1860 München - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1998/1999 - 19. Spieltag
4:1 (4:0)
Termin: Sa 20.02.1999 15:30
Zuschauer: 21.000
Schiedsrichter: Hellmut Krug (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Daniel Borimirov (5.), 2:0 Horst Heldt (15.), 3:0 Marco Kurz (28.), 4:0 Bernd Hobsch (45.), 4:1 Christoph Westerthaler (69.)
1860 München | Eintracht Frankfurt |
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“Die zweite Hälfte haben wir gewonnen …“ "Bei 1860 München hat sich über die Winterpause nicht viel geändert, bei uns durch den Trainerwechsel schon", erklärt Reinhold Fanz vor seinem Rückrundendebüt und gibt sich kämpferisch: "Wir wollen punkten, möglichst gewinnen. Deshalb werden wir uns nicht nur hinten reinstellen, sondern richtig wehren." Hierfür hat er lange an der neuen Taktik für die Eintracht gefeilt, denn mit der seines Vorgängers, würde es ja auf “kürzestem Weg in die Zweite Liga“ gehen, wie Manager Rohr während der Vorbereitung oft genug wiederholte. So soll der Libero nun grundsätzlich hinter der Abwehr spielen, um den Manndeckern mehr Sicherheit zu geben. Die Außenbahnen im Mittelfeld werden jeweils mit einem Pärchen besetzt werden, um einerseits mehr Flanken für die beiden Sturmspitzen zu produzieren und andererseits gegnerische Flügelflitzer besser abschirmen zu können. Im Training wurde dies bereits umgesetzt, ist sich der Trainer sicher: "Spielerisch haben wir uns verbessert, der Ball läuft, das Selbstvertrauen ist zurückgekehrt und damit auch der Mut, nach vorn zu spielen. Als ich nach Frankfurt kam, war das anders, es war grauenhaft." Die Verletztenliste ist allerdings lang, neben den verletzten Weber, Zampach und Gebhardt sowie den gesperrten Bindewald und Pedersen muss Reinhold Fanz kurzfristig auch auf Brinkmann und Janßen verzichten. Dennoch verwundert seine Aufstellung sehr und sorgt für einige Irritationen in der Mannschaft. So müssen die erfahrenen Kutschera, Westerthaler und Fjørtoft auf die Bank, während die Mittelfeldspieler Sobotzik und Bernd Schneider das Sturmpärchen vor Frank Gerster bilden. Auf der linken Seite spielen Bounoua und Kaymak, während sich auf rechts Pisont und Amstätter versuchen sollen. Als Manndecker neben Libero Houbtchev agieren Schur und Uwe Schneider. Unruhig war es auch bei den Löwen, als Mittelfeldmann Miroslav Stevic lautstark nach Dortmund wechselte und die Münchener den 24-jährigen Martin Cizek von Sparta Prag als Ersatzmann holten. Doch nach drei Trainingslagern haben sie sich längst wieder auf das Ziel eingeschworen, Leverkusen und Kaiserslautern zu verdrängen. “Ich schaue nicht auf die Teams hinter uns, sondern nur, wen wir noch überholen können. Denn wir spielen immer eine starke Rückrunde, weil wir läuferisch und spielerisch stark sind“, tönt Werner Lorant, der vom Testspiel der Eintracht gegen Prag nicht sonderlich beeindruckt war und im heutigen Heimspiel drei Punkte fest einplant, um die Jagd auf den anvisierten Vizemeister-Titel erfolgreich zu beginnen. Neben den gesperrten Torjäger Winkler (10 Tore) muss der ehemalige Eintrachtspieler und aktuelle Löwen-Trainer auch auf die verletzten Vanenburg und Bender verzichten, so dass Hobsch neben Schroth in der Spitze beginnen wird und der Ex-Frankfurter Ned Zelic als Libero agiert. Nasskalt ist es im spärlich besetzten Olympiastadion und die mitgereisten Frankfurter Fans wundern