Eintracht Frankfurt - FC St. Pauli

2. Bundesliga 2002/2003 - 1. Spieltag

4:0 (1:0)

Termin: So 11.08.2002 15:00
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Dr. Christian Wack (Gersheim)
Tore: 1:0 Holger Stanislawski (22., Eigentor), 2:0 Rolf-Christel Guié-Mien (83.), 3:0 Ervin Skela (88.), 4:0 Albert Streit (89.)

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Eintracht Frankfurt FC St. Pauli

 

     

  • Simon Henzler
  • Cory Gibbs
  • Holger Stanislawski
  • Dubravko Kolinger
  • Oliver Held
  • Jens Rasiejewski
  • Torsten Traub
  • Catalin Racanel
  • Ugur Inceman
  • Antonio Marcao
  • Nico Patschinski

 

Wechsel

Wechsel

  • Tobias Kurbjuweit für Dubravko Kolinger (46.)
  • Mathias Cenci für Oliver Held (64.)
  • Philip Albrecht für Nico Patschinski (78.)

Trainer

Trainer

  • Dietmar Demuth

Geglückter Start auf dem Weg ins Ungewisse

Mit neuer Bescheidenheit wollen der Aufsichtsratsvorsitzende Volker Sparmann und der sportliche Leiter, Trainer Willi Reimann, die Eintracht in die neue Saison führen. “Man wird sich daran gewöhnen müssen, kleinere Brötchen zu backen“, sagt Reimann kurz vor Saisonbeginn. Es bleibt aber auch gar nichts anderes übrig nach dem Lizenzkrimi während der Sommerpause. Das Budget ist mit 15 Millionen Euro knalleng, an spektakuläre Neuverpflichtungen war nicht zu denken und auch die gehaltenen Spieler mussten Einschnitte in ihren Bezügen hinnehmen.

“Eintracht Frankfurt war lange genug wie ein Durchlauferhitzer. Erst ein riesiges Feuerwerk und dann ist der Ofen aus,“ so Volker Sparmann. So sind denn auch die sportlichen Ziele niedrig gehalten: “Wir wollen den Fans einen engagierten Fußball bieten und möglichst schnell einen gesicherten Mittelplatz erreichen. Der Klub steht vor einer sehr schwierigen Saison," sagt Reimann kurz vor Saisonbeginn. Geplant wird mit einem weiteren Jahr zweite Liga, aber ein theoretisches Budget für “den im wirtschaftlich schlimmsten, also im sportlich erfolgreichsten Fall“, nämlich den Aufstieg, gibt es immerhin. Nach einer Umfrage des „Kicker“ unter den Zweitliga-Trainern sollte dieser Fall aber nicht eintreten, Freiburg, Köln, Mainz und St. Pauli sind die Aufstiegsfavoriten.

Passend zur Situation der Eintracht präsentiert sich den 20.000 Zuschauern auch das Waldstadion. Abgerissen ist er, der gute alte G-Block, genau wie alle anderen Stehplatzbereiche, die Anzeigentafel und die Flutlichtmasten. Bauzäune, Beton und Sand prägen nun das Bild der alten Kurve, für die Fans werden die Blöcke 31 bis 37 auf der alten Gegentribüne als neue Heimat angeboten. Die rund 2.000 Anhänger vom FC St. Pauli werden auf einem separat für die Gästefans abgesperrtem Teil der Gegentribüne untergebracht. Nicht nur die finanziellen Verhältnisse bei der Eintracht sind eng, auch die räumlichen im Waldstadion.

