk und Streit aus dem Kader. Für Streit, der am Donnerstag im Training wegen seiner eigensinnigen Spielweise mit Patrick Ochs aneinander geraten war, läuft Köhler auf. Amanatidis, dem Funkel unter der Woche gute Trainingsleistungen bescheinigt hat, ersetzt erwartungsgemäß den jungen Nachwuchsspieler Heller.

Besonders mit der Degradierung Streits, der - im Gegensatz zu Thurk - zwar nicht mit ausgeprägtem Einsatz, aber dafür mit Erfolgen in Form von Toren und besonders Vorlagen glänzen konnte, geht Funkel ein großes Risiko ein. 15 Tore hat die Eintracht in dieser Runde bisher nach Standards erzielt und der Herr des ruhenden Balles ist im Team zweifellos der eigensinnige Albert Streit. Bei einer Niederlage wird Funkel diese Maßnahme vorgeworfen werden, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Funkel spielt Poker – und er spielt mit hohem Einsatz.

Funkel hat seine Mannschaft vor dem Spiel an ihre Auswärtsstärke erinnert – nur vier von 20 Auswärtsspielen in dieser Saison gingen verloren. „Auswärts sind wir ganz schwer zu schlagen“, sagt Funkel kurz vor dem Anpfiff. Seine elf Adler beginnen das Spiel auch so, als ob sie sich ihrer Stärke und des hohen Einsatzes ihres Coachs bewusst sind. Mit Kampfkraft und Leidenschaft stellen sie von Beginn an klar, wer dieses Kellerduell (16. gegen 15.) gewinnen soll. Das erneute Abrutschen auf einen Abstiegsplatz will diese Mannschaft nicht zulassen.

Das Team vom Main bietet jedoch nicht nur Einsatz und Kampf, sie liegen in der Anfangsphase auch spielerisch eindeutig vorn. Köhler, der Streit-Vertreter, schlägt nach sechs Minuten von links einen Freistoß schön in den Bielefelder Strafraum, wo der Ball Marco Russ zentimetergenau findet. Der junge Mann setzt zu einem herrlichen Kopfstoß an, und die knapp 5.000 Eintrachtfans hinter dem Bielefelder Kasten haben den Torschrei bereits auf den Lippen – doch Hain kann das Geschoss in letzter Sekunde an die Latte lenken. Wie schade! Was hätte den Adlerträgern dieser Treffer nach den Querelen der letzten Tage gut getan.

Die Adlerträger lassen sich von dieser vergebenen Chance nicht entmutigen. Weiter stören sie früh und effektiv die Bielefelder Angriffsbemühungen, während man selbst schnelle und durchdachte Angriffe vorträgt. In der 10. Minute beweist dann Amanatidis wie wichtig er in bester Verfassung für seine Elf ist. Der oft hart kritisierte Huggel setzt sich beherzt im Zweikampf durch und spielt einen präzisen Pass auf Amanatidis, der sich im richtigen Moment gelöst hat. Der Grieche läuft in halbrechter Position auf Hain zu, wartet nervenstark bis sich ihm der Bielefelder Torwart entgegenwirft und hebt den Ball dann gefühlvoll über ihn hinweg – wie gemalt senkt sich der Ball links oben in die Maschen des gegnerischen Tores. 1:0 für die Eintracht!

Bielefeld reagiert geschockt und bringt offensiv so gut wie nichts zustande. Die einfallslosen hohen Flanken der Hausherren räumen Vasoski und Russ in der Innenverteidigung durch die Bank ab. Die Bielefelder Bemühungen durch Kucera per Kopfball und Kobylik mit einem Schuss von der Strafraumgrenze kann man eigentlich nicht als Chancen bezeichnen.

Der Ausgleich der Arminia fällt überraschend. In der 28. Minute schickt Wichniarek den Ex-Frankfurter Böhme steil auf den linken Flügel. Kein Eintrachtspieler ist nahe genug, um Böhme an seinem Flankenlauf zu hindern. Böhmes flache und präzise Hereingabe verwertet Kucera, der das Laufduell gegen Köhler gewinnt, gegen die Laufrichtung von Nikolov aus kurzer Distanz. Köhlers Rettungsversuch geht ins Leere. Der erste gelungene Bielefelder Angriff führt sofort zum ärgerlichen Ausgleich.