sich von Beginn an. Zunächst über die Aufstellung und dann über das Kuddelmuddel, das diese Elf auf dem Platz fabriziert. Denn von Beginn an ist die rechte Seite offen wie ein Scheunentor, Cizek und Heldt können gegen Amstätter und Pisont nach Belieben wirbeln. Dafür sollte doch die Abwehr stehen, denn Reinhold Fanz hatte unter der Woche vor der Kopfballstärke der Löwen bei Standards gewarnt. Mal sehen, Cizek zirkelt einen ersten Freistoß hart und präzise in den Strafraum, wo Gerster zwar bei Borimirov steht, diesen aber nicht daran hindern kann, ihn aus 7 Metern zum 1:0 ins rechte Toreck zu köpfen (5.). Der frühe Rückstand bringt nicht gerade Sicherheit in das Spiel der Frankfurter, zumal die Löwen extrem früh stören und so die Eintracht von einer Verlegenheit in die nächste stürzen, die sich nur durch Fouls zu helfen weiß. Wieder ist es Cizek, der einen Freistoß in den Strafraum schlenzt, Hobsch springt höher als Uwe Schneider, setzt den Ball aus zwölf Metern aber nur an die Latte (14.). Keine weiten Abschläge, hatte der Trainer gepredigt und so gibt Nikolov die Kugel kurz auf Houbtchev weiter, der sie direkt zu Schur spielt. Der will auf Gerster im eigenen Halbfeld weiterleiten, doch Hobsch spritzt dazwischen. Über Schroth kommt der Ball zu Horst Heldt, der keine Mühe hat, Nikolov mit seinem Flachschuss aus sieben Metern zum 2:0 zu überwinden (15.). Desolat, doch was sollen die erfahrenen Spieler wie Schneider und Sobotzik in der Sturmspitze machen, wenn die Debütanten Bounoua und Amstätter ebenso sichtbar überfordert sind wie Gerster, Pisont - der vom Kicker-Sportmagazin die Note 6 erhält - und Kaymak. Sie können sich einfach nicht befreien. Ein Ball nach dem anderen landet am Strafraum, doch immerhin sind die Löwen aus dem Spiel heraus nicht treffersicher genug, um die Gäste aus dem Stadion zu schießen. Das besorgt sie dafür mit einem Freistoß, den Cizek in den Strafraum zirkelt. Houbtchev zögert, nicht aber Kurz, der die Kugel an den rechten Innenpfosten köpft, von wo aus sie zum 3:0 ins Tor springt (28.).
Vier Minuten später darf sich auch die Eintracht zeigen, als ein Freistoß von Sobotzik in den Sechzehner fliegt. Doch der Kopfball von Aushilfsstürmer Bernd Schneider segelt knapp am linken Pfosten vorbei, so dass Torhüter Hofmann wenigstens einmal zucken darf (32.). Denn mehr bekommt er im ersten Abschnitt nicht zu tun, während die Löwen weiter die Hälfte der Frankfurter unsicher machen, ohne dass Reinhold Fanz am Seitenrand auch nur Anstalten macht, daran etwas zu ändern. Diesmal ist es Schroth, der eine Linksflanke von Cizek volley aus 8 Metern neben den rechten Pfosten setzt (40.). Fünf Minuten später zeigt sich Bounoua von seiner schlechtesten Seite. Zuerst verliert er den Ball in der eigenen Hälfte gegen Borimirov und läuft dann so ungestüm nach hinten, dass er die Abseitsposition beim folgenden Abspiel von Heldt auf Hobsch aufhebt. Der wiederum wird von Houbtchev nur halbherzig bedrängt, “weil es sonst wohl Elfmeter gegeben hätte“ und hämmert den Ball aus neun Metern zum 4:0 flach ins rechte Toreck (45.). Werner Lorant, der es sich leisten konnte, bereits nach 33 Minuten Quakili für den gelbrot-gefährdeten Malz zu bringen, ist natürlich hochzufrieden: “Wir haben hervorragend Pressing gespielt und die nötigen Tore erzielt.