Nachdem man zuletzt aufgrund der vielen Verletzungen in der Vorbereitung sogar ein Testspiel ausfallen lassen musste, sieht es für Trainer Reimann zum Saisonbeginn wieder etwas rosiger aus. So kann heute Pawel Kryszalowicz, der beste Torschütze der Eintracht aus der Vorsaison, im Sturm neben Jermaine Jones auflaufen. Mit dabei in der Innenverteidigung ist wieder der neue Kapitän, Jens Keller vom 1. FC Köln. Unterstützen soll den Routinier der 27jährige Jean-Clotaire Tsoumou-Madza, der erst vor 14 Tagen vom Oberligisten OFC Neugersdorf verpflichtet wurde. Reimann kennt den Kongolesen noch aus seiner Zeit als Trainer beim FC. St. Pauli. Direkt von den Hanseaten kommt Henning Bürger, der auf der linken Seite für Schwung sorgen soll. Ein weiterer Neuzugang spielt heute im Mittelfeld neben Guié-Mien und Branco: Es ist der 28jährige David Montero vom SV Waldhof Mannheim.

Erst kurz vor dem Anpfiff entscheidet sich der Trainer des Bundesligaabsteigers Dietmar Demuth für den Einsatz von Ersatztorhüter Simon, dem Held des Weltpokalsiegerbesiegerspiels aus der Vorsaison gegen Bayern München und gegen Tihomir Bulat. Zudem erhält Kolinger in der zentralen Abwehrrolle den Vorzug vor Neuzugang Yakubu Adamu. Mit dabei im defensiven Mittelfeld ist Jens Rasiejewski, der in der Vorsaison noch den Adler auf der Brust trug, verzichten muss St. Pauli hingegen auf die noch verletzten Brückner und Alexander Meier.

Riesenstimmung auf der altehrwürdigen Gegentribüne, als Schiedsrichter Dr. Wack das Spiel anpfeift. Es ist ein vorsichtiger Beginn, beide Teams sind zunächst bestrebt, Sicherheit in ihr Spiel zu bringen. Doch dann geht es langsam los, der Ball läuft schön in den Reihen der Eintracht. Immer wieder ist es der neue Kapitän Jens Keller, der das Spiel ruhig eröffnet. Schon in der Anfangsphase gelingen ihm mehr sichere Zuspiele als seinem Vorgänger Karel Rada in der gesamten Vorsaison. Erste kleine Chancen ergeben sich durch Jones und Branco, von St. Pauli ist hingegen noch nicht viel zu sehen.

Dann die 22. Minute, einmal mehr ist Guié-Mien, der im Mittelfeld bislang viele Freiheiten hat, am Ball. Der Kongolese sprintet noch ein paar Meter und will dann flach auf den Richtung Torraum sprintenden Kryszalowicz passen. Das Leder kommt in den Fünfmeterraum, Stanislawski will klären und ... Tor! 1:0 für die Eintracht durch ein blitzsauberes Eigentor. Kleiner Trost für den Unglücksraben, den tollen Pass von Guié-Mien hätte auch der einschussbereite “Polen-Paule“ reingemacht.

Und die Eintracht wirbelt weiter, immer wieder über Guié-Mien. Der Kongolese rennt und rackert, wie man es von ihm noch nie gesehen hat. Doch die guten Chancen, die er hat, vergibt er oft genug leichtfertig. So in der 30. Minute, als er sich prima frei spielt, dann aber von der Strafraumgrenze aus deutlich verzieht oder nur eine Minute später, als er nach Flanke von Bürger einen Kopfball über das Tor jagt. Aber auch die anderen Adler rennen und rackern, das hat man in der letzten Saison so nicht gesehen, die Fans sind entsprechend begeistert und peitschen die Eintracht nach vorne. Dann die 33. Minute, wieder ist es Guié-Mien, der am Ball ist. Kryszalowicz startet, der Kongolese passt in den freien Raum, doch etwas zu spät. Beim Abspiel stand “Polen-Paule“ bereits im Abseits, so dass sein Tor zu Recht von Dr. Wack nicht anerkannt wird.

