ES Sousse - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1998/1999

0:1 (0:1)

Termin: 03.02.1999
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter:
Tore: 0:1 Jan-Aage Fjørtoft (32.)

 

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ES Sousse Eintracht Frankfurt

     

 

1. Halbzeit

 

Wechsel

2. Halbzeit

Trainer

  • Jean Fernandez

Trainer

 

Die Abwehr steht, dafür wirbelt es heftig bei den Chefs

"Wir sind ja nicht zum Urlaub oder zur Kur hier, das ist ein Trainingslager", meint Reinhold Fanz nur kurz, während der Eintracht-Tross nicht schlecht staunt, als er die tunesische Hafenstadt am Golf von Hammermet erreicht. Denn in Sousse hat es in der Nacht zuvor tatsächlich geschneit und auch an den ersten Tagen bleiben die Temperaturen im einstelligen Bereich. Entgegen seiner Ankündigung hat der Trainer den Kader, der im Hotel Tej Marhaba gastieren wird, nur auf 27 Mann verkleinert. "So können wir im Training immer elf gegen elf spielen, auch wenn einige mal pausieren müssen", begründet der Trainer seinen Meinungsumschwung. Lediglich Agu und der an einer gebrochenen Fußzehe laborierende Glöckner sind zusammen mit den verletzten Weber und Epp in Frankfurt geblieben, während Bernd Schneider für neun Tage mit der Nationalmannschaft in den USA weilt. Dafür sind neben dem Trainer und Manager Rohr gleich neun Offizielle mit in Tunesien.

Schließlich soll mit dem ESS Sousse, dessen Trainingsgelände die Eintracht nutzen darf, ein Kooperationsabkommen geschlossen werden. Denn "Sousse soll unser Brückenkopf in Afrika werden", verkündet Gernot Rohr zwar vollmundig, aber viel mehr als eine Ankündigung wird von diesem “Abkommen“ nicht übrig bleiben. Unterdessen schwitzen die Profis trotz der niedrigen Temperaturen bei drei Einheiten am Tag in drei Gruppen, die dem Trainer, Co-Trainer Lippert und Manager Rohr als “Lauftrainer“ abwechselnd zugeordnet werden. "Wir sind im Zeitplan. Im körperlichen Bereich sind wir schon sehr, sehr weit", versichert Reinhold Fanz und gibt bereits ein paar kleinere Taktikänderungen bekannt, die eher an Allgemeinplätze erinnern: "Wir üben, vorne früh zu stören, uns hinten schnell zurückzuziehen und die Außenpositionen zu verstärken." Was sicher im Interesse von Stürmer Fjørtoft liegt, der grinsend erklärt: "Flanken sind wie Brot für mich. In der Liga sind ja bisher gerade mal vier Flanken in den Strafraum gekommen. Zwei davon habe ich mir selbst geschlagen."

Umsetzen können sie das geübte gegen den tunesischen Meister und afrikanischen CAF-Champions League-Sieger von 1997, der aktuell auf dem dritten Rang in der tunesischen Meisterschaft liegt. Der Trainer von Étoile Sportive du Sahel Sousse ist ein alter Bekannter von Gernot Rohr. Der Franzose Jean Fernandez war jahrelang in Frankreichs Ligue 1 tätig, unter anderem bei Olympique Marseille und Lille, bevor es ihn erst nach Dubai und dann nach Tunesien zog. Gernot Rohr will sich unterdessen noch nicht auf eine Stammelf festlegen lassen und will heute nach Möglichkeit alle gesunden Spieler einsetzen, so dass nur die grippekranken Janßen und Bounoua nicht spielen werden.

Bis auf Petry im Tor und Amstätter, der zusammen mit Brinkmann die rechte Seite beackert, besteht die Mannschaft der ersten Halbzeit aus den Spielern der “ersten Garde“, die vor 4000 Zuschauern im Stade Olympique de Sousse schwer in die Gänge kommt. Allerdings hat für die Gastgeber die Rückrunde bereits begonnen, so dass sie leichtfüßiger agieren als die vom Trainingslager geschlauchten Frankfurter. Immerhin steht aber die Defensive sicher, so dass die spielerisch überlegenen Tunesier zwar viel zu oft vor den Strafraum kommen, da aber meist an einem Abwehrbein oder der eigenen Schussschwäche scheitern. Wie es gehen kann, zeigen Amstätter und Brinkmann mit einem schönen Vorstoß auf der rechten Seite. Brinkmann flankt in den Strafraum, wo Fjørtoft die Kugel mit einem satten Drehschuss zum 1:0 in die Maschen hämmert (30.). Damit sind die besten Spieler im ersten Abschnitt bereits genannt, denn Sobotzik, der als zweite Sturmspitze agiert, lässt sich meist viel zu weit nach hinten fallen und auch das Mittelfeld kann ohne Janßen, Weber und Bernd Schneider nicht überzeugen.