“ Die Leistung der Eintracht kommentiert das kicker-Sportmagazin hingegen so: “Hier ein Spitzenteam, dem 45 ordentliche Minuten genügten, um eine ersatzgeschwächte, taktisch desolat eingestellte und zu haarsträubenden Fehlern neigende Truppe an die Wand zu spielen. Dort agierte die Eintracht wie ein sicherer Absteiger, die von Glück reden durfte, nicht eine ‘Klinikpackung‘ mit sieben oder acht Gegentoren erhalten zu haben.“ An einen Wechsel denkt Reinhold Fanz zur Pause dennoch nicht, so dass Kutschera und Fjørtoft weiter vor sich hin motzen und selbst der so ruhige Bernd Schneider zu seiner Stürmerrolle nur brummt: "Wenn der Trainer meint, ich sei da am wichtigsten, spiele ich eben da." Immerhin, die Sechziger nehmen nun zwei Gänge raus und lassen die Gäste ein wenig gewähren. Doch es ist unübersehbar, in dieser Verfassung und ohne Stürmer werden sie die Löwen nicht bedrängen. Nachdem sich Houbtchev daher mal mit einem schönen Schuss aus der zweiten Reihe zeigt, der nur knapp über die Latte streicht, reagiert der Trainer und bringt mit Westerthaler für den grottenschlechten Pisont einen echten Stürmer, so dass Bernd Schneider zurück ins Mittelfeld darf (64.). Um sogleich anzumerken: "Dass ich mehr der Vorbereiter bin, hat das Tor zum 1:4 bewiesen." Stimmt, dank seines schönen Zuspiels hat Bounoua einmal Platz und flankt in die Mitte, wo Westerthaler mit rechts seinen zweiten Saisontreffer zum 1:4 erzielt. (68.). “Wir haben in der zweiten Halbzeit viel zu kompliziert und nachlässig agiert, vor allem das Gegentor stinkt mir. Wir hätten mehr für unser Torverhältnis tuen müssen“, grummelt Werner Lorant, während die Eintracht weiter mitspielen darf. Und auf Oka Nikolov vertrauen kann, denn nach wie vor finden sie kein Rezept, wenn 1860 schnell nach vorne kommt. “Wir sind chancenlos gegen eine Münchener Mannschaft, aber wir waren eben noch viel schwächer. Eine andere Mannschaft hätte hier heute gewonnen.“, brummelt Kutschera, der in der 78. Minute den angeschlagenen Schur ablösen darf, sich aber noch immer heftig über seine Nichtberücksichtigung von Beginn an ärgert: "Ich glaube, dass die Vergangenheit und mein gutes Verhältnis zu Horst Ehrmantraut eine Rolle spielt. Das sollte man aber bleiben lassen, es geht hier um die Eintracht". Die von Glück reden kann, dass Nikolov kurz darauf im Duell gegen den durch gebrochenen Ouakili der Sieger bleibt und sich zwei Minuten später bei der Querstange bedanken kann. Gegen die setzt nämlich Agostino seinen Flugkopfball aus zehn Metern (83.). Das war es dann, nach der Auftaktniederlage im neuen Jahr findet sich die Eintracht mit 17 Punkten auf einem Abstiegsrang wieder. “Ein hochverdienter Sieg des TSV. Bei konsequenter Fortführung der ersten Halbzeit und optimaler Chancenauswertung hätte der zweistellige Bereich erreicht werden können. Die Frankfurter Abwehrarbeit war lange nicht zweitligareif“, kommentiert das Kicker-Sportmagazin. Schönfärberei und Unsinn hier, Inquisition da “Das war erst der Anfang, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben gesehen, dass es taktisch und technisch stimmt bei uns. Die Tore sind nach Standardsituationen und persönlichen Fehlern gefallen, das sind Dinge, die man leicht abstellen kann“, kommentiert Reinhold Fanz das Spiel auf der Pressekonferenz. Dass die aufgestellte Mannschaft insgesamt zu jung und unerfahren gewesen sei, will er nicht gelten lassen: “Die Fehler haben doch die älteren Spieler gemacht wie Houbtchev oder Gerster.