Das 1:1 setzt bei den Hausherren neue Kräfte frei. Ein Freistoß von Böhme, der als Vorlage gedacht ist, wird unfreiwillig zum Torschuss, richtet aber keinen Schaden an. Die Reaktion der Eintracht lässt nicht lange auf sich warten. Heute ist nicht der Tag, an dem sich diese Frankfurter Elf von einem Gegentreffer das Herz in die Hose jagen lässt.

Die Befürchtung, dass Albert Streits Ecken, Flanken und Freistösse fehlen könnten, erweist sich als unbegründet. In der 33. Minute tritt Köhler einen Freistoß nahe der Eckfahne von rechts scharf in den Bielefelder Strafraum. Dort hat sich in Mittelstürmerposition Vasoski frei gelaufen und köpft das Leder aus sechs Metern unhaltbar für Hain links unter die Latte ein. Vasoskis erstes Ligator in dieser Spielzeit. Dennoch hätten die Bielefelder, die ohnehin in dieser Spielzeit nach Standards Schwächen haben, nach dem Europapokal-Auftritt von Vasoski in Brøndby wissen können, dass nicht nur ein Kyrgiakos im gegnerischen Strafraum torgefährlich auftaucht. Es ist bereits der 16. Treffer nach einer Standardsituation für die Hessen. 2:1 – und bis zur Halbzeit lässt eine sicher stehende Eintracht keine Bielefelder Chance zu.

Nach Wiederanpfiff rechnet alles mit einer kompromisslos kämpfenden Arminia und stürmischen Angriffen der Ostwestfalen. Doch weit gefehlt. Die Eintracht steht sicher und greift ihrerseits an. Am rechten Flügel hat Meier den Ball, er passt nach innen, wo Takahara an der Strafraumgrenze steht. Takahara spielt die Kugel sofort weiter in den Lauf von Amanatidis, der wieder im richtigen Moment gestartet ist. Amanatidis läuft auf Hain zu, und Gabriel kann sich nur helfen, in dem er Amanatidis festhält und zu Fall bringt.

Klarer Fall: Elfmeter. Amanatidis, der bisher in der Bundesliga zwei Elfmeter geschossen und beide verwandelt hat, schert sich nicht um das ungeschriebene Gesetz, dass der gefoulte Spieler niemals selbst schießen soll und legt sich den Ball am Elfmeterpunkt zurecht. Er läuft an und stellt nervenstark unter Beweis, was man von solch ungeschriebenen Gesetzen, die statistisch ohnehin längst widerlegt sind, halten darf: 3:1 für die Eintracht in der 47. Minute.

Nur drei Minuten später bietet sich der Arminia die große Chance zum Anschlusstreffer. Wieder kann Böhme eine Flanke nahezu ungehindert nach innen geben. Zumas Schuss meistert Nikolov aus kurzer Distanz, doch der Ball bleibt zwischen Nikolov und Zuma liegen. Zuma bringt das Leder mit der Hacke nicht unter seine Kontrolle, aber Kucera kommt von hinten herangespurtet und will die Kugel im leeren Tor unterbringen. In letzter Sekunde springt Vasoski dazwischen und klärt zur Ecke.

Bielefeld drängt weiter, doch die Angriffsversuche sind einfallslos und leicht zu durchschauen. Die Frankfurter Defensive steht sicher, lediglich Rehmer hat auf seiner Seite Probleme. Verständlich – er kam in der Rückrunde bisher nur zu einem Kurzeinsatz, bei dem er in Gladbach in der 88. Minute eingewechselt wurde. Rehmer gibt sein Bestes, und Funkel hat sowieso kaum eine Alternative. Die Nummern eins und zwei für die Position des rechten Außenverteidigers - Ochs und Preuß - sind verletzt.

Die Frankfurter Konter sind selten, aber immer gefährlich. Auf der rechten Seite setzt dich der überragende Amanatidis durch, spielt zwischen zwei gedeckten Frankfurtern den Ball von der Torauslinie mustergültig in den Rückraum, wo Köhler lauert. Köhler ist ungedeckt, hat eigentlich Zeit für einen überlegten Abschluss, doch er vergibt überhastet. Der Ball geht weit über das Tor der Arminia.

Middendorp setzt im Laufe der zweiten Halbzeit drei frische Akteure ein, ohne etwas bewirken zu können. Funkel stärkt die Offensive und bringt nach knapp 70 Minuten den pfeilschnellen Marcel Heller, für den ausgepumpten Amanatidis. Die mitgereisten Eintrachtfans bedanken sich bei Amanatidis für seine großartige Partie mit tosendem Beifall.