Es ist schon die 44. Minute, als St. Pauli das erste Mal nach einem Standard gefährlich in den Strafraum kommt. Doch Oka Nikolov pariert den Schuss von Marcao glänzend. Ansonsten ist St. Pauli nicht viel zu sehen, insbesondere weil Montero bereits im defensiven Mittelfeld so ziemlich alles erfolgreich blockiert, was Ugur Inceman probiert. Und ansonsten stehen da ja noch Keller, Tsoumou-Madza und Bindewald, die die bislang harmlosen Hanseaten bestens im Griff haben.

Nach der Pause wechselt St. Pauli-Trainer Demuth aus: Tobias Kurbjuweit ersetzt den unglücklich spielenden Kolinger. Die Adler kommen unverändert aus der Kabine und übernehmen sofort wieder das Kommando. Und schon in der 50. Minute das nächste Tor für die Eintracht, aber Guié-Mien ist zu schnell gewesen, wieder entscheidet Dr. Wack auf Abseits.

Für Kryszalowicz ist in der 56. Minute Feierabend; nach der langen Verletzung hat er sich völlig verausgabt und wird durch Alexander Schur ersetzt. Kurz darauf muss auch Jones mit konditionellen Problemen vom Platz, für ihn kommt Ervin Skela (61.) und Guié-Mien rückt in die Spitze. Durch den Wechsel der beiden heute sehr quirligen Stürmer ist zunächst ein Bruch im Spiel, Angriffe sind Mangelware, aber das Mittelfeld und die Abwehr der Adler stehen sicher. St. Pauli spielt weiterhin brav und bieder, statt der Piratenflagge wären heute Kinderrasseln die passenderen Fanutensilien für die rund 2.000 Gäste.

Es ist schon die 83. Minute, als Ervin Skela einmal mehr ungehindert in Richtung Strafraum der Hanseaten sprinten kann. Dann eine Flanke auf den startenden Guié-Mien und diesmal passt alles beim Kongolesen. Tor! Das 2:0 für die Eintracht, Riesenjubel auf der Gegentribüne und Riesenerleichterung bei Guié-Mien, er sprintet zur Eckfahne und präsentiert den Fans einen dreieinhalbfachen Salto. Auch Trainer Reimann ist hiervon begeistert: "So etwas habe ich noch nicht mal beim Kunstturnen gesehen."

Spätestens jetzt sind alle Dämme gebrochen und unter dem tosenden Beifall der Zuschauer stürmt fast nur noch die Eintracht. Jetzt kommen die Hessen über Ervin Skela, der unbehelligt durch das Mittelfeld laufen kann; ein Doppelpass mit Guié-Mien und der Albaner versenkt aus 6 Metern den Ball ganz einfach im Netz. Das 3:0 für die Eintracht (87.).

“Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“ tönt es von den Rängen, als kurz darauf Guié-Mien auf Albert Streit flankt, der das Leder Volley mit dem Außenspann auf das Tor knallt. Torhüter Henzler fliegt, doch der Ball wird abgefälscht und landet erneut im Tor. Das 4:0 für die Eintracht (88.), welches die Baustelle Waldstadion in ein Freudenhaus auf der Reeperbahn verwandelt - und dies bis lange nach dem Schlusspfiff durch Dr. Wack. Der Start in die neue Saison ist gelungen.

Stimmen zum Spiel

Peter Fischer im Überschwang des Jubels: "Ein bisschen so wie damals beim 5:1 über Kaiserslautern.“

Volker Sparmann, passend zur neuen Bescheidenheit: “Das war ein spektakuläres Fußballspiel und es waren drei Punkte gegen den Abstieg.

Willi Reimann schlägt in die gleiche Kerbe: "Alle haben ihr Bestes und Letztes gegeben. Sie haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben, nämlich kämpferischen Fußball zu spielen. Aber ich glaube, wir alle wissen, wie dieser Sieg einzuschätzen ist. So souverän, wie es aussieht, waren wir nicht."

Kapitän Jens Keller "Das waren drei Punkte, nicht mehr und nicht weniger." (tr)

 

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