“ Da will auch Manager Rohr nicht nachstehen und setzt noch einen drauf: "Wir haben nicht nur mitgehalten, wir haben die Sechziger manchmal sogar ausgespielt. Die zweite Hälfte haben wir gewonnen." Kopfschütteln allenthalben, "der hat doch keine Ahnung", grinst Werner Lorant, während die Einblendung der Manager-Worte im berüchtigten “Doppelpass“ des Sportsenders DSF für schallendes Gelächter sorgt. "Ich lasse mich nicht davon blenden, dass wir die zweite Halbzeit rechnerisch 1:0 gewonnen haben, die haben doch gleich mehrere Gänge zurückgeschaltet. Sicherlich, Ansätze waren da, aber die Frage ist dann noch nicht beantwortet, ob das auch erfolgreich ist, wenn wir im Mittelfeld den Ball fünfmal sauber abspielen, am Ende aber nur einen Meter Raum gewinnen. Ich bin maßlos enttäuscht“, meint unterdessen Rolf Heller, will aber keine öffentliche Kritik üben: "Alles andere werde ich jetzt nicht kommentieren. Ich werde unsere sportliche Leitung befragen, denn die wird sich ja etwas dabei gedacht haben.“ Kutschera hält sich inzwischen ebenfalls zurück und meint nur angesichts des Strafen-Katalogs, den die sportliche Leitung für die Mannschaft eingeführt hat: "Ich sage nichts mehr. Ich bin nicht bereit, 9000 Mark Strafe zu zahlen und meinen Kopf für andere Spieler hinzuhalten." Auch zwei Tage nach der Niederlage ist die Aufregung groß bei der sportlichen Führung. Reinhold Fanz kann die Kritik in Medien, Öffentlichkeit und bei einigen der Spieler ebenso wenig verstehen, wie die Vorwürfe, dass das Spiel von ihm schöngeredet worden sein. "Ich bin nicht blauäugig, ich bin auch nicht naiv." Vielmehr hätten die Berichterstatter das Spiel "völlig falsch" gesehen, beharrt der Trainer. “Wir haben bei weitem nicht so schlecht gespielt, wie berichtet wurde. Wir haben zwar viele Fehler gemacht, aber spielerisch war es in Ordnung." Unterstützung erhält er natürlich von Gernot Rohr, der meint: "Wenn solch kapitale Fehler passieren, kann kein Trainer der "Welt was machen." Überhaupt gehe es in Frankfurt medial ganz anders zu als in Bordeaux: "Dort wurde fair berichtet, dort stand das Sportliche im Vordergrund.“ Hier hingegen gebe es eine gezielte Kampagne der Frankfurter Medien: "Das ist zum Teil Inquisition, was hier passiert." Erst seine unrühmliche Rolle bei der Entlassung von Ehrmantraut, dann sein “Hitler-Jugend“-Zitat und nun die Inquisition. Beliebter macht der Manager sich damit nicht. Doch standhaft hält er auch nach seiner Entlassung im April an seiner Version von der “Hetzjagd“ und “vom mächtigen und verkommenen deutschen Sportjournalismus“ fest. Dem will auch der Trainer nicht nachstehen, der nach der Kritik von Brinkmann, Kutschera und anderen in der Mannschaft mit der Faust auf den Tisch schlägt: “Jeder kann mit Kritik zu mir kommen, aber bisher war keiner da. Aber wer seinen Unmut in die Öffentlichkeit trägt, der muss damit rechnen, dass er sich einen neuen Verein suchen muss. Das geht bei mir ganz schnell. Da bin ich ganz rigoros und brutal." Zur Kritik von Kutschera, dass er aufgrund seines guten Verhältnisses mit Ehrmantraut nicht gespielt habe, kontert Reinhold Rohr: "So ein Käse, das ist doch Geschwätz. Er hat nicht gespielt, weil er spielerisch erhebliche Mängel offenbart habe. Kutschera muss sich besinnen, an die Regeln halten und an sich arbeiten, dann bekommt er wieder seine Chance."(tr)
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