Heller kann wie erhofft noch einige Male für Gefahr sorgen. Manchmal merkt man dem jungen Mann bei Kontern allerdings noch seine Unerfahrenheit und seine Unsicherheit an. Dennoch: Heller ist ohne Zweifel ein belebendes Element im Frankfurter Angriffsspiel.

Leider begehen die Frankfurter in der Schlussphase wieder einmal den Fehler, sich zu weit nach hinten drängen zu lassen. Böhme flankt von der linken Seite an den langen Pfosten, wo Zuma per Kopf auf Eigler zurücklegt. Dieser hat keine Mühe den Ball aus drei Metern ins Tor zu bugsieren. Nur noch 2:3 und – regulär – noch neun Minuten zu spielen.

Jetzt werden natürlich Erinnerungen an Wolfsburg, Leverkusen, Gladbach und vor allen Dingen Nürnberg wach, wo die Eintracht jeweils einen Vorsprung in den Schlussminuten verspielte. Die Arminia wirft noch einmal alles nach vorne. Die Gästeabwehr gerät zum ersten Mal am heutigen Tag ins Schwimmen. Da kommt Kamper zum Schuss, der nach seiner Einwechslung gegen den BVB das Siegtor erzielen konnte, doch Nikolov kann den nicht einfachen Ball mit Not parieren.

In der Nachspielzeit haben die Frankfurter sich den Ball zum Einwurf an der rechten Strafraumgrenze der Arminia erkämpft. Gleich muss der Schiedsrichter die Partie abpfeifen. Chris spielt den Ball noch einmal zu Heller. Heller ist halbrechts im Strafraum und hat noch einen Gegenspieler vor sich. Der junge Mann kurvt beherzt nach innen und könnte den Ball zu Köhler spielen. Doch diesmal hat sich Heller selbst etwas vorgenommen: Er läuft sich frei und schießt - nun aus halblinker Position – hart auf das Bielefelder Tor. Ein Verteidiger wirft sich in den Schuss und fälscht ihn mit dem Oberschenkel unhaltbar für Hain ab. Der Ball knallt an die Unterkante der Latte und von dort ins Tor. 4:2 in der 92. Minute. Das ist der dritte Auswärtssieg für die Adler!

Der über den Sieg und seinen ersten Bundesligatreffer überglückliche Marcel Heller ist trotz seines Kurzeinsatzes erschöpft: „Nach den zwanzig Minuten war ich schon richtig platt, weil ich sehr viel gelaufen bin und immer wieder die Seiten gewechselt habe. Bei meinem Treffer ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“

Ernst Middendorp will „trotz des deutlichen Ergebnisses ein eng geführtes Spiel“ gesehen haben. Eintracht-Trainer Funkel ist zufrieden: „Die Mannschaft hat viel von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben: an unsere Stärke zu glauben. Ein wichtiger Sieg für uns und ein kleiner Schritt auf dem Weg, unser Ziel zu erreichen.“ Bei der Bielefelder Schlussoffensive hatte die Eintracht „das Quäntchen Glück“, gibt Funkel zu und kritisiert: „In den letzten zehn, zwölf Minuten waren wir zu passiv.“

Heribert Bruchhagen sieht das ähnlich: „Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn wieder der Ausgleich gefallen wäre.“ Der erleichterte Bruchhagen, für den dieser Sieg „viel wichtiger ist als das anstehende Pokalspiel“ lobt einen Spieler ganz besonders: „Amanatidis hat heute bewiesen, was für ein wertvoller Spieler er für uns sein kann.“

Der so gelobte Amanatidis mahnt jedoch: „Die Situation ist noch immer prekär für uns. Es braucht keiner zu glauben, dass wir da schon raus sind. Aber wenn wir so weitermachen, gibt’s keine Probleme. Wir müssen weiter alles versuchen, alles andere als der Klassenerhalt wäre eine Riesenenttäuschung.“

Bielfeld bleibt 16., weil der Tabellenvorletzte Mainz 05 zu Hause von Schalke 04 im Stile eines Absteigers vorgeführt wird. Die Eintracht macht dagegen einen Sprung auf den 12. Tabellenplatz. Mit 34 Punkten am 29. Spieltag steht die Eintracht in der ersten Liga so gut wie nie zuvor in den letzten 12 Jahren und hat nun vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Beim Heimspiel gegen Bochum in einer Woche soll dieser Vorsprung nach Möglichkeit ausgebaut werden. Doch zuerst geht es am Dienstag zum mit Spannung erwarteten Pokal-Halbfinale nach Nürnberg. (rs)

 




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