In der zweiten Halbzeit versuchen sich Pisont, da Silva und Rosen in der Mitte, aber keiner kann so recht überzeugen, zumal jetzt auch die Flügel mit Yang, Zampach sowie Gerster heftig lahmen und Stojak seine altbekannten Schwächen bei der Ballannahme zeigt. Spielaufbau? Mau. Schnelle Pässe in die Spitze? Fehlanzeige. Dafür bleibt die Abwehr trotz einiger riskanter Rückpässe aus dem Mittelfeld sicher und kann den knappen Vorsprung über die Zeit schaukeln. "Das Spiel war unsere siebte Einheit in eineinhalb Tagen. Da war klar, dass die Spritzigkeit etwas fehlte, dass die Burschen müde Beine hatten. Trotzdem ist es uns meist gelungen, das Spiel aus einer sicheren Abwehr zu gestalten. Taktische Schwächen sind zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung normal, denn wir beginnen ja erst mit dem Feinschliff", meint Reinhold Fanz nach dem Spiel.


Ein erstes Grummeln bei Team und Umfeld - Fanz sagt an, wer Chef ist …

"Bisher hat ja noch nicht viel geklappt", meint Ansgar Brinkmann etwas süffisant und steht damit nicht alleine. Denn einige der Spieler fragen sich bereits insgeheim, wer denn nun “der Chef und wer das Chefchen sei." Denn wo der Trainer ist, ist meist auch der Manager, der sich stets und ständig mit Reinhold Fanz bespricht, sogar auf der Ersatzbank während der ersten Testspiele. Natürlich bekommt auch der sogenannte Übungsleiter mit, was so im Busch getrommelt wird und widerspricht bei einem anberaumten Pressegespräch - ohne Gernot Rohr - vehement, dass er nur ein Drahtzieher des mächtigen Managers sei: "Arbeitsteilung? Im Trainingsbetrieb gibt es nichts aufzuteilen. Ich spreche mich mit Co-Trainer Bernhard Lippert und Gernot Rohr ab, bin aber zuständig für Mannschaft, Aufstellung und Training. Klar, dass ich da die letzte Entscheidung treffe."

Das Grummeln bei einigen Spielern kann er damit nicht verhindern, einige fühlen sich wie in einer “Kleinkind-Fußballschule“ behandelt heißt es, auch wenn dies kein Spieler öffentlich zugibt. Darauf hat der Trainer natürlich ebenfalls eine Antwort parat: "Bei mir geht es nicht lax zu. In den wichtigen, entscheidenden Dingen muss man genau und diszipliniert sein. Und die Spieler müssen ganz genau wissen, wann die Grenze erreicht ist" kontert der Trainer all denen, die an seiner Durchsetzungsfähigkeit zweifeln. Wer dies macht, könne sich gerne bei seinen früheren Arbeitgebern informieren, ergänzt der 45-Jährige und betont, dass sich die anderen Präsidiumsmitglieder aus dem sportlichen Bereich heraus halten sollen: "Gernot Rohr ist für Spielereinkäufe zuständig als sportlicher Leiter. Doch die letzte Entscheidung trifft immer der Trainer, denn ich halte meine Rübe hin, nicht der Präsident, der Vize oder der Schatzmeister. Ich halte mich ja auch bei Fragen des Marketings heraus."

Noch einmal widerspricht er den Gerüchten, er wäre allein aufgrund seiner langjährigen Freundschaft mit Rohr und seinen guten Kontakten mit Präsident Heller auf den Chefsessel gehievt worden: "Das wäre doch dumm von Rohr und Heller, wenn sie einen holen, nur weil sie ihn kennen. Das A und O in diesem Beruf ist die Arbeit, die geleistet wird und der Erfolg.“ Allein daran will Fanz gemessen werden, und er findet, man möge ihm "dafür eine faire Chance" einräumen.


…Gernot Rohr bestätigt dies und sorgt für heftigen Wirbel mit einem Fjørtoft-Zitat
(Auszüge aus einem Interview mit der Frankfurter Neuen Presse vom 9. Februar 1999)

Sie haben große Hoffnungen in die Arbeit des neuen Trainers gesetzt. Hat Reinhold Fanz bisher ihre Vorstellungen erfüllt?

Gernot Rohr: “Wenn man ganz kühl betrachtet, was er gemacht hat: Er hat im Training viel gearbeitet. Ob gut oder schlecht, das kann jeder beurteilen wie er will. Ich finde, er hat es sehr gut gemacht, neutrale Beobachter teilen diese Meinung (...) Aber es wird alles für einen erfolgreichen Rückrundenstart getan. Er macht das, ich helfe ihm dabei. Er ist der alleinige Herrscher auf dem Spielfeld und was die Taktik angeht. Um das noch einmal klarzustellen: Er ist der alleinige Chef, gibt die Order, macht die Trainingsprogramme, die Besprechungen. Da sage ich nichts, höre nur zu, bin aufmerksamer Beobachter. Wenn es mal eine Diskussionsmöglichkeit gibt, wenn Spieler etwas sagen, dann habe ich natürlich auch das Recht, mich zu äußern.“

Dann ergänzt der Manager zwei folgenschwere Sätze, die nicht nur in den nächsten Tagen für ordentlich Wirbel sorgen werden: “Wenn so weitergearbeitet wird, wenn die Mannschaft, die befreit wirkt, so mitzieht, die auch mal lacht und mal etwas sagt, dann ist dies der richtige Weg. Ein Spieler übrigens hat einmal ein Wort genannt, das ist vielleicht etwas stark, aber er hat es genannt, der Fjørtoft: Er hat gesagt, vorher war es Hitler-Jugend und jetzt ist es korrekt.“

(Die Fortsetzung folgt im Spielbericht vom 8.02.1999 gegen den FSV Frankfurt…) (tr